Samagon

Gedicht

von  Quoth


Auf der Färbereiterrasse

haben sich die Spätaussiedler
zu Gespräch und Trunk versammelt.

Früher trockneten hier Tücher;
bunter, indischer Kattun,
heute wird hier ausgelassen


der Geburtstag der Babuschka
von den Söhnen, Töchtern, Enkeln
mit erhobnem Glas gefeiert.


O, sie trinken auf den vollen
Mond, der hier viel kleiner aussieht
als er schien in Kasachstan.


„Schöner Pausback, leuchtest herrlich
jetzt herab auf unser Dörfchen,
das sich immer sehnt nach uns.


Gelb die Wände, blau die Fenster
und Geranien in Menge -
dort, wo man uns als Faschisten


und als Schweine hat verachtet,
warn wir glücklich im Erleiden,
hier jedoch: Schlaraffenland,


das wir jetzt so brav bewohnen,
hilft uns nur der Selbstgebrannte,
zu ertragen, dass wir Russkis,


Russkis immer bleiben werden!
Dich, Babuschka, aber werden
wir, wenn du, was uns erspart


viele Jahre bleibe, stirbst,
in kasach‘scher Erd‘ begraben,
die uns ewig heilig ist!“


Heimwehkrank erheben sie
Gläser voll mit Samagon
zu dem Mond, in dessen Staub


seit Jahrzehnten steckt das Banner
jenes Lands, das einst die Schwarzen
aus der Sklaverei entließ,


um in eine neue sie
fürchterlich hineinzustoßen.



Anmerkung von Quoth:

AlmaMarieSchneider gewidmet.

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Kommentare zu diesem Text


 Mondscheinsonate (10.11.23, 02:09)
Wie herrlich sprachgewaltig!

 Quoth meinte dazu am 10.11.23 um 09:16:
Danke Dir für Deinen Besuch und das unverdiente Lob. Quoth

 Hobbes antwortete darauf am 10.11.23 um 09:19:
Hallo Quoth,

sehr sperriges Thema sehr gut verarbeitet!

Bestr Grüße 

Peter

 Quoth schrieb daraufhin am 10.11.23 um 10:30:
Auch Dir danke ich für Deinen Besuch und das Lob eines Lyrikers. Quoth

 Hobbes äußerte darauf am 10.11.23 um 10:46:
Hallo Quoth,

ja, bei solchen Themen zeigt sich die Meisterschaft!! Bei so ganz heiklen, politisch kaum zugänglichen. Es macht mich stolz mit so mächtigen Künstlern in einem Forum zu sein.

Danke.

Beste Grüße 

Peter

 Quoth ergänzte dazu am 10.11.23 um 16:22:
Ich habe Spaß an Deinen Komplimenten, muss sie mir aber doch verbitten oder wenigstens sagen: "Nun mach mal halblang, Hobbes!"

 AchterZwerg (15.11.23, 18:37)
Ach ja, mon Cher, so isses.
Ich habe seinerzeit meine Diplomarbeit über "Sport mit Aussiedlern" geschrieben und bin im Zuge meiner Recherchen auf folgenden Umstand gestoßen:
Den deutschen Schäferhund gestand und gesteht man 8 m² zu.
Den deutschen Aussiedlern durchaus nicht ...
Ich weiß nicht genau, was so für einen Asylbewerber veranschlagt wird ... 8 m² wohl nicht ...
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