Wie erkennt man nivellierte Romantik?

Essay zum Thema Literatur

von  toltec-head

Der nivellierte Romantiker sieht eine Ablichtung von Friedrichs "Wanderer über dem Nebelmeer" und denkt: "Das will ich auch." Nämlich: Solch ein Wanderer sein, ein solches Nebelmeer sehen, ein solches Bild (mit Farben oder Worten) malen.

Dass das Kunstwerk, und so auch Friedrichs "Nebelmeer",  im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit ein anderes ist, dass aus den heutigen Nebelmeeren Windräder herausragen, dass Wandern eine massenhafte Freizeitbeschäftigung Angestellter ist, daran denkt der Freund nivellierter Romantikvorstellungen nicht und schreibt ein Gedicht à la Hermann Hesse.

Der nivellierte Romantiker hat´s mit der Natur. Die Technik erscheint ihm problematisch, wenn nicht sogar dämonisch. Zur Schönheit von Rosen findet er einen unmittelbaren Zugang, nicht so zur Schönheit von Atomkraftwerken. Dass die Rose dämonisch und auf ihre Art ein Atomkraftwerk ist, dass Atomkraftwerke wie alles Menschengemachte "teleologische Wärme" in einem ansonsten kalten und leeren Universum verströmen, so zu denken liegt dem nivelliereten Romantiker fern.

Der nivellierte Romantiker hat´s mit der Entfremdung. Der Wanderer über dem Nebelmeer ist nicht entfremdet, aber in den bösen Städten, da hockt man in einer Plattenbauwohnung im 8. Stock, schaut Fern und ist entfremdet. Wenn ein sehr großer Dichter wie Heiner Müller seine "Fickzelle mit Fernwärme" in Berlin Marzahn besingt, so kann der nivellierte Romantiker dem nicht ganz folgen.

Grundsätzlich hat´s der nivellierte Romantiker ja auch mit der Liebe und nicht mit dem Sex. Pornos sind für ihn so etwas wie "entfremdete" Liebe. Dass die von ihm so hoch geschätzte Liebe ein "entfremdeter" Porno sein könnte, auf den Gedanken kommt er nicht.

Und, ach ja: Kriege sind natürlich schlecht und Frieden gut. Und technisierte Kriege sind natürlich ganz schlecht. Da gehen wir lieber auf unseren Gummisohlen Wandern. Natürlich am liebsten über einem Nebelmeer.

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Kommentare zu diesem Text

KoKa (44)
(17.02.13)
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 toltec-head meinte dazu am 17.02.13:
Ich dachte ein Handkreme :)
KoKa (44) antwortete darauf am 17.02.13:
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 Isaban (17.02.13)
Menesch, du zerstörst mein Selbstbild!

 toltec-head schrieb daraufhin am 17.02.13:
Wie schmeichelhaft. Ich glaub von deinen Gedichten zu schließen, dass es aber doch noch etwas raffinierter gebaut als dieser Essay :)

 Lala (17.02.13)
Danke. Guter Essay. Man kann es m. E. gar nicht oft genug schreiben, dass die Romantik uns - ja ich befürchte die Deutschen haben da einen echten Schlag wegbekommen - nicht gut bekommen ist.

 toltec-head äußerte darauf am 17.02.13:
Gegen echte Romantik möchte ich nichts gesagt haben.

Echte Romantik erkennt man daran, dass sie verstörend wirkt und abseitiges aufgreift. Novalis den Kannibalismus z.B.

 Lala ergänzte dazu am 17.02.13:
Gegen echte Romantik möchte ich nichts gesagt haben

Ich möchte nicht nur, ich sage auch nichts dagegen. Weder jetzt noch s.o.
parkfüralteprofs (57) meinte dazu am 17.02.13:
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 Dieter Wal meinte dazu am 17.02.13:
@t-h: Deinen Essay finde ich flach, aber gleichzeitig recht unterhaltsam. Zu tiefe Essays wie z. B. mein heutiger haben die Tendenz, sumpfig zu wirken. Also besser flach. ;)

"Die Romantik, die du beschreibst, ist eine Poesiealbenbildchen-Romantik."

Sehr netter Satz von pfap. Trifft punktgenau. Schlug grad einen Bildband über C. D. Friedrich auf. Neben mir ein Bild des Titels: Gebirgslandshaft mit Regenbogen. Diese großflächigen Bilder sind wie mit Weitwinkelobjektiv gemalt. Sie illustrieren, Stille, Weite, Höhe, manchmal auch Tiefe. Ewigkeit, Natur und Spritualität werden darin eins. Das ist tief religiöse oder auch spirituelle Kunst. Hättest du auch nur ein Bild im Original von Carl Gustav Carus gesehen, wüsstest du, w i e spirituell diese Leute waren. Buchtipp: Hans Georg Schenk: "Geist der Europäischen Romantik - Ein kulturgeschichtlicher Versuch.", Minerva 1970. Das beste Buch zum Thema Romantik, das ich kenne.
(Antwort korrigiert am 17.02.2013)

 toltec-head meinte dazu am 17.02.13:
Hallo ihr beiden.

Mir ist schleierhaft, wie man auf den Gedanken kommen kann, in meinem Text ginge es um Friedrichs Gemälde, das von mir natürlich sehr hoch geschätzt wird. Zuletzt gesehen habe ich es im Rahmen der großen Rothko-Ausstellung in Hamburg. Die Auseinandersetzung Rothkos mit Friedrich ist übrigens ein gutes Beispiel dafür, wie man sich mit modernem Blick der Romantik nähern kann.

Wie man es besser nicht tun sollte, findet sich hier:

 "Weise in sich ruhend" Friedrichs Wanderer verwurstend

Diese Art Pseudo-Romantik wirkt auf mich so spirituell wie die öffentlichen Auftritte einer Tante Käthe. Wenn die Muftis mich deswegen areligiös schelten, werde ich vor ihnen meine Religion wohl kaum ausbreiten sondern - schweigen.
(Antwort korrigiert am 17.02.2013)

 Dieter Wal meinte dazu am 17.02.13:
Ach du li ...! Aber schau, weshalb sollten nur wir das Recht haben, b ... Texte zu posten?

 toltec-head meinte dazu am 17.02.13:
Monsieur belieben zu später Uhrzeit in Rätseln zu sprechen.

Sag Klartext oder ich geh ins Bett!

 Dieter Wal meinte dazu am 17.02.13:
Träum schön. :)

 Dieter Wal meinte dazu am 17.02.13:
Kommuniziert man schriftsprachlich mit Menschen, die man nicht kennt, entstehen Missverständnisse. Verstand dank des Links auf das Gedicht von MDW, worüber die Satire konkret geschrieben wurde. Nun, es ist ein mittelprächtiges Gedicht mit teilw. unfreiwillig komischen Elementen. Das ist so. Nicht jeder schreibt immer in Hochform. Was du hier jedoch im Essay weiter dem Autor verallgemeindernd unterstellst, finde ich bösartig, weil völlig spekulativ. So argumentieren Neurotiker und Soziopathen. Empathie kann man lernen. Aber frag mich bitte nicht, wie. Ein Psychodok weiß es.

 Songline (17.02.13)
Ich ordne mich gerade auf einer Stufe bis 10 bei etwa 7 ein, was die Romantik betrifft.
Die 3 Punkte Abzug gibt's für zu viel Internetkonsum.
Liebe Grüße
Song
MelodieDesWindes (36)
(17.02.13)
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 toltec-head meinte dazu am 17.02.13:
Ja, liebe Melo. Nur leider treffen die Klischees manchmal genau ins Schwarze. Nivellierte Romantik als lebendes Klischee siehe  hier.
(Antwort korrigiert am 17.02.2013)

 Dieter Wal meinte dazu am 18.02.13:
@t-h: Baby, das ist kein Essay, sondern eine Satire. Nicht dass Satiren (an sich) momentan bei kV verboten wären. Wenn sie letztlich einzig dazu dient, den Autor MDW zu verspotten, wäre sie es laut neusten Infos des Webmasters. Fände es überaus bedauerlich, würde t-h dafür gesperrt werden. Die Satire ist an sich witzig. So las ich sie anfangs, ohne die Anspielung auf MDWs "Gedicht" erkannt zu haben, da ich es nicht las. Baby, du hattest Spaß. Mach das Ding unsichtbar und sei ein braves Mädchen. Wie im Kindergarten hier.

 toltec-head meinte dazu am 18.02.13:
Es geht um die Sache, Dieter. Nivellierte Romantik ist ein weit verbreitetes Phänomen.

 toltec-head meinte dazu am 18.02.13:
Es geht um die Sache, Dieter. Nivellierte Romantik ist ein weit verbreitetes Phänomen.

 Dieter Wal meinte dazu am 18.02.13:
Es geht um Gartenzwerge. Gartenzwerge sind ein weit verbreitetes Phänomen. Du kannst darüber mehr unter  Geisteszwerge und Egoriesen bei mir erfahren. Stöpsel ziehen hilft manchmal. Plänkelei, geschenkt. Stimme zu, dein Essay thematisiert ein Phänomen. Du überzeichnetest sorgfältig. So ist wohl niemand drauf, aber die Tendenz dahin, die Romantik als seichte Weltflucht mit Gartenzwergaspekten aufzufassen, besteht sicher bei einigen. Jetzt müsstest du allerdings den nächsten Schritt gehen und beleuchten, was Romantik tatsächlich ist.
(Antwort korrigiert am 18.02.2013)
MelodieDesWindes (36) meinte dazu am 18.02.13:
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MelodieDesWindes (36)
(03.02.14)
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Festil (59)
(02.08.16)
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