Im Auge des Betrachters

Beim Hinausgehen bleibt der Schornsteinfeger vor einem Bild stehen – Über der Stadt – Blick vom Dach eines Altberliner Gründerzeithauses, ineinander verschoben Verkantetes, der Lichteinfall auf die Fassaden in der schmalen Seitenstraße am Wasserturm, erdige Farbtöne, energisch quirliger Pinselstrich – eines meiner Lieblingsbilder, das in jeder meiner Wohnungen seinen Platz fand. Während ich meinen Gedanken nachhänge, betrachtet er reglos das Stadtbild. Vollkommene Stille im Raum, als wäre er verschwunden. „Selbst gemalt?“, fragt er schließlich und dreht sich zu mir. „Das Geschenk eines befreundeten Künstlers. Es ist schon vierzig Jahre alt.“ In dem Moment werde ich mir erstaunt meines Alters bewusst. Damals, vor vierzig Jahren! Der junge Mann lächelt, sagt mit feinsinnigem Blick auf mich: „Zeitlos schön!“ Was für eine sonderbare Situation! Unwillkürlich brechen wir in Gelächter aus wie über einen gelungenen Witz.