Ode auf einen politischen Poeten

Ode zum Thema Betrachtung

von  EkkehartMittelberg

Politische Poeten sind in Deutschland selten,

doch du bist einer, der eine vitale Feder führt,

die bildgewaltig, rustikal und zugleich zart

Einblicke unter Röcke und in Herzen gewährt

mit einer Sprache, die Glas zersingt und trommelt,

die heiß geliebte Heimat malt,

Ostseewellen glänzen lässt,

politische Debatten salzt,

aber auch alte Wunden heilt.


Mit deiner Lyrik hast du polarisiert

und auch israelischen Freunden mutig gesagt,

was aus deiner Sicht gesagt werden musste:

Falsch und ungerecht, wie die Mehrheit meinte.

Aber wenn du verdeckt und metaphernreich aus dem Ei gesprochen hast

zollte dir selbst Reich-Ranicki Lob.


Dein Gesamtwerk findet weltweit Anerkennung

für die „munter schwarzen Farben“, mit denen du dem Vergessen

der Schuld des Nationalsozialismus entgegenwirkst

und couragiert die oft gemiedene Zwiebel schälst,

stilistisch einfallsreich mit einer Bildpalette vom Schlichten bis zum Surrealen.


Deine „Blechtrommel“, ein Entwicklungsroman „in den besten Traditionen deutscher Erzählkunst“ wird gelobt als Charakterisierung des Nationalsozialismus  mit seiner „Aura des Miefs“,

mit „Katz und Maus“ brachtest du Sittenwächter und Ritterkreuzträger auf die Palme,

die komplex erzählten „Hundejahre“geben tiefe Einblicke in die Rassenpolitik des Dritten Reichs,

mit dem „Butt“ locktest du als „Pascha des Monats“ „Emma“ aus der Reserve,

„Das Treffen in Telgte“ befreit Literatur mit eigenem Rang von ihrer Dienstbarkeit,

„Die Rättin“ ist eine Vision vom Untergang der Menschheit und einer von Ratten gegründeten neuen Welt, basierend auf Solidarität,

heiß umstritten zeigt „Ein weites Feld“ deutsche Geschichte von der Revolution 1848 bis zu Gegenwart ,                                                                                                             “Im Krebsgang“ wirbelt mit dem Untergang der mit Flüchtlingen besetzen „Wilhelm Gustloff“ Gefühle auf,

„Beim Häuten der Zwiebel“ zerreibt mit deinem Bekenntnis, als 17jähriger zur Waffen-SS gezogen worden zu sein, eine besonders bittere Schale.


Von deiner Lyrik („Windhühner“. „Gleisdreieck“ „Ausgefragt“, „Ach Butt, dein Märchen geht böse aus“) glaubtest du selbst, sie läge dir am meisten. Sie lässt als politische Einmischung an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig und trägt mit forcierter Parteilichkeit dazu bei, dass du als politischer Autor „Europas Schande“ an den Pranger stelltest.




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Kommentare zu diesem Text


 Dieter Wal (20.07.22, 10:47)
Dein ungeteilter Zuspruch funktioniert nur, wenn Du " Was gesagt werden muss" unerwähnt lässt. Schade,  posthume Lobhudelei benötigt der Autor nicht. Auch der Skandal um seine Autobiographie " Beim Häuten der Zwiebel" sollte mindestens indirekt erwähnt werden.

Einen Oden-Ton konnte ich im Gedicht glücklicherweise nicht finden.

Am besten gefällt:


Dein Gesamtwerk findet weltweit Anerkennung
für die „munter schwarzen Farben“, mit denen du dem Vergessen der Schuld des Nationalsozialismus entgegenwirkst und couragiert die oft gemiedene Zwiebel schälst, stilistisch einfallsreich mit einer Bildpalette vom Schlichten bis um Surrealen.

Kommentar geändert am 20.07.2022 um 10:48 Uhr

Kommentar geändert am 20.07.2022 um 10:52 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 20.07.22 um 11:33:
Hallo Dieter,
danke für deinen klugen Kommentar. Das von mir bewusst gewählte Genre der Ode verlangt keine kritischen Töne. Dennoch hast du recht: "Was gesagt werden muss" ruft heute höchstwahrscheinlich immer noch zahlreiche Kritiker auf den Plan. Ich überlege, ob ich es streiche.
Die Kritik an dem erzählerischen Werk ist nahezu verstummt, weil man aus größerem zeitlichen Abstand die Intentionen von Grass besser versteht. Eine Ausnahme stellen aus meiner Sicht die "Hundejahre" dar, die er mit dem Wechsel der Erzählperspektiven stilistisch so überfrachtet hat, dass sie stellenweise unverständlich wirken.

 harzgebirgler (20.07.22, 12:30)
gekonnte hommage auf einen
den hat das land leider mehr keinen! :) 

lg
henning

ps
hier von mir übrigens zu lesen
„was UNBEDINGT zu dem GEDICHT von GRASS noch gesagt werden muß (4/2012)“
https://keinverlag.de/397320.text

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 20.07.22 um 13:34:
Vielen Dank, Henning, dass du den Text von "Was noch gesagt werden muss" beigesteuert hast. Ich habe mich entschieden, die Anspielung darauf in meinem Text u belassen.
Du hast richtig erkannt, dass die meisten Kritiker des Gedichts hysterisch und mainstreambeflissen reagiert haben, aber nicht alle. Einige haben besonnen und ohne Effekthascherei die besonders gefährdete Situation Israels dargelegt. Aber das darf niemals heißen, dass die ausufernde Siedlungspolitik Israels und  unverhältnismäßige Aktionen gegen Palästinenser unkritisiert bleiben müssen.
Das räumen auch verständige Israelis ein.

 Regina (20.07.22, 21:08)
GG, o weh, in den siebzigern haute er auf die Blechtrommel. Ist er nicht schon passé?

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 21.07.22 um 00:22:
Merci, Regina, Klassiker haben das Zeug, immer wieder aufzustehen.

LG
Ekki
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