Die Großeltern meiner Freundin

Text

von  Mondscheinsonate

Sie saßen nicht auf dem Sofa und wussten alles besser, nein, sie waren im KZ, sie sahen, dass alles besser war. Aus ihren Mündern kam nie ein böses Wort, weder über die Nachbarn, noch über ihre Peiniger. Opa Walther sagte zu mir: "Schau dir von einer Sache immer alle Seiten an, hüte dich vor Einseitigkeit, das schürt nur den Hass."


Sie hätten auch gar keine Zeit gehabt, den ganzen Tag auf dem Sofa zu sitzen, denn sie hatten einen Herrenmodengroßhandel. Es gibt keine Rente als Unternehmer, außer man wollte es doch. 


"Interessanterweise", das sagte Opa Walther, die Nase rümpfend, sich ein Taschentuch nehmend, dies aus Stoff, "verlieren sich zumeist die im Hass, die in ihrem Leben nichts Nennenswertes erlebt haben und lassen dann den ganzen Frust an der Welt aus, nur interessiert das niemand." 

Oma Edith schüttelte den Kopf, antwortete energisch mit: "Walther! Und die Nazis!" - "Die Nazis, immer die Nazis, ich scheiß auf die Nazis, die sind seit 50 Jahren nicht mehr da!" Er schlug mit der Faust auf den Tisch, "Genug!" 

Stille. 

Am Mittwoch, derselben Woche wurde er von Halbstarken auf offener Straße beraubt und erschlagen. 

Edith sagte: "Das Konzentrationslager hat er überleben dürfen, um dann qualvoll wegen Gier, Langeweile und Lust am Treten von Kindern zu sterben." 

Sie hasste dennoch nicht, empfand gar nichts, saß ruhig im Gerichtssaal, das war sie Walther schuldig, sagte sie, der sagte immer: "Hasse nichts und niemanden, es frisst dich innerlich auf. Schließe Frieden mit deiner Vergangenheit. Lass dich von nichts und niemanden einnehmen, schon gar nicht von zerfressenden Gefühlen, sonst bist du um nichts besser als deine Peiniger."




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