Fallgruben des Zitierens

Satire zum Thema Verzweiflung

von  loslosch

Optimum est non nasci (Erasmus von Rotterdam, ~1467 bis 1536; Adagia). Am besten ist es, gar nicht erst geboren zu sein.

Der Humanist und bedeutende christliche (katholische) Theologe schreibt so ein Zeugs? Eine solche Aussage fügt sich eher in das Krankheitsbild eines Depressiven. Oder war es Fatalismus mit der Idee, wer nicht geboren wird, kann keine Fehler machen, nicht scheitern, nicht verzweifeln? Es wäre nicht zuletzt dann das Bild eines unsicheren, schwankenden Religionsgelehrten.

Nichts von alledem. Adagia ist eine berühmte Sammlung antiker Sprüche, die sich zu Goethes Zeiten noch immer großer Beliebtheit erfreute. Darin das Zitat aus Sophokles´ Drama "König Ödipus". Ein ganz bestimmtes Menschenkind ist in der berühmten Tragikomödie vor Scham fast in den Boden versunken, diesen Spruch auf den Lippen. Schon im AT gibt es übrigens Hinweise auf jenen Verzweiflungsaufschrei.

Ein talentierter Schachspieler rief einmal, nach einer verlorenen Partie, in die Spielerrunde: "Schande über die Mutter, die mich geboren hat!" Ganz und gar nicht gentlemanlike.


Anmerkung von loslosch:

Erasmus soll einmal gewütet haben: Besteht nicht all ihr Tun und Lassen in Zeremonien? - Die christliche Religion stehe einer gewissen Torheit recht nahe.

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Kommentare zu diesem Text


 Bergmann (21.10.10)
Interessant. Aber warum Erasmus das nun sagt, wird nicht kar. Der Schluss mit dem Schachspieler könnte pointierter sein.
LG, Uli

 loslosch meinte dazu am 21.10.10:
Den Text hatte ich bereits einige Zeit hier gespeichert, Uli. Bin jetzt über meine eigene Anmerkung etwas verwundert. Als ich anfing, lat. Zitate zu kommentieren, wäre ich fast an diesem Erasmus-Zitat gescheitert. Dann entdeckte ich im Netz den Aufschrei des Erasmus, fast ein Aufschrei im Aufschrei. Der gelehrte Humanist lag ja immer etwas quer zur damals herrschenden Theologenmeinung, landete aber letztlich doch im Schoß der Mutter Kirche.

Zum Aufschrei des Schachspielers: Gehört eigentlich nicht hierher, ist aber eine stille Pointe: Der leidenschaftliche Spieler war auch sonst ein Spieler und suchte wenige Jahre später den Freitod. Darüber mal mündlich mehr. Lothar

 Bergmann antwortete darauf am 21.10.10:
Deine Anmerkungen wären im Haupttext nicht schlecht aufgehoben!
Danke, Lothar!
Uli
Jack (33)
(21.10.10)
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 loslosch schrieb daraufhin am 21.10.10:
O Gott! Weiß der eigentlich, dass er wiederkommen wollte? Karl Barth, Hans Küng, Katholen wie Evangelen, die modulieren die Wiederkehr und versuchen zu begründen, warum es noch a bisserl dauert. Depressiv war ein wenig ironisch auch. Der Glaubensfeste zweifelt nicht an Gottes Willen, dass ausgerechnet er selbst, diese Winzigkeit, zur Welt kam - ja, kommen musste. Lothar

 Rudolf (22.10.10)
Erasmus hat ganz recht, denke mal an tot getretene unschuldige Käfer oder CO2.

 loslosch äußerte darauf am 22.10.10:
Passt das nicht besser zu dem, der gemeint hat "das Motorrad ist des Teufels"? Lo
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