Traumlos

Lied zum Thema Abgrenzung

von  Isaban

Ich habe gewartet, gewartet,
da stürzten die Stunden herab,
am Morgen erloschen die Sterne,
am Abend dann grub ich ein Grab.

Dabei sprach ich keine Gebete,
begrub nur die Nacht, die nie kam
und wusch mich und wusch mir die Hände,
den Kopf wusch ich mir und die Scham.

Ich möchte das Schlafen vergessen,
vergäße zu gerne die Zeit,
ich habe zu lang  still gesessen;
zum Horizont ist es noch weit.

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Kommentare zu diesem Text


 Erebus (28.02.08)
Hallo liebe Sabine,

Dein Gedicht, es ist von dunklem vielstimmigen Klang, es berührt. Und es gefällt mir.
Wenn ich irgendwelche Details aufzähle, ist es nicht so, als würde ich Dein Gedicht in Frage stellen, es sind nur kleine Dinge, an denen ich ein wenig in Gedanken verweile, weil sie mir auffallen.
Ich habe dazu sehr wohl erwogen, ob diese Ecken und Kanten ganz bewusst gesetzt sind. Allein, auch wenn es so ist, so erscheinen sie mir nicht rund.

Ich habe gewartet, gewartet,
da stürzten die Stunden stumpf ab,
am Morgen erloschen die Sterne,
am Abend dann grub ich ein Grab.
Das stumpfe Abstürzen in Vers 2 ergibt bei mir kein Bild, es ist und bleibt ein nebeneinander zweier Dinge, der Stunden und einer evozierten Stumpfheit, das will bei mir nicht zusammen. Vielleicht soll hier zu viel gesagt werden? Ich würde es mit einem "herab" bewenden lassen.

S1V3 und -vorweggenommen- S3V4 finde ich, passen mir nicht recht. Sowohl die Sterne als der Horizont sind zu sehr lyrischer Allzweckkleber. Diese zu ersetzen wäre nun Deine Aufgabe, denn Du kannst wie ich weiß, frische und unverbrauchte Eindrücke erzeugen.
S1V4 "dann" behagt mir nicht, Füllwort.
Gebete sprach ich dabei keine,
begrub nur die Nacht, die nie kam
und wusch mich, und wusch mir die Hände,
den Kopf wusch ich mir und die Scham.
S2V1 in der Versmitte "ich" mit Hebung. Angedeutete Egozentrik? Das finde ich unmelodiös und es stört mich gewaltig. Weniger störend, aber durch den Charakter einer Beurteilung eingeschränkt empfinde ich das "nur" in S2V2.
S2V4 fände ich "ich wusch mir den Kopf und die Scham." günstiger. Wobei ich diesen Vers als den herausragenden des Gedichtes empfinde, er ist sehr schlicht und doch sehr weit. Derartiges würde ich mir anstelle von Sternen und Horizont wünschen.
Ich möchte das Schlafen vergessen,
vergäße zu gerne die Zeit,
zu lange hab ich still gesessen;
zum Horizont ist es noch weit.
Schade, das Du in S3V3 nicht ohne Elision auskommst, wie ich ihn auch drehe und wende, er will nicht richtig sauber sein.

So. Alles kein Beinbruch, wie gesagt, ein kleines bisschen störend, mehr nicht.
Liebe Grüße
Uli

edit.
Ich weiß gar nicht, woher ich die Hebung auf "ich" genommen habe - das ist natürlich Stuß.
Ich glaube, ich sitze ein wenig neben mir. Ohne Daktylus funktioniert es ja

LG
Uli
(Kommentar korrigiert am 28.02.2008)
(Kommentar korrigiert am 28.02.2008)

 Isaban meinte dazu am 28.02.08:
Lieber Uli,
wie man an der mangelnden Masse meiner Kommentare in den letzten Tagen vermutlich ablesen kann, bin ich im Augenblick nicht ganz fit und werde mir daher ungewohnt viel Zeit lassen, mit meiner Überarbeitung des Liedes. Die ausführliche Antwort, die dein schöner, langer Kommentar auf jeden Fall verdient hat folgt, wenn ich jeden einzelnen Punkt noch einmal überdacht und gegebenenfalls überarbeitet habe. Ich danke dir schon einmal recht herzlich für deine intensive Auseinandersetzung mit meinem Text und die Gedankenanregungen. Ich werde mich noch einmal an meine Zeilen setzen.

Nur noch zu deinem Edit: Doch, doch, das "ich" steht bewusst an betonter Stelle, wie es deinem ersten Eindruck entsprach. Das LI betet nicht, will nicht mehr warten, das Leben nicht mehr auf diesen unerfüllten Wunsch konzentrieren, es legt im Kopf einen Schalter um, besinnt sich auf sich, begräbt das Hoffen.

LG, Sabine

 Isaban antwortete darauf am 29.02.08:
Sodela, ich stell das mal hier hin, weil ich mir noch nicht sicher bin, ob mir die neue Fassung wirklich besser gefällt, als die alte, ich schaue es mir morgen lieber noch mal mit etwas Abstand an, also bitte noch nicht als endgültige Fassung betrachen, ich mag den Horizont immer noch.


Traumlos


Ich habe gewartet, gewartet,
da stürzten die Stunden herab,
am Morgen erloschen die Sterne,
am Abend dann grub ich ein Grab.

Dabei sprach ich keine Gebete,
begrub nur die Nacht, die nie kam
und wusch mich und wusch mir die Hände,
den Kopf wusch ich mir und die Scham.

Ich möchte das Schlafen vergessen,
vergäße zu gerne die Zeit,
Ich habe im Traum still gesessen;
wie bin ich das Träumen jetzt leid.

 Isaban schrieb daraufhin am 01.03.08:
Lieber Uli,
wie du siehst habe ich mir diesmal wirklich Zeit genommen, mit meiner Antwort.
Einen Teil deiner Anregungen habe ich, wie man oben sehen kann, übernommen, einen Teil nicht. Das "dann" in V4 ist kein Füllwort, sondern bezeichnet die zeitliche Abfolge und bleibt so stehen.
Auch V8 bleibt so stehen, es darf meiner Meinung nach dort keine glatte, monotone Aufzählung stehen, wie es dein Vorschlag implizieren würde, ich finde, meine Fassung bringt das zögernde, besinnende, grüblerische Element, das nachdenken, ob man noch was vergessen hat viel besser rüber.
Mit den letzten beiden Versen habe ich lange gerungen und, verflixt, ich finde meine erste Fassung immer noch gut und stimmig, trotz Elision, zumal das "hab" so sehr in den Sprachgebrauch übergegangen ist, dass es hier eher die Sprache wiederspiegelt, die man für sich, im eigenen Kopf benutzt, als dass es eine Störung im Sprachfluss darstellen würde. Der Horizont bleibt, ebenso, wie die Sterne, nicht, weil ich dort nichts anderes hätte einsetzen können, sondern weil sie definitiv das sagen und zeigen, was ich zeigen wollte. Alles andere wäre ein blasser Kompromiss an die geforderte Innovation, die zwar eine tolle Sache ist, aber in meinem Lied eher gekünstelt klingen würde.

V2 habe ich geändert, V5 ebenso.
Hab noch einmal vielen Dank für deine konstruktiven Gedankenanregungen, die mir sehr halfen, meine Zeilen noch einmal gründlich zu hinterfragen.

Liebe Grüße und die besten Wünsche für ein schönes Wochenende,

Sabine
(Antwort korrigiert am 01.03.2008)

 Erebus äußerte darauf am 01.03.08:
Liebe Sabine,


Wie ich sehe, hast Du Dir sehr viel Mühe gemacht und Dich nun für eine Fassung entschieden, die am besten Deiner Intention entspricht.
Wenn ich Dir dennoch eine Anregung geben konnte, ist das schon mehr, als man als Kritiker erwarten darf.
Ich schrieb ja bereits, dass ich versuche, ausschließlich meine Eindrücke beim Lesen zu schildern. In diesem Moment bedenke ich nicht unbedingt alle Alternativen, wäge nicht alle ab. Es handelt sich also um Auffälligkeiten. Die, wie Du ganz richtig darlegst, ja genau so beabsichtigt sein können, oder die beste Lösung Deiner Verse sind.
Ich bedanke mich für die ausführlichen Rekomms.

Liebe Grüße
Uli

 derNeumann (28.02.08)
Guten Tag.

Die Unterschiede in diesem Forum sind ja gewaltig. Meist sind es Dornenbüsche, dann aber fruchttragende Sträucher oder gar duftend Blühendes. Hier werden meine Sinne zumindest in formaler Hinsicht verwöhnt, was ich als willkommende Erholung und Labung gerne durch ein zweites und drittes Lesen vertieft habe. Ein schöner Klang, den ich mir kaum vorgetragen vorstellen muss, da er alleine seinen Weg findet (bis auf Zeile 5, die etwas störrisch ist).

Störend empfinde ich höchstens eine inhaltliche Sache, die verhindert, dass ein Bogen zwischen Anfang und Ende geschlagen wird. Das Warten und Erwarten am Anfang, Stagnation also oder ein Stillstand, und am Ende die Klage, dass der Horizont noch weit ist. - Natürlich passt das irgendwie, aber auch nur im Bezug zur Schlaf- und Traumlosigkeit - und da ist mir das Bild "Horizont" nicht sehr geläufig.

es grüßt der Neumann
(Kommentar korrigiert am 29.02.2008)

 Isaban ergänzte dazu am 28.02.08:
Guten Tag Neumann,

ah, der erste Abschnitt geht runter wie ... nee, nicht wie Öl, Öl ist widerlich, eher wie das Stückchen Zucker zur Mary-Poppins-Medizin.
Hab vielen Dank für das Kompliment.

Na gut, wenn das betonte "ich" hier so stört (Mist, ich war so stolz auf das Stilmittel!), dann muss ich die Zeile wohl dringend noch einmal in Angriff nehmen. (Nie darf "ich" mal im Mittelpunkt stehen. :-D )

Hm, die dritte Strophe ist eine Strophe des Aufbruchs. LI will nicht mehr schlafen, seine Zeit nicht mit Träumen verbringen, die vgerlorene Zeit hinter sich lassen, will sich endlich von seinen vier Buchstaben erheben und sich auf den Weg machen.
Der Horizont war (und ist noch, ich kann mich gedanklich noch nicht davon verabschieden, brauche vielleicht noch ein bisschen Abstand zum Text) ein so schön doppelbödiges Bild, weil es offen lässt, ob LI nun zu neuen Ufern oder auf die andere Seite will, ob es beschlossen hat, seinen Weg zumachen, seinen Horizont zu erweitern (weil man dort ja nie ankommt), oder ob sein Beschluss ultimativer war, ob es wegen der begrabenen Hoffnung für immer gehen will. Tja, das Bild scheint nur leider nicht so anzukommen, wie es gedacht war. Ich muss wohl noch einmal dran tüfteln und gebe dir, genau wie Uli, noch einmal bescheid, wenn ich fertig bin.

Danke schön für deinen Kommentar, die intensive Beschäftigung mit meinem Lied und, ja klar, für das Zuckerstückl. Es hat mich gefreut.

LG, Sabine
(Antwort korrigiert am 28.02.2008)

 Isaban meinte dazu am 01.03.08:
So, lieber Neumann,
ich bin fertig mit den Umbauten. V2 und auch die von der von dir angesprochene 5. Vers wurden geändert, der Horizont bleibt, ohne wäre mir mein Bild etwas kahl und aussichtslos, beziehungsweise perspektivlos und zu sehr im LI verschlossen.
Ich danke dir noch einmal herzlich für deine Rückmeldung.
Ein schönes Wochenende für dich, alle Wanzen und Sittiche wünsche ich.

LG, Sabine

 AZU20 (28.02.08)
Liebe Sabine, ich bin bei diesem Text auch nicht ganz glücklich, aber du hast ja ausführliche Kommentare erhalten, die dich -wie du schreibst- zur Überarbeitung anregten. Darauf warte ich dann. LG Armin

 Isaban meinte dazu am 29.02.08:
Na, dann ist es für mich wohl am klügsten, mit einer Antwort zu warten, bis du weißt, was du mir sagen willst, lieber Armin.

Grüße am Morgen

Sabine
Mitternachtslöwe (27)
(29.02.08)
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 Isaban meinte dazu am 29.02.08:
Das geht doch nicht, lieber Löwe, dann könnte man es nicht mehr singen, wenn du die Daktylen entfernst.

Schau mal:

Ich habe im Traum still gesessen
x Xx x X xxXx

Still habe ich im Traum gesessen
x Xx X x X xXx



Aber du hast in sofern recht, als das der Vers ist, der zwar metrisch einwandfrei, aber inhaltlich immer noch nicht 100%ig rund ist.
(Und ich kann mir nicht helfen, der Horizont oben gefällt mir immer noch besser.)
Ich muss noch mal dran arbeiten.

LG, Sabine
(Antwort korrigiert am 29.02.2008)
Mitternachtslöwe (27) meinte dazu am 01.03.08:
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 Isaban meinte dazu am 01.03.08:
Die gab es auch schon vor deinem Komm, lieber Löwe. Ich habe mich aber entschlossen, die letzten beiden Verse nicht nach dieser Fassung zu ändern.
Die alte gefällt mirauch mit zwei Tagen Abstand sehr viel besser und fühlt sich für mich einfach richtiger an.


In deinem neuen Vorschlag möchtest du also, dass ich die Satzstellung verdrehe, damit auf keinen Fall das "ich" betont wird?

Sei lieb gegrüßt,
Sabine
Mitternachtslöwe (27) meinte dazu am 01.03.08:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Isaban meinte dazu am 01.03.08:
Nö, lieber Löwe.
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