Ich habe mich überwunden und wundere mich schon nicht mehr

Text zum Thema Verwirrung

von  Seelensprache

Ich habe mich überwunden und wundere mich schon nicht mehr, auch wenn diese eine Wunde immer tiefer wird. Ich sitze am Steuer. Ich verlasse den Beschleunigungsstreifen, schalte, blinke, überhole, blinke, überhole, blinke. Ich wollte doch eigentlich gar nicht. Ich hatte doch noch irgendwie etwas anderes vor. Ich denke mir: "Nett sein ist manchmal einfach nur scheiße". Eine soulige Frauenstimme, ein wenig Klavier und ein bassiges Saxophon dröhnen hinaus aus den halb geöffnetten Fenstern und verschwinden irgendwo dort in den felsigen Hügeln an denen wir uns westwärts entlangbewegen. Ich drehe lauter. Du magst das nicht. Ich sitze dort, wo der Fahrer sitzt, an der linken Seite, das Steuer in den Händen und die Füße irgendwo dort unten zwischen Gas und Bremse. Neben mir, da sitzt du. Und du - hey du - magst du denn gar nichts sagen? Ab und an versuche ich ein bisschen Kommunikation zu betreiben, doch es hat eher etwas von einer ersten Stunde Fremdsprache lernen. Irgendetwas von dröger Grammatik und einem nicht-so-recht-wollen. Ich blicke gerade aus, halte den Blick starr auf dieses Kommen und Gehen von Dingen gerichtet an denen man vorbei, aber doch eigentlich nie über sie nachdenkt.
Ich weiß, dass du schön bist. Das lange blonde Haar, das du offen trägst, obwohl du das nicht magst. Das blaue Kleid, dass bis zur Hälfte deiner Oberschenkel reicht.  Ich blicke noch immer starr durch die dicke Staubschicht des Frontfensters, zwischen ein paar Vogelschissen hindurch. Eine Sonne verschwindet zwischen den Kämmen einer Felswand und ihr Orange und Rot und Gelb liegen nun überall. "Wow, ist das schön", sage ich. Es bleibt merkwürdig stehen, wie ein Essen, das nicht angerührt, nicht geschmeckt und gerochen wird. Nicht einmal ein leises "ja" mag dir von den Lippen gehen. Will doch nur ein bisschen Spielen, ein bisschen Liebe, ein bisschen hier-und-da.
Du bleibst puppenhaft. Irgendwo zwischen hübsch und unnahbar, zwischen begehrenswert und abstoßend, zwischen Langeweile und Neugier. Wir fahren immer weiter und weiter und weiter und alles bleibt und bleibt und bleibt. Ich verlasse den Beschleunigungsstreifen, schalte, blinke, überhole, blinke, überhole, blinke. Ich halte. Nun stehen wir. Es ist still. Ich drehe meinen Kopf zur Seite bis meine Augen geradeaus in deine Richtung schauen. Du blickst noch immer starr aus dem Fenster. Es ist keine Regung in dir. Es ist als könnte ich einen Stöpsel an dir ziehen und als bliebe dann nur noch ein Stoß faltiges Plastik auf deinem Sitz zurück. Ich löse deinen Gurt. Ich beuge mich über dich und öffne deine Türe. Dann schubbse ich dich hinaus. Eine wütende Frauenstimme dringt durch halbgeöffnete Fenster und verschwindet irgendwo dort in den Reifenspuren und dem Staub der Straße. Adieu, meine Liebe, Adieu.

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