Nicht nur zur Knabengeburt

Erörterung zum Thema Geburt

von  loslosch

Incipe, parve puer, risu cognoscere matrem (Vergil, 70 v. Chr. bis 19 v. Chr.; Bucolica). Beginn, kleiner Knabe, im Lächeln die Mutter zu erkennen.

Dieser Vers gilt allgemein als einer der schönsten Vergils. Dennoch droht Ungemach: Typische römische Denk- und Sichtweise, so lautet der Einwand. Es sei keine Rede von einem Mädchen. Das erste Gegenargument ist formaler Natur: Bezogen auch auf die Geburt eines Mädchens würde der Spruch lauten: "... parve puer(a) ..." Und schon wäre der Hexameter gespalten. Ein weiteres kommt hinzu: Das gesamte, fast tausendjährige Mittelalter (und später), allen voran die (katholischen) Kirchenväter, postulierte, ja konstatierte eine Minderwertigkeit der Frau. (Andere "Weltreligionen" waren und sind ebenfalls diesem Vorurteil verhaftet.) Noch Thomas von Aquin (1225 bis 1274) glaubte zu wissen (oder wusste zu glauben), dass der männliche Fötus nach 40 Tagen, der weibliche erst nach 80 Tagen Menschsein erlangt.

Vergil hat vor mehr als 2000 Jahren einen Vers gezaubert, der uns Heutige noch zu verzaubern vermag. Im Lächeln die Mutter zu erkennen, das ist eine Reverenz an die Frau, die Leben schenkt.

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Kommentare zu diesem Text


 Bergmann (24.08.12)
Die Moden unserer Zeit sind mir für mein Innenleben völlig egal. Political 'correctness': dummes Zeuch. Das Wünschenswerte ist nun mal nicht die Realität. Und es ist fraglich, ob das Wünschenswerte wünschenswert ist. ttU

 loslosch meinte dazu am 24.08.12:
ich krIege hier argumente (siehe auch unten), die ich nicht erwartet hätte. t.t. lo
Gruszka (62)
(24.08.12)
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 loslosch antwortete darauf am 24.08.12:
so viel souveränität! hast du auch die künstl. insemination bedacht? lo
Nomenklatur (63) schrieb daraufhin am 24.08.12:
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 loslosch äußerte darauf am 24.08.12:
im duden steht: insemination = (künstliche) befruchtung. darf also benannt werden. von inseminare, einpflanzen. denk mal an die parthenogese und das wirken des hl. geistes. eine gute möglichkeit!
Nomenklatur (63) ergänzte dazu am 24.08.12:
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 loslosch meinte dazu am 24.08.12:
den hl. geist hättste auch googeln können. naja: treffer.

 ViktorVanHynthersin (24.08.12)
Es sah ein Knab eine Erörterung stehn... Die Stilblüten, die das Bevorzugen von Knaben hervorbrachte, sind unzählig. Z.B. rosa Kleidchen für Jungen, damit, wenn es zum Außersten kommt, die blaugekleideten Mädchen vom Teufel geholt werden...
Herzliche Grüße
Viktor

 loslosch meinte dazu am 24.08.12:
skurril! wohin glaubensängste und -visionen menschen treiben. nicht nur in den 7. himmel, sondern auch in die 7. hölle.

hast du noch mehr von solchen gespenstergeschichten, vikor? danke. lo

 ViktorVanHynthersin meinte dazu am 24.08.12:
Auf der aktuellen Internetseite:
http://lajna.de/component/option,com_quickfaq/Itemid,11/cid,1/id,2/view,items/
fand ich folgenden Eintrag:

Werden im Islam die Jungen den Mädchen vorgezogen?

Mädchen galten bei den vorislamischen Arabern als äußerst unerwünscht, sogar als Belastung und Schande. Der Heilige Koran nimmt Bezug darauf, indem er eine unter den Heiden übliche Praxis verurteilt, die darin bestand, weibliche Babys lebendig zu vergraben:

„Und wenn einem von ihnen die Nachricht von (der Geburt) einer Tochter gebracht wird, so verfinstert sich sein Gesicht, indes er den inneren Schmerz unterdrückt. Er verbirgt sich vor den Leuten ob der schlimmen Nachricht, die er erhalten hat: Soll er sie trotz der Schande behalten oder im Staub verscharren? Wahrlich, übel ist, wie sie urteilen!“ (16:59,60)

„Und wenn nach dem lebendig begrabenen Mädchen gefragt wird: "Für welches Verbrechen ward es getötet?"“ (81:9,10)

Der Heilige Prophet Muhammadsaw hingegen machte sich für die Rechte der Frauen und Mädchen stets stark. Einem Hadith zufolge sagte er:
„Wer zwei Töchter hat und ihnen eine gute Erziehung angedeihen lässt, der wird mir im Paradies so nahe sein, wie diese beiden Finger einander nahe sind“ (Hadith: Muslim)

Allah sagt im Heiligen Koran, dass es Ihm obliegt Mädchen oder Jungen zu bescheren, und dass darin keine Diskriminierung liegt:

„Allahs ist das Königreich der Himmel und der Erde. Er schafft, was Ihm beliebt. Er beschert Mädchen, wem Er will, und Er beschert Knaben, wem Er will; Oder Er gibt beides, Knaben und Mädchen;... Er ist allwissend (und) bestimmt das Maß.“ (42:50,51)

 loslosch meinte dazu am 24.08.12:
der prophet war für sein zeitliches umfeld wohl ein fortschritt. das hat die epigonen nicht daran gehindert, das (angeblich) hinterlassene zurechtzubiegen. parallele zum christentum ... der koran bietet allerlei lesarten, dito die bibel.

ich aber bin und bleibe ein "bekennender" agnostiker.

 EkkehartMittelberg (24.08.12)
Lothar, du weißt, dass ich deine Latinos immer schätze, und zwar aus Prinzip: Selbstverständlich sind sie nicht alle gleich gut gelungen. Aber jedem einzelnen liegt viel Arbeit zugrunde: Das Feilen an der Übersetzung selbst und dann die Suche nach Bezügen in der Moderne, die die Aktualisierung al s sinnvoll erscheinen lassen.
Diesmal, meine ich, ist dir etwas Besonderes gelungen: eine überzeugende Erklärung für die Bevorzugung des puer und gleichwohl eine Reverenz an die Frau. Wer das nicht erfühlt, wird es nicht erjagen.

 loslosch meinte dazu am 24.08.12:
lo aus der studierstube*:

"Allein der Vortrag macht des Redners Glück" (wagner). es ist meines, ekki. sei herzlich bedankt. t.t. lo

*Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen, ... (faust)
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