Draufgänger

Vor dem Haus steht ein Paar abgetretener herrenloser Schnürstiefel, U-Bootgröße. Das braune Leder ist fleckig, rissig, die Schuhspitzen wölben sich nach oben.

Als ich heute vorbeikomme, stehen die Schuhe, ein Stück vorgerückt, auf dem Gehsteig, deuten verwegen in Richtung See. Waren sie nachts unterwegs und wollen nun wieder los? Ich ahne, lange bleiben sie hier nicht mehr.

Weit geöffnet, wie eine Aufforderung, stehen sie noch immer da. Los, schlüpf rein, lass uns wandern, höre ich eine innere Stimme.

Noch immer lungert das Schuhpaar vorm Haus, sichtlich gealtert. Regen und Hagelschauer setzen dem Leder zu.

Etwas ist anders, spüre ich, als ich aus dem Haus trete. Nach ein paar Schritten drehe ich mich um, als hätte ich etwas vergessen. Es fällt mir nicht ein. Eine Querstraße weiter weiß ich es. Die Stiefel sind weg! Auf und davon…

*

„Ein Mantel schweigt, eine Jacke ist verstockt, aber ein Schuh redet“, lese ich bei Wilhelm Genazino „Der Traum des Beobachters“ in seiner Eintragung vom 8. August 2007.