NixJünger

Experimenteller Text zum Thema Religion

von  Gabyi

Im Religionsunterricht hörte ich immer wieder die langweiligen Geschichten von Gott, Jesus, irgendwelchen Jüngern, Pharisäern, Propheten, Lukas, Mathäus, Gabriel, dem Evangelium und natürlich aus der ganzen Bibel, neues und altes Testament. Dann kam der Tag, an dem ich zum Konfirmationsunterricht gehen musste. (Ein zutreffenderes Wort wäre allerdings Konformation). Der war für mich eine ähnlich langweilige Märchenstunde. Alles erfunden und gar nicht wahr, das fand ich zumindest. Ich bat meine Eltern, mich nicht konfirmieren lassen zu dürfen. Keine Chance, sie erlaubten es nicht. So musste ich zwangsläufig in den sauren Apfel beißen. Musste alles über mich ergehen lassen.
Da kam mir die rettende Idee. Es gab ja auch noch eine Prüfung bei der Einsegnung, so nannte meine Tante Ursel die Konfirmation. Da würde ich einfach durchfallen, indem ich keine der Fragen beantwortete. Das kannte ich so schon aus dem Schulunterricht. Hatte mir dabei allerdings auch schon nicht geholfen. Unser Pastor, ein sehr freundlicher, mittelalter Herr, fragte - und ich schwieg beharrlich. Ich bestand die Prüfung dennoch zu meinem Leidwesen. Ein weiterer Beweis für mich, dass alles ein riesiges Lügengebäude war.
Auf dem Konfirmationszeugnis stand zu lesen:
“Sei getreu bis in den Tod. So will ich dir die Krone des Lebens geben.”

Epilog
Unter den heutigen Bedingungen einer drohenden feindlichen Übernahme durch eine fremde Religion muss ich den Tatbestand doch noch einmal anders bewerten.
Als ich dann endlich wegen des Studiums in Berlin wohnte, war meine allererste Tat, aus der Kirche auszutreten. Ich erinnere mich noch genau, es war in einem Gebäude in der Lehrter Straße. Es funktionierte zu meinem Erstaunen komplett ohne Widerrede.



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Kommentare zu diesem Text


 FrankReich (07.11.23, 11:06)
Zur NS-Zeit waren eindeutig alle Religionen "artfremd". 🤔

Ciao, Frank

 Gabyi meinte dazu am 07.11.23 um 11:14:
kann die Silbe "art" auch rausnehmen. Der Sinn wäre der gleiche. Bin ich dann fremdenfeindlich?

Antwort geändert am 07.11.2023 um 11:16 Uhr

 FrankReich antwortete darauf am 07.11.23 um 11:44:
Na ja, in "feindlicher Übernahme" steckt ja schon so einiges drin, am unverfänglichsten käme da wahrscheinlich "andere". 🤔

Ciao, Frank

 Redux (07.11.23, 11:30)
Gerne gelesen, Gabyi. Sehr unterhaltsam.

 Gabyi schrieb daraufhin am 07.11.23 um 14:41:
Danke Herbert für deine Einschätzung. Auch für die Emphehlung :).

 EkkehartMittelberg (07.11.23, 13:13)
Auch mein Konfirmandenunterricht war stinklangweilig. Aber ich hatte einen Religionslehrer, der die Geschichten klug zu aktualisieren wusste.
Es ist mit ihnen wie mit der Literatur. Der Lesende macht die Geschichte.

LG
Ekki

 Gabyi äußerte darauf am 07.11.23 um 14:48:
Danke Ekki für die Empfehlung :). Aber ich glaube, besser vorgetragen hätte auch nicht geholfen (bei mir). Ich war immer schon überzeugungsresistent. Es war nicht leicht, mich zu beeindrucken.

LG, Gabyi

 AchterZwerg (07.11.23, 16:31)
"Das Kind ist schüchtern", hieß es, "es fremdelt halt!"
Damit kamen alle Beteiligten relativ gut durchs Leben ... ;)

 Gabyi ergänzte dazu am 07.11.23 um 17:33:
ja, und in meinem Zeugnis stand dann sowas wie: "Viel zu matt und verschlafen".
Danke, Achter, für die Empfehlung :)

 AlmÖhi (07.11.23, 21:59)
Da trennen sich die Wege unserer ansonsten ähnlich scheinenden Kindheiten. Dich zog es zur "männlich"-rationalen Naturwissenschaft, mich verbannte die väterliche Kastration in die Welt der Religion, die bis heute mein Zuhause ist. Allerdings ist Religion für mich eher ein Modus, und - unchristlicher Weise - keine Glaubensfrage. Mich haben schon als kleines Kind - noch vor dem von mir geschätzten Konfirmationsunterricht - die biblischen Geschichten fasziniert, und sie beschäftigen mich bis heute. Schon als Kind sind mir auch die sexuellen Aspekte dieser Geschichten nicht entgangen. Hier habe ich mich u.a. mit Beschneidung (  https://keinverlag.de/412381.text ) und Kreuzigung (  https://keinverlag.de/439507.text  ) auseinandergesetzt.

Kommentar geändert am 07.11.2023 um 21:59 Uhr

 Gabyi meinte dazu am 08.11.23 um 09:48:
Zum Thema Beschneidung habe ich auch etliche Texte verfasst. Ich halte die Praxis für eine nicht wieder gutzumachende Menschenrechts- und Körperverletzung.
Ich fand als Kind die biblischen Geschichten langweilig. Aber das hängt vielleicht auch mit meiner eigenen Vorgeschichte zusammen. (siehe "Systemsprenger" in KV). 

 Dieter_Rotmund (08.11.23, 08:04)
Okay, aber was ist an dem Text experimentell?

 Gabyi meinte dazu am 08.11.23 um 09:49:
Was würdest du vorschlagen?

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 08.11.23 um 10:09:
Nun, die seltsame Formatierung für die letzten drei Sätze kann es nicht sein. Inhaltlich ist es sehr konventionell, was nicht abwertend gemeint sein soll. Also sage ich: nichts an diesem Text ist experimentell.

 Gabyi meinte dazu am 08.11.23 um 10:51:
Die Vorgabe, irgendeiner Kategorie war der Anlass für die Einordnung. Nichts weiter. Hätte auch was anderes nehmen können. Könnte auch fehlen für mich. Schubladen sind nicht so mein Ding. Darüber hatte ich auch schon mal ein Gedicht verfasst. Suche mal danach. Hieß "Tod der Kategorie".

Antwort geändert am 08.11.2023 um 10:54 Uhr

 Gabyi meinte dazu am 25.11.23 um 11:09:
Danke, luga, für die Empfehlung :)
LG, Gabyi
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