Stadtrand-Idylle

Gedicht zum Thema Glück

von  Tula

Was glotzen Sie? Hier gibt‘s nicht viel zu sehen:
ein Haus mit Kiesweg und ein Rasenstück.
Ich bin wie jeden Nachmittag beim Mähen,
von links nach rechts, nach vorne und zurück.

Das Mähen ist kein schlichtes Mäher-Schieben.
Man plant es wie derzeit den Bau von Rom
als Netz von Flächen, feiner als bei Sieben,
akribisch und mit Rasenmäh-Diplom.

Um abends schneller einzuschlafen, zähle
ich kleine grüne Halme, alle gleich.
Wenn sich im Alptraum einer sträubt, dann quäle
ich ihn mit Glyphosat, als Herr im Reich.

Der Rasen ist ein Spiegelbild des Lebens,
von Ziel und Umkehr bis zur letzten Frist.
So mancher sucht den Sinn darin vergebens.
Allein der Mäher weiß: wer mäht, der ist.

Das Mähen gibt uns Halt. Selbst in der Ehe.
Was hätte schon ein Mensch von seinem Glück,
wenn er‘s nicht täglich Stunden vor sich sähe?:
das Haus, den Kiesweg und ein Rasenstück.



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Kommentare zu diesem Text


 DyrkSchreiber (10.07.22, 06:40)
Fabelhaft!

Grashalme zählen, statt Schäfchen ...

Ich mähe, also bin ich ...

Köstlich!


Alles Gute
Dyrk

 Tula meinte dazu am 10.07.22 um 21:53:
Hallo Dyrk
Freut mich, dass dich der Text amüsiert hat.
Dankend lieben Gruß
Tula

 Graeculus antwortete darauf am 10.07.22 um 23:41:
"wer mäht, der ist", das ist wunderbar.
Das Glück kann so einfach sein: Haus, Kiesweg, Rasenstück. Und der Diabolus: das Unkraut.

"wie derzeit den Bau von Rom" stört mich, denn Du meinst ja "seinerzeit" (was metrisch nicht paßt).
Daß es im heutigen Rom irgendeinen großen Bauplan gibt, bestreiten Kenner vehement.

 Tula schrieb daraufhin am 10.07.22 um 23:47:
Hallo Graeculus
Good point! die Kenner der Geschichte können hier zurecht zweifeln. Ich dachte auch an Nero und das Feuer, dass er angeblich selbst gelegt haben soll, und den Wiederaufbau im großen Stil.

Wie dem auch sei, die Lehrbeauftragten des Rasenmäher-Diploms brauchten einen passenden Reim  ;)

LG
Tula

Antwort geändert am 10.07.2022 um 23:48 Uhr
Taina (39)
(10.07.22, 07:38)
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 Tula äußerte darauf am 10.07.22 um 21:59:
Hallo Taina
In der Tat steht der Kiesweg im Gedicht ersatzweise für alles nicht-Grüne. Blumen ... sicherlich habe ich die auch gesehen, als ich neulich im Urlaub daheim durchs Viertel schlenderte; früher fast nur Gärten, heute Grundstück an Grundstück mit einem auffälligen Mangel an Blumenbeeten. Ich verstehe es ja auch: im Vergleich zu den Beeten macht der Rasen weitaus weniger Arbeit. Man könnte beim Anblick der Grundstücke fast erraten, wer da noch jünger und berufstätig ist und wer nicht.

LG
Tula 

Antwort geändert am 10.07.2022 um 21:59 Uhr

 Pfeiffer (10.07.22, 07:52)
Schön fein gemein,
So soll es sein...

Ein deutsches Thema! Nur noch die Briten übertreffen uns auf diesem Sektor. 

Ein herzlicher Gruß
Fritz

 Tula ergänzte dazu am 10.07.22 um 22:04:
Hallo Fritz
Das will ich dir gern glauben (die Briten). Und kommen mal Japaner an einem unserer Schottergärten vorbei, können sie sich wahrscheinlich vor Lachen kaum halten ...

LG
Tula
Teolein (70)
(10.07.22, 08:47)
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 Tula meinte dazu am 10.07.22 um 22:05:
Hallo Teo
Wenn ich dich mal besuche, bringe ich einen Ball mit. Dann testen wir deinen Rasen mal richtig aus  :)

LG
Tula
Teolein (70) meinte dazu am 10.07.22 um 22:12:
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 Tula meinte dazu am 10.07.22 um 22:19:
:D
Übrigens, ich stelle mich gern ins Tor, wie neulich ... 
LG
Tula
Agnete (66)
(10.07.22, 10:40)
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Teolein (70) meinte dazu am 10.07.22 um 19:40:
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 Tula meinte dazu am 10.07.22 um 22:12:
Hallo Agnete und Teo
Wie jeder mit sich selbst glücklich werden möchte, darf und will ich natürlich nicht kritisieren. Meine Verwandschaft daheim ist nun in den 80ern und ich kann nur positiv feststellen, dass diese Arbeit die Leute auch in Bewegung und fit hält.
Aber andererseits, wie weiter oben schon kommentiert, ist der Mangel an Blüten auf den Grundstücken zum Teil auffällig. Als ich die glücklichen Mäher bewundern durfte, nicht wenige viel jünger als ich, überlegte ich, ob ich irgendwas im Leben verpasst hätte ... Keine schwere Frage, ich würde Rasen und Beete bereits nach wenigen Tagen verfluchen  :D

Dankend lieben Gruß
Tula

Antwort geändert am 10.07.2022 um 22:13 Uhr
wa Bash (47)
(10.07.22, 17:57)
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 Tula meinte dazu am 10.07.22 um 22:16:
Hallo wa Bash
Ein "echter" Kunstrasen macht es aber auch  :D

LG
Tula
Taina (39) meinte dazu am 10.07.22 um 22:34:
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wa Bash (47) meinte dazu am 11.07.22 um 10:11:
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 Tula meinte dazu am 11.07.22 um 11:27:
Ob lokale Änderung des Grundwasserspiegels (wegen Landwirtschaft? das allgemeine Verschwinden der Gärten im unmittelbaren Umfeld) oder weitergreifende Versteppung der Mark Brandenburg, dieses Jahr im  Urlaub daheim fiel mir eine weitere Veränderung auf: die Elstern tummelten sich im Revier (Garten am Haus meiner Mutter). Mücken und andere Insekten sind ja bereits seit längerer Zeit stark im Rückgang, man kann abends draußen sitzen, ohne zerstochen zu werden  :ermm: Aber die Elstern waren sehr auffällig. Ich las dann im Netz, dass auch das ein Deutschland-weites Phänomen ist, seit einigen Jahren schon.
Wie dem auch sei, dem Mäher des sterilen Groß-Rasens will ich das nicht unbedingt in die Latschen schieben.

LG
Tula
Taina (39) meinte dazu am 11.07.22 um 12:11:
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 Tula meinte dazu am 11.07.22 um 14:42:
Hallo Taina
Ich las, dass sie aus ihrem natürlichen Lebensraum, die Haine und angrenzende Felder, zwangsläufig verdrängt werden, weil ihnen dort das Futter ausgeht. Ob Mono-Kulturen, Pestizide oder der Effekt genetisch modifizierter Pflanzen ... am Ende ist das "Ungeziefer", welches die Ernte bedroht, auch Nahrung für andere Tiere. Auch für die Elster. Unsere Gärten sind jetzt Ausweichvariante.

LG
Tula
Taina (39) meinte dazu am 11.07.22 um 16:17:
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 Tula meinte dazu am 11.07.22 um 16:40:
Wahrscheinlich auch das, obwohl die nicht nur vom Nestraub leben, sondern alles mögliche fressen. 
So oder so, der Trend der Vermehrung der Elstern in den Gärten geht gewiss auf Veränderungen ihrer üblichen Habitate zurück. Oder es liegt doch daran, dass es weniger Gärten gibt und sie sich vorher nur über größere Flächen verteilten??

Mal die Eulen fragen, die wissen ja alles  :D

 Didi.Costaire (10.07.22, 19:32)
Du beschreibst hier ein großartiges Lebenswerk, tula! Ich hoffe nur, es fehlt nicht an einem gut sichtbaren Schild, welches das Betreten des Rasens verbietet.

Schöne Grüße,
Dirk

 Tula meinte dazu am 10.07.22 um 22:17:
Hallo Dirk
Vor allem für die eigenen Kinder!

Nun ja, ein jeder ist seines Glückes Mäher  8-)

LG
Dirk

 AchterZwerg meinte dazu am 11.07.22 um 18:29:
Es mäht der Mann, so lang er kann
und später dann sein Sohnemann.

Ja, ja, nehm ich zurück ... :D

 Tula meinte dazu am 11.07.22 um 21:49:
doch gestern war der Mäher blau,
drum mähte (mürrisch!) seine Frau  :D

LG
Tula

 AchterZwerg (11.07.22, 18:37)
Köstlich ist dies Werk von Dirk,
das Seiende im Grasgewirk!

Reschpeckt!

 Tula meinte dazu am 11.07.22 um 21:50:
Vielen Dank mein lieber Zwerg,
ich schenk die auch Graswurzel-Werk  8-)

Dankend lieben Gruß
Tula

 harzgebirgler (20.07.22, 06:50)
selbst rasen kann ratsamer sein
als flächen versiegeln mit stein. :D 

lg
harzgebirgler

 Möllerkies (04.11.22, 23:26)
Der Rasen als Spiegelbild des Lebens  schön herausgearbeitet. Da komme ich dann auch ins Grübeln:

Ob ich den Sinn des Rasens je verstehe,
die Gier nach Kies, in Ulm und Bremerhaven?
Das Mähen gibt uns Halt. Selbst in der Ehe.
Naja, auf jeden Fall in der von Schafen.

;-) Martin

 Tula meinte dazu am 05.11.22 um 12:18:
Hallo Martin
Freut mich sehr, wenn es einen alten Meister des Humors erheitert.

Ganz nebenbei bemerke ich 'den Sinn des Rasens' in seiner zweiten Bedeutung. Vom Auto mal ganz abgesehen, ist 'das Rasen' in unserer Gesellschaft wohl die Kehrseite der Münze und hier dargestellten Idylle. Zugegeben, irgendwie muss man sich entspannen. Obwohl ich nicht verstehe warum es dazu nochmals Arbeit braucht ...

LG
Tula
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