Dauerhaft

Politisches Gedicht zum Thema Armut

von  Isaban

Krähen kreisen über Zuckerschloten,
aus der Bonbonfabrik quillt heller Rauch,
ein weißer Pilz hockt still auf Baum und Strauch,
auf Bürgersteigen wandeln fahl die Toten,

im Kopf Tabellen, Kundendaten, Quoten,
die Zahnradkonstruktion sitzt fest im Bauch
und der Maschinen überpudertes Gefauch
dressiert sie mit Erfordernisgeboten.

Wie statusschwarze, lackpolierte Zoten
durchkreuzen gut geschmierte Patrioten
(die Weste strahlt, die Zähne strahlen auch)

ihr Reich, denn so war es schon immer Brauch.
Sie speien lauthals Armutsanekdoten;
an ihren Pfoten haften Blut und Schmauch.

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Kommentare zu diesem Text


 Peer (17.10.11)
Bis auf S1V4, den ich zu überzeichnet finde, wie so oft, stimmige und interessante Bilder.
LG Peer

 Isaban meinte dazu am 17.10.11:
Tut mir leid, Peer, die "Toten" sind schon genau das Bild, das ich zeigen will, schließlich ist es ihr/unser Blut, dass da in S4 an den Pfoten der "Patrioten" klebt.

Freut mich, dass dir der Rest der Bilder gefällt!
Liebe Grüße,

Sabine

 Bergmann (17.10.11)
Ein grandioses (neo- oder postexpressionistisches) Gedicht, eins deiner besten! Vers 4 liegt da voll im richtigen Trend, finde ich, und die Korrespondenz zum letzten Vers gefällt mir da ganz besonders gut im Rahmen der Kritik an unserem hohlen Kapitalismus, der immer schlimmer wird. Ich frage mich selbstironisch, ob Hegels List der Geschichte sich da noch ereignen kann.
Herzlichst: Uli
Jack (33) antwortete darauf am 17.10.11:
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 AZU20 schrieb daraufhin am 17.10.11:
Ich schließe mich an Bergmanns Kommentar gerne an. LG

 Isaban äußerte darauf am 17.10.11:
@ Uli: Herzlichen Dank!
Zu Hegels List der Vernunft der Geschichte: Ich kann mir nicht vorstellen, wie sie sich selbst erfüllt, nicht, ohne dass die Geschichte auf irgendeine (hoffentlich nicht allzu brutale) Weise eine völlig neue Wende nimmt.

@ Jack: Das könnte man höchstens rückblickend sagen, wenn wir am Ende der Geschichte angelangt wären, aber noch haben wir ja offensichtlich ein bisschen Geschichte vor uns - und wäre das nicht der Fall, wäre schließlich gewissermaßen auch die Wende zur Vernunft eingetreten, wenn auch keine für uns wünschenswerte.

@ Armin: Auch dir besten Dank!

@ all: Liebe Grüße,

Sabine

 Bergmann ergänzte dazu am 17.10.11:
Liebe Sabine,
sei bedankt für deine Sammelantwort. Ich wiederhole: Meine Hegel-Bemerkung ist (selbst-)ironisch gemeint. Ich bin - als Historiker - kein Hegelianer, auch kein Neuhegelianer und kein Optimist.
LG, Uli

 TassoTuwas (17.10.11)
Dauerhaft ist das Lebenslänglich? Ach das gibt es ja nicht mehr. Was gibt es? Tiefschwarze Poesie, grauslich und jeden Tag greifbar, also Realität. LG TT

 Isaban meinte dazu am 17.10.11:
Ach, es gibt so viele Realitäten, lieber Tasso; lass uns hoffen, dass wir eine finden, in der uns das Leben einigermaßen erträglich und das Wort "morgen" nicht wie eine Drohung vorkommt.
Ich freu mich, dass der Text dein Augenmerk auf sich lenken konnte.
Hab vielen Dank für deine Rückmeldung.

Liebe Grüße,

Sabine
Rechtschreibprüfung (30)
(28.10.11)
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Rechtschreibprüfung (30) meinte dazu am 28.10.11:
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 Isaban meinte dazu am 08.11.11:
Hallo Rechtschreibprüfung,

verzeih die späte Antwort, ich Schlusel hatte mir eingebildet, bei diesem Text hätte ich schon alles rekommentiert.

Ha, es freut mich ungemein, dass die wiederkehrenden Reime als Stilmittel funzen. Das "so war es schon immer Brauch" sollte durch die gediegene, beinahe besänftigende Aussage eigentlich betonen, dass die Probleme zeitlos sind, schon immer da waren (und falsch gelebt wurden) und gleichzeititg das bedrohlich Unabänderliche unterstreichen - Mist, wenn es einfach nur blass rüberkommt, dann hat es absolut nicht die Wirkung, die ich erhofft hatte.

Politisch weiß ich nicht genau, was ich davon halten soll. Dass die Verantwortlichen als Tote bezeichnet werden, kann ich poetisch nachvollziehen, erinnert mich aber auch ein wenig an Momo mit ihren Grauen Herren, die ja auch scheinlebendige Aschenphantome sind, und damit uns das befriedigende Gefühl geben, wir, die Lebenden, seien an diesen Problemen der Moderne nicht Mitschuld.

Sind es die Verantwortlichen, die da als Tote bezeichnet werden, oder sind es nicht eher jene, die sich aufgrund ihrer Abhängigkeiten nicht aus den bestehenden Missständen lösen können? Es leiden selten die, die Missstände verursachen, meist verlieren jene an Lebensqualität/Leben, die nicht das Sagen haben.

Zum einsamen ersten Trochäus: Ich wollte die schwarzen Punkte, die Schatten beim Aufschauen, beim Blick in den Himmel betonen, ein Blick in die richtige Richtung und sie sind zu sehen, sind offensichtlich. Wer nicht genau hinschaut weiß nur um die Bonbonfabrik, ihre Vorteile und ihre Notwendigkeiten - und wer genau hinschaut, stutzt, stolpert, muss sich erst wieder in den richtigen Trott einfinden, damit das Lesen/Leben wie gewohnt weiterfließen kann.
Hab vielen Dank für deine Beschäftigung mit dem Text. Dein hinterfragender Kommenrtar hat mich sehr gefreut.

Liebe Grüße,

Sabine
Rechtschreibprüfung (30) meinte dazu am 08.11.11:
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 Isaban meinte dazu am 08.11.11:
Ja, das Lied hatte ich auch im Kopf, auch wenn der Spruch schon sehr viel älter ist. Es war die Verwurstungsassoziation, die mich dabei reizte. Na, da wollte ich vielleicht zu manipulativ in die Leserassoziationen eingreifen, ich denk nochmal drüber nach. Vielen Dank für deine erneute Rückmeldung.

 Dieter Wal (08.11.11)
Von der Wortwahl her gefällt es mir. Würde allerdings die Metrik noch bearbeiten. Grad dieser Form halber.

XxXxXxXxXx
xxXXxxxXxX

Die ersten beiden Strophen sähen metrisch etwa so aus. X Betont, x unbetont.

 Isaban meinte dazu am 08.11.11:
Nö du, was die Metrik angeht, irrst du dich.
Der erste Vers steht im Trochäus, alle anderen im Jambus - und beides nicht ohne Grund und ganz besonders dieser Form halber, lieber Dieter.

Beste Grüße,

Sabine
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