Schattenschwärmerin

Gedicht zum Thema Persönlichkeit

von  monalisa

.


Zum Star geboren warst du, nie erkannt,
bliebst unbemerkt am kargen Rand, weil da
im Mittelpunkt schon deine Schwester stand,
man dich ganz einfach übersah.

Und irgendwann hast du dich abgewandt
vom Licht, bist deinem Schatten nachgerannt,
verzicht- und schmerzgebrannt, hast du verbannt,
was heiter war, dir aller Leiden vorgespannt,

zu deinem Schicksal, deinem Fluch benannt.
Getragen hast du immer aller Last,
sie kurzerhand den andren aberkannt
und dein Martyrium in Gold gefasst.


.

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Kommentare zu diesem Text


 Nachtpoet (21.02.14)
Sehr tragisch-schön. Das gibt es immer wieder. Ich weiß ja nicht, ob das hier einer bestimmten Person gewidmet ist. Aber was bedeutet: "und dein Martyrium in Gold gefasst." ? Bedeutet es, dass man es mit löblicher Würde getragen hat? Oder bedeutet es, dass man das Beste draus gemacht hat?

Liebe Grüße! Ralf

 monalisa meinte dazu am 21.02.14:
Schön? Tragisch ja, aber schön?
Auslöser für dieses Gedicht war schon eine konkrete Person, mir ist aber später aufgefallen, dass das ein ganz bestimmter Typus Frau und gar nicht so selten ist.

Meine Tochter hatte eine Schulfreundin, die schon im Grundschulsalter von heftigen Migräneanfällen geplagt wurde. Aber nicht sie war die Arme, sondern deren Mutter litt unsäglich. Wo man diese Frau auch traf, immer hatte sie Schreckliches zu berichten und zu erdulden, selbst wenn es sie nicht direkt betraf, war sie diejenige, die am meisten unter allem litt. Sie verlor sich in der Rolle der Leidenden, sie schärmte geradezu davon, umschwärmte die Schatten des Lebens, wurde davon angezogen wie andere vom Licht. So wurde das Leid(en) zum großen Schatz/Schmuck (in Gold gefasst) der Frau, mit dem sie aus ihrer 'Unsichtbarkeit' herauszutreten und einen Platz in der Mitte zu erobern versuchte.
Beantwortet das deine Frage, Ralf ?

Vielen Dank für deinen Besuch und such dir möglichst ein sonniges Plätzchen - das Schattenschwärmen macht nämlich sehr schnell sehr alt, gibt dem Teints so ein ungesundes Schattengrau ...

Liebe Grüße,
mona

 Nachtpoet antwortete darauf am 21.02.14:
Ja danke für deine Ausführung. Für mich überwiegt trotzdem das Tragische an dem Text. Aber deswegen wirkt er ja auch. Schattenschwärmen mache ich oft! Vielleicht guck' ich mal bei der Sonne vorbei. Vielleicht

 Irma (21.02.14)
Es kommt sicherlich häufig vor, dass ein Geschwisterkind in irgendeiner Weise eifersüchtig auf das andere ist, weil es sich im Kampf um Liebe und Zuwendung der Eltern (ob nun zu Recht oder auch nicht) zurückgesetzt fühlt. Wobei es durchaus auch Fälle gibt, wo es als Eltern schwer ist, beiden Kindern gleichermaßen gerecht zu werden, weil ein Kind (z. B. aufgrund von Krankheit oder Behinderung) zwangsläufig mehr Aufmerksamkeit fordert. Die Bedürfnisse des "gesunden" Kindes werden dann jedoch schnell "übersehen".

Einen solchen Fall lese ich aus deinem Gedicht. Das zweitgeborene Kind steht im Schatten der älteren Schwester, es hatte keine Chance, sich richtig zu "entfalten". Anfangs unter dieser Situation leidend, kompensiert es seinen Mangel an erhaltener Zuwendung, indem es von der unfreiwilligen Nebenrolle in eine freiwillige Opferrolle schlüpft. Anstatt irgendwann aus dem Schatten der bedürftigen Schwester heraus ins Licht zu treten, sucht es (als "Schattenschwärmerin") weiter deren Schatten, das heißt, es halst sich die Kümmeraufgabe lautklagend als seine Pflicht auf. Das Gefühl, unabkömmlich zu sein und von der Schwester gebraucht zu werden, verschafft ihm ein hohes Maß an Bestätigung ("und dein Martyrium in Gold gefasst").

Ein wirklich beieindruckendes Gedicht! Toller Titel, toll geschrieben! LG Irma
(Kommentar korrigiert am 21.02.2014)

 monalisa schrieb daraufhin am 21.02.14:
Toller Kommentar, Irma. Ich gebe dir dafür gut und gern drei ***chen. Genauso ist es, nur dass sie sich die 'Leiden' aller in ihrem Umfeld zu eigen macht.

Ganz herzlichen Dank für deinen Kommentar und die **chen.
Liebe Grüße,
mona

 niemand (21.02.14)
Man kann sichs auch im "Martyrium" gemütlich machen,
sich heimisch fühlen, man muss nur eines beherrschen und zwar dieses den anderen ständig unter die Nase zu reiben.
Es gibt ein stilles Leiden und eines, das hausieren geht.
Ja, es gibt viele Möglichkeiten sich vom Rand in den
Vordergrund/die Mitte zu schieben. Man kann es bewusst
treiben, oder unbewusst. Und man kann dem/der anderen
dadurch Schuldgefühle schaffen, somit erstrahlt man in seiner Umgebung ganz schön hell, weil die Umgebung ein solches Leiden vergoldet. Man wird vielleicht zur Ikone
in den Augen der Mitfühlenden. Mit herzlichen Grüßen, Irene

 monalisa äußerte darauf am 21.02.14:
Eine sehr feine Analyse, liebe Irene. Vielen herzlichen Dank, dass du dich so ausführlich mit meinen Zeilen beschäftigen mochtest.

Liebe Grüße,
mona

 EkkehartMittelberg (21.02.14)
Es gibt Motive, die so interessant sind, dass über die Entschlüsselung ihres Inhalts die Form aus dem Blick gerät.
Bei diesem Gedicht dominieren die gelungenen Reime, aber auch alle anderen Strukturformen bereiten gekonnt das "Martyrium in Gold" vor.
Liebe Grüße
Ekki

 monalisa ergänzte dazu am 22.02.14:
Lieber Ekki,
vielen Dank dafür, dass du deinen Kennerblick so wohlwollend über die Form gleiten lässt. Dein Lob freut mich sehr

Liebe Grüße,
mona

 TrekanBelluvitsh (10.10.14)
Jeder braucht eine Bühne, auf der ihm applaudiert wird. Wer sagt, er brauche keine Anerkennung, lügt entweder oder ist ein Psychopath. Wenn diese besetzt ist, zumal noch von jemandem, der einem nahestehen sollte, dann entsteht daraus ein Schmerz und womöglich sogar ein Schaden.

 monalisa meinte dazu am 11.10.14:
Sehr fein beobachtet, Trekan. Ich glaube auch, dass jeder Mensch ein wenig Beachtung und Anerkennung und Liebe zu seiner Entfaltung braucht, dass er das auch verdient - es ein Grundrecht ist ...
Der Wunsch nach Beachtung und Anerkennung ist ja auch einer der Gründe, warum wir hier unsere Texte vorstellen, nicht?
Ich bedanke mich herzlich für Anerkennung, die ich durch deinen Kommi und die Empfehlung erfahre.

Liebe Grüße,
mona

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 14.10.14:
Hehehe...

Oder, je nach Stimmung...

Huuuuuh...
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