Römische Wahrscheinlichkeit

Lehrstück zum Thema Ungewissheit

von  loslosch

Mors omni aetati est communis (Cicero, 106 v. Chr. bis 43 v. Chr.; De senectute). Der Tod ist jeglichem Lebensalter gemeinsam. Übliche Übersetzung: Der Tod bedroht in gleicher Weise jedes Lebensalter.

Dahinter steht die allgemeine Vorstellung: Mors certa, hora incerta (Inschrift der Leipziger Rathausuhr). Der Tod ist gewiss, die Stunde ungewiss. Sterbetafeln und Sterbewahrscheinlichkeiten waren den Römern fremd. Natürlich kannten sie auch keine Versicherungen gegen die Gefahren und Unbilden des täglichen Lebens.

Die Idee der mathematischen Wahrscheinlichkeit ist erstaunlicherweise kaum älter als 200 Jahre. Unter den Rechenkünstlern herrschte lange Zeit die Vorstellung, dass sich Wahrscheinlichkeiten nicht transformieren lassen. Erst mit der Veröffentlichung des zweibändigen Werks von Laplace anno 1812 (Théorie Analytique des Probabilités) wurde das theoretische Fundament gelegt.

Kein Wunder, dass die lateinische Umschreibung für Wahrscheinlichkeit etwas ungelenk klingt: veri similis bzw. vero similis. Dem Wahren ähnlich. Gleichwohl strukturell ins Deutsche übertragen: wahr-schein-lich; ebenso ins Französische: vraisemblable aus vrai-semble-able, so viel wie dem Wahren ähnlich. Die Briten sind nüchterner: Probable (aus lat.: probabilis, so viel wie erfahrungsgemäß eintretend, glaubhaft, wahrscheinlich).

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Kommentare zu diesem Text

Jack (33)
(23.09.10)
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 Bergmann meinte dazu am 23.09.10:
... und 0,000000000000000000000000001 %
kann wahr werden ...

das ist das Wunder der Faktizität wie der fiktionalen Literatur!

 loslosch antwortete darauf am 23.09.10:
Große Mathematiker wie Leibniz (1646 bis 1716) mit der Infinitesimalrechnung kannten den Begriff der Wahrscheinlichkeit. Er war ihnen wohl zu sphinxhaft, um darauf Operationen aufzubauen. Das spiegeln auch die beiden Kommentare. Lothar

 Didi.Costaire (23.09.10)
Hallo Lothar, das Cicero-Zitat in der zweiten, "üblichen" Übersetzung kann ich mir nur so erklären, dass er in seiner Tätigkeit als Politiker, der für die Getreideversorgung Roms zuständig war, leere Kornkammern voraussah. Wenn es so gekommen wäre, hätte es weniger Brot und mehr Gladiatorenkämpfe gegeben, und die Wirklichkeit hätte sich seinen Worten wahrscheinlich angenähert.
LG, Dirk

 loslosch schrieb daraufhin am 23.09.10:
... mehr Gladiatorenkämpfe gegeben, um das knappe Brot "wahrscheinlich". Hast Du zu viel Quo vadis geguckt? :) Lothar

 Didi.Costaire äußerte darauf am 24.09.10:
Man könnte eine hohe Wahrscheinlichkeit annehmen. Wahr ist es aber nicht.

 loslosch ergänzte dazu am 24.09.10:
Tja, es gibt noch andere antike Schmachtschinken. Die Summe macht zum schrägen Experten. Lo
Graeculus (69)
(27.09.14)
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 loslosch meinte dazu am 27.09.14:
für mich nicht-mathematiker war neu, dass der umgang mit wahrscheinlichkeiten erst im 18./19. jh. einsetzte. nachvollziehbar.
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