Dunkel

Kurzprosa zum Thema Schwäche

von  mondenkind

Ich weiß noch, wann die Dunkelheit kam.
Es war ein kühler Tag. Ungemütlich. Einer jener Tage, die man belanglos hinter sich bringt. Pflichtbewußt weglebt. Ohne das Bedürfnis nach Erinnerung. Das Grau des Himmels drückte sich mir in die Stirn. Seit früh schon hatte es mich umkreist, wie ein Schwarm Geier. Die alltagsschwangere Luft nahm mir den Atem. Ich war müde und paranoid. Verdrossen hangelte ich mich von Zigarrette zu Zigarrette, bis mich schließlich die Welle der Feierabendmenge in Oggy's Bar spülte.
Dort verbrachte ich Stunden mit dem Versuch die Welt in mein Scotchglas zu bannen. Der teilnahmlose Blick des Barkeepers streifte mich dann und wann und wanderte dann weiter zum Pegelstand meines Glases. Doch ich war maßvoll, heute. Dies war nicht der Tag zum trinken. Ein Nicht-Tag durch und durch.
Wann sie sich in meine Aufmerksamkeit spielten, war mir im Nachhinein nicht mehr klar. Scheinbar waren sie mit einem Mal da. Ein Farbklecks im schlechtbeleuchteten Rauch der Bar: Ein Paar rote Lippen. Wieso mussten sie nur so rot sein? Sie bewegten sich so geschmeidig und schwungvoll. Spielerisch. Neben mir. Mir zugewandt und redeten auf mich ein. Sonnten sich im grauen Blick meiner trockenen Augen. Ich lächelte.


Wir verließen Oggy's. Ich folgte den Lippen. Gedankenlos und willenlos. Sie waren so rot. Wie nannte man es wohl? Zinnober? Mohn? Blut.
Langsam spürte ich die Dunkelheit heranrollen. Ihr Schatten wuchs drohend hinter meinem Rücken empor. Düster nahm sie mir die Sicht. Ich musste blinzeln. Die Lippen. Rot öffneten sie sich. Verzerrten. Zu einem einzigen stummen Schrei. Wieso mussten sie nur so rot sein?

Schwarz.

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Kommentare zu diesem Text


 Lala (14.10.11)
Hallo mondenkind,

ich muss erstmal ganz blöd fragen, ob ich mir als Erzähler einen Mann oder eine Frau vorstellen soll? Oder ob Dir das egal ist? Ich habe mir einen Mann vorgestellt und stutzte aber beim Martini. Welcher Kerl in einer Bar namens Oggy trinkt den so ein süßes Süffelzeug wie Martini? Ja, gut, Oggy's kann natürlich eine spezielle Bar sein. Ansonsten dachte ich beim lesen, dass Du nicht ganz warm geworden bist mit der Figur und der Szene. Nur einen Satz als Beispiel dafür was ich glaube erkannt zu haben:

Das Grau des Himmels kam schon seit Stunden dichter und dichter und drohte an, sich mir in die Stirn zu drücken.

Gut und blöd oder verbesserungswürdig zugleich.

Das Grau des Himmels drückte sich mir in die Stirn.

Das finde ich besser. Das Bild einen Himmel in die Stirn gedrückt zu bekommen (wobei sich andere vielleicht wegen des "in" aufregen mögen), gefällt mir sehr. Aber ohne das doofe dichter und dichter, hängt er auch verloren in der Gegend rum. Also vorher müsste ein Satz kommen der das zuziehen, das dichter werden des Himmels etwas bedrohlicher und Dir sprachlich angemessener beschreibt als "dichter und dichter". An anderen Stellen des Textes habe ich ähnliche Leseeindrücke gewonnen.

So weit mein Feedback, vielleicht ist was drin für Dich.

Gruß

Lala

 mondenkind meinte dazu am 14.10.11:
vielen dank für dein hilfreiches feedback, lala.
nu hab ich's ein bißchen abgeändert. und der martini ist ein gestandener scotch geworden. männlich, torfig. :)
ich weiss nicht, ob es wirklich daran liegt, dass ich nicht warm geworden bin mit dem lyri (obwohl das wahrscheinlich in anbetracht des endes gar nicht die schlechteste entscheidung ist). ich hatte im kopf bilder aus den alten 40er-tony-malony-trenchcoat-detektiv-serien.
Emmanuel. (20)
(14.10.11)
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 mondenkind antwortete darauf am 25.10.11:
merci :)
fragilfluegelig (49)
(14.10.11)
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 Lala schrieb daraufhin am 14.10.11:
@fragilfluegelig
Bond trinkt nicht nur Martini seine bevorzugte Waffe ist eine Beretta 418. Schau Dir Martinigläser und die Beretta an und sag mir, dass die männlich sind. Dann muss ich grinsen. :)

Gruß
La,
La La.
ues (34)
(14.10.11)
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