Wertloses Glück

Wahlrede zum Thema Sinn/ Sinnlosigkeit

von  Terminator

Universitätsphilosophie ist langweilig, aber man lernt, wenn man sie ernsthaft betreibt, wenigstens so gründlich wie nirgends sonst, wie nichtig alles ist, was wir vom Schein zum Sein erheben. Dazu muss man aber dicke und schwere Bücher lesen, daraus besteht 90% des Studiums, und der Rest ist das Gequatsche in Seminaren und das Anhören von Vorlesungen. In Vorlesungen werden so gut wie immer Beispiele gebracht, um das Gesagte zu verdeutlichen. So forderte ein Dozent, der den Hedonismus widerlegen wollte, alle, die ihrem realen armseligen (das Wort hat er leider nicht gesagt) Leben, das sie derzeit führen, ein - an entsprechende technische Geräte angeschlossen - glückliches, aber simuliertes Leben vorziehen würden, sollten bitte die Hand heben.

Da er vollends überzeugt war, dass keine Hand hochgehen würde, redete er sofort weiter, während in der hinteren Reihe einer die Hand hob: das war ich. Nun musste er nachfragen, warum, und alle hörten zu. Ich war aber erst im 3. Semester, und war über den vorphilosophischen Skeptizismus noch nicht hinaus, also sagte ich nur: woher weiß ich denn, dass dieses meist leidvolle und offensichtlich ziemlich sinnlose Leben nicht ebenfalls eine Simulation ist, vielleicht ein Scherz eines sadistischen Gottes?

Es wäre schön, wenn es eines Tages tatsächlich möglich wäre, solche Realitätssimulatoren zu erfinden. Dann würde der Dozent mich auffordern, mich in so ein Ding reinzulegen, und in den nächsten zehn Minuten zehn glückliche Jahre realitätssimuliert zu erleben. Dann würde er mich aufwecken und fragen: bist du jetzt glücklich? Nein, würde ich sagen. Was fehlt denn, würde er vielleicht fragen. Dass ich mich dabei der Glückseligkeit nicht würdig gefühlt habe, würde ich mit Kantkenntnissen angeben. Weitere zehn Minuten für weitere zehn Jahre der simuliert-verdienten Glückseligkeit würden mich auch nicht zufriedener machen. Aber es ist immer noch ein Glück darüber hinaus vorstellbar, würde ich sagen. Weitere zehn gefühlte Jahre würde ich sodann genießen und schweigen.

Und nun, zufrieden? Nein, würde ich sagen, denn seit es diese Realitätssimulatoren gibt, kann jeder Depp dasselbe erleben, wie ich, ja selbst meine schönsten Träume könnten sich für jeden Arsch einfach mal so am Dienstagnachmittag erfüllen. Siehst du, hätte er gesagt, der Hedonismus hat Unrecht. Aber nein, hätte ich widersprochen, ein Hedonismus, der die größte Quelle der Lust, die Eitelkeit, außer Acht lässt, kann gar nicht befriedigend sein, - sobald ich aber weiß, dass meine schönsten Träume für mich persönlich reserviert sind, und zu Mädchen, Landschaften und Vergnügen, die nur für mich bestimmt sind, kein anderer jemals Zugang haben wird, ob real oder simuliert, sobald mein Leben aus einer endlosen Reihe von Versicherungen besteht, dass ich die wertvollste Person im Universum bin, und alle Lust ihre tiefe Ewigkeit bekommt, ist es mit herrlich egal, wie mein Leben technisch zustande kommt, und was die logischen und ontologischen Bedingungen für meine Existenz sind. Mit Beispielen sollte man also sehr vorsichtig sein, denn sie verführen oft zu Denkweisen, die niederzumachen sie eigentlich erdacht wurden.


Anmerkung von Terminator:

"Erst durch ihre Exklusivität bekommen hedonische Werte eine Bedeutung".Junius Jungkind

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Kommentare zu diesem Text


 Willibald (17.08.21)
"Erst durch ihre Exklusivität bekommen hedonische Werte eine Bedeutung".
Junius Jungkind

Und durch das mehr oder weniger niederschmetternde Gefühl samt kognitiver Referenz, dass man so gerne doch mit dem so Beglückten tauschen möchte, wenn es denn nur ginge.

Aber in einer simulierten Welt müsste das doch möglich sein? Aber sind solche Fragen denn nicht sinnlos? Woher weiss ich, dass ich sie stelle? Woher weiss ich, dass ich sie verstehe? Woher weiss ich, dass sie ein anderer verstehen würde, gäbe einen anderen? Woher weiss ich, dass ich den Satz eines anderen akustisch, geschweige denn propositional richtig verstehe? Warum sollte ich überhaupt in diesem Echoraum Forum schreiben?

Nun ja, der Sieg über den vergangenheitserfahrunggesättigten Dozenten des pigy-Hedonismus bereitet mir einen Genuss, der sich auch und gerade in CORNEA-Settings bewährt.
Ausserdem könnte man sich ja auch Blondie und High Tide reinziehen.

Illusion oder nicht, bestätigter Narzissmus ist Glück. Regressus ad infinitum. Da sei Gott vor. Der Erhabene. Und Terminator Superbus sive Divinus in mir. Jungianisch gesprochen. Schwurbel?

 Terminator meinte dazu am 17.08.21:
Allein der zitierte Satz sagt aber nicht, dass das Glück im befriedigten Hedonismus besteht. Im Gegenteil, wenn es Lusterlebnisse wie eine Netflix-Karte für den Matrix-Lustsimulator billig an der Tankstelle zu kaufen gibt, dann ist leicht einzusehen, wie wenig Glück mit Lust zu tun hat. Jungkind spielt auf mit moralischem Wert verbundene, "verdiente" Lust an, ich Idiot von 2007 natürlich auf den Narzissmus.

Für Kant ist Glückseligkeit die Befriedigung aller "Neigungen", das kann man auch als narzisstisch aufgewerteten Hedonismus sehen, besonders wenn er sagt, dass einem im Zustand der Glückseligkeit alles nach Wunsch und willen geht. Aber Würdigkeit ist halt dafür die Voraussetzung. Würdigkeit allein ist zu wenig (darum ist der Stoizismus ein Getue), aber Glückseligkeit zu erfahren, ohne ihrer würdig zu sein, ist nichts. So als wäre jedes Festmahl im Praradies geschmacklos, weil der Geschmackssinn erst freigeschaltet wird, wenn man zurecht von sich selbst sagen kann: "Ich habe es verdient".
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