Einen Schritt weiter, als gestern.

Text zum Thema Schmerz

von  ZornDerFinsternis

Die Schatten erinnerten an Vergangenes,
das längst den alten Glanz eingebüßt hatte.
Sie trägt Strapse und Lederjacke. Die Haare lächeln
neben dem trostlosen Plattenbau im Osten der Stadt.
Ihr Herz schien zu lachen, als die Augen des Mädchens
mit Tränen auf den blutigen Schnitten am Unterarm
der Fremden hingenblieben.
Gleis 2. Fünf Uhr in der Früh. Nur Tauben und Dreck
drängeln sich vor der einfahrenden Bahn.
Eines dieser Lieder, die nur aus schmerzlicher Melodie
bestehen, läuft durch die billigen Kopfhörer.
Eines von 100.000. Ja, dieses Eine, das keine Worte
braucht, um Bilder in Seelen einzubrennen. Gefühle.
Eiskalt.
Auf dem alten Rucksack schimmeln Alkoholflecken vor sich hin.
Sie ist fremd. Für dich. Für euch.
Auf Stacheldraht geformte Worte landen Tag für Tag vor
ihrem Kopf. Die Augen sprechen eine eigene, wortlose Sprache.
Sie wartet. Er auch.
Den Rauch der Kippe zieht sich sehnsüchtig in sich hinein.
Nur vergessen. Bahnhofsklos. Ekelhafte Angelegenheit, besonders
für sie. Zu 90 Prozent eine abgeschottete Atmosphäre für ihren Zwischenjob.
Gut, den einzigen, den sie hat. Blowjobs, für eine lächerliche Schachtel
Zigaretten. 4,80€ , und die Kerle pressen ihre zugehaarten Schwänze in ihr
unschuldiges Gesicht.
Die Spiegel schweigen von den Wänden. Das blaue Muster der Kacheln
scheint hämisch zu lachen. Es ist still.
Und doch hallt es immer wieder, immer zu. Von allen Seiten.
NUTTE!
Das Messer im Anschlag. Die Kippe halb aufgeraucht im Mundwinkel hängen.
So schlaff, wie die schrumpligen Schwänze der meißten hier.
Blut. Gerissene Kondome, Spritzbesteck und Schmutz.
Ich lege mich dazu. Reihe mich ein. Bin ein nutzloses Kind der Unterschicht.
Zum Leben zu dumm. Rauchen und ficken, das kann ich.
Danke, Mama.
Die Whiskyflasche von gestern ist so leer, wie die Augen die sich hinter
den strohigem, langem Blond verstecken.
Es brennt. Die Zeit. Das Leben. Einfach alles... scheint hier anders zu laufen.
Entgegengesetzt. Oder einfach nur FALSCH.
Sie drückt den Kippenstummel am Handrücken aus, tritt vor die Türe.
Ein halbes Dutzend dieser Anzugspießer schlängelt sich an ihr vorbei
in die Aufbahrungshalle. Ja, im Prinzip ist dieser Ort nichts anderes.
Jeden Tag präsentiert man sie anders. Schikaniert und erniedrigt sie das Leben,
wie es gerade will. Die Zügel hält nur der in der Hand,
der ihr für Sex ne Schachtel Kippen gibt.
Die vorbeirauschenden Züge haben etwas sonderbares an sich.
Entschlossenheit, oder etwas derartiges.
Sie tritt vor. Die Kippe zwischen Zeige- und Mittelfinger.
Ich sehe ihre Augen nicht, und bin doch sicher, dass sie weint.
Bedauerlich.
Ich schlendere davon. Vielleicht ist sie morgen auch dort.
Oder einen Schritt weiter, als gestern.


Anmerkung von ZornDerFinsternis:

Surrender.

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (06.07.11)
Du schilderst die ganze Trostlosigkeit. Packend.LG
KoKa (42)
(06.07.11)
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 ZornDerFinsternis meinte dazu am 06.07.11:
-knuuuuuuddel- Ich danke dir und allen :)
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