Kurze Idylle am See

Kurzprosa zum Thema Verlust

von  eiskimo

Ein Stausee im Naturpark Morvan. Es gibt darin viel Wald, viel Wasser, keine Industrie. Dafür ein paar Bäche zwischen den grünen Hügeln, die leise in den See gluckern. Schwalben huschen übers Wasser, sogar ein, zwei Libellen. An den Büschen, die das schüttere Ufer säumen, flattern ein paar Schmetterlinge entlang. Auf dem See zieht, kaum hörbar, ein Anglerboot seine Bahn, langsam und gemächlich. Hier sind nur Elektromotoren erlaubt.

Schon ist wieder Stille. Ganz leise melden sich dann in der Ferne ein paar Kirchenglocken. Als sei dies das Signal gewesen für die Frösche: Ihr Gequake setzt ein, schwillt kurz an, um dann diskret abzuebben. Ein Fisch springt – man hört es klatschen. Um die am Ufer verstreuten Bäume surren ein paar Wildbienen herum, sanft übertönt vom Wind, der ab und zu aufwogt und sich in den Blättern fängt. Dahinter flimmert der See, kaum wahrnehmbar das Gesäusel der Wellen, die blinkend ans Ufer schwappen.

Alles ist eingehüllt in einen lauen Mantel von Harmonie. So geht Frieden, denkt man fast euphorisch, getragen von diesem so natürlichen Einklang.

Dann kommen sie. Keiner hat sie gerufen. Keiner braucht sie. Die verschlungene Uferstraße ist ihre Arena. Donnergrollend stieben sie heran. Sie sind maskiert, sechs, sieben, acht in Glanzleder verpackte Reiter, tief geduckt auf ihren vibrierenden Maschinen. Der Lärm schwillt an, immer höher drehend und alles heillos durchdringend. Die Luft ist geballt vor Aggression …

Sekunden später ist es ist vorbei. Die Ohren atmen auf, wollen im Abklingen der Motoren nun rasch wieder die schönen Dinge wahrnehmen. Die schönen Dinge. Aber die sind plötzlich so klein geworden, so blass und verkrüppelt.



Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram