Frau Eusebier und die neue Wohnung

Dialog zum Thema Betrachtung

von  Nachtpoet

Frau Eusebier sagte mir: Sie käme jetzt endlich mal dazu, das Esszimmer aus ihrer Wohnung zu entfernen, da sie es nicht mehr benötige, denn essen könnte man ja auch in der Küche oder im Wohnzimmer. Ohnehin - sagte sie - sei ein Esszimmer generell ziemlich überflüssig. Ein Esszimmer zu brauchen, würde auch die Berechtigung eines Trinkzimmers, eines Laufzimmers oder eines Entspannungszimmers oder und und und ... mit sich bringen, deshalb - so meinte Frau Eusebier - würde sie gleich morgen das Esszimmer aus ihrer Wohnung entfernen.

Als ich Frau Eusebier am nächsten Abend wieder traf, erklärte sie mir, dass sie eigentlich - also wenn man es ganz objektiv sähe - ihr Schlafzimmer auch nie unbedingt gebraucht habe, denn man könne ja genauso gut im Wohnzimmer, oder sogar in der Küche schlafen, wenn man es nur wolle. Außerdem wäre ein Zimmer, wo sie nur schlafe und ... na ja ... hin und wieder auch mal das "Eine" mache trotzdem ein armes Zimmer, wenn es nur für so wenige Zwecke verwendet werden würde. Deshalb habe sie gestern ihr Esszimmer und ihr Schlafzimmer gleich mit entfernt und meinte, sie fühle sich jetzt schon wesentlich freier in ihrer Wohnung. 

Am Tag darauf berichtete mir Frau Eusebier, sie habe nicht nur ihr Esszimmer und ihr Schlafzimmer aus ihrer Wohnung entfernt, sondern auch konsequenterweise ihr Wohnzimmer. "Wohnzimmer!" betonte Frau Eusebier mit hochgehaltenen Händen. Sie frage sich doch ernsthaft, wie man auf einen so idiotischen Begriff kommen könne. Denn wenn es ein extra Wohnzimmer gäbe, dann hieße das ja im Umkehrschluss, dass man in den anderen Räumen seines Heimes nicht wohnen könne und davon könne ja wirklich nicht die Rede sein.

Am Ende der Woche fragte ich Frau Eusebier, wie weit sie mit der Sanierung ihres Domizils wäre, worauf sie mir freudig und befreit mitteilte, dass sie schlussendlich auch ihre Küche aus ihrer Wohnung entfernt habe, da dieser Raum, genau so wie das Schlafzimmer ein armes Zimmer darstelle, würde man dort nur kochen und essen, denn das könne man - genauso wie das Schlafen - auch überall anders in der Wohnung. Den Flur habe sie gleich mit entfernt, da sie ihn sowieso nur zum Durchgehen oder bestenfalls noch zum Mantelaufhängen gebraucht hätte.

... Ein kleines bisschen verwirrt fragte ich Frau Eusebier, wie denn jetzt ihre Wohnung aussähe, nach all diesen Renovierungsarbeiten, worauf sie mich nur mit einem verdutzten Blick musterte und dann lächelnd antwortete: "Na genauso wie vorher auch, nur halt ein bisschen geräumiger ..."

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (10.12.14)
Man kann auch unter einer Brücke wohnen. LG

 Nachtpoet meinte dazu am 10.12.14:
Aber wozu? Die Wohnung ist ja wie vorher.
Abulie (45)
(10.12.14)
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 Nachtpoet antwortete darauf am 10.12.14:
Aber wozu? Die Wohnung ist doch wie vorher.

 Nachtpoet schrieb daraufhin am 10.12.14:
Ach, die Antwort galt AZU20!

Danke Abulie, nech?! LG
(Antwort korrigiert am 10.12.2014)

 niemand (10.12.14)
Einfach ausgedrückt hat die Frau alle Innenwände entfernt/entfernen lassen und wohnt nun in einer riesigen
Einraumwohnung, welches ja den Vorteil hat, dass sie darin Rad fahren kann, oder Joggen, aber lass das nicht die Frau Eusebier hören, denn sonst entfernt sie noch die gesamte Wohnung, weil man Radfahren und Joggen auch draußen betreiben kann ))) Das sollte man ihr allerdings nicht in der Winterzeit ans Herz legen - im Sommer, ja, im Sommer, vielleicht ... LG niemand

 Nachtpoet äußerte darauf am 10.12.14:
Aber nein! Der Letzte Satz sagt es doch! ... GENAUSO wie vorher ... LG

 Fuchsiberlin (10.12.14)
Hoffentlich entfernt sie am Ende nicht noch das Haus ...

Gern gelesen.

Liebe Grüße
Jörg

 Nachtpoet ergänzte dazu am 10.12.14:
Vielleicht auch das ...
Danke und LG
Ralf

 monalisa (11.12.14)
Irgendwie cool, die Frau Eusebier ;), wie sie ihren Bedürfnissen auf der Spur bleibt und die mehr oder weniger willkürliche Trennung in Koch-, Ess-, Wohn-, Schlafbereich aufhebt, das Wohnen (Leben) wieder als ganze, runde Sache begreift.
Wie sie das konkret bewerkstelligt, ist mir noch nicht ganz klar, ob sie Trennwände (hoffentliche keine tragenden ?) beseitigt oder die Möbel rauswirft und sich so auch gleich um jeden Komfort bringt ...
Ihr 'genauso wie vorher auch, nur halt ein bisschen geräumiger ...' nehme ich ihr nicht ganz ab, bzw. da fehlt es mir wohl an Vorstellungskraft.

Ich bin schon gespannt, wie es weitergeht mit der Frau Eusebier!

Liebe Grüße,
mona

 Nachtpoet meinte dazu am 11.12.14:
Danke Mona für deinen netten, aber doch etwas fragenden Kommentar. Ich wundere mich, dass diese Geschichte recht oft empfohlen wurde, aber keiner so richtig weiß, wie er damit umgehen soll. Bei dieser Geschichte gibt das Thema die entscheidene Richtung an. Frau Eusbier entfernt nicht die Wände oder die Möbel aus ihrer Wohnung, sondern nur die Vorgabe, welches Zimmer welche Aufgabe hat. Da das Wohnzimmer kein Wohnzimmer mehr ist, kommt es raus Die Wohnung wird danach aber tatsächlich physikalisch geräumiger, denn weniger Vorgaben, wo man was hinzustellen hat, heißt ja Flexibilität, was eine bessere Organisation in punkto "Räume nutzen" erlaubt.

Liebe Grüße
Ralf

 princess (12.12.14)
Frau Eusebier ist eine prima Innenarchitektin: Schöner Wohnen durch Perspektivenwechsel. Das gefällt mir!

Liebe Grüße
Ira

 Nachtpoet meinte dazu am 12.12.14:
Danke Ira, ja, Frau Eusebier ist eine Art: Wohnzimmerphilosophin

Liebe Grüße
Ralf

 Dieter_Rotmund (13.01.20)
Den letzten Absatz würde ich streichen, das wirkt wie ein halbgarer Versuch, der Geschichte noch eine Halb-Pointe aufzuzwingen. Habe den Mut für ein offenes Ende! Ansonsten gerne gelesen.

 Nachtpoet meinte dazu am 13.01.20:
Nein, man hat es ja gesehen: Der Text wurde noch nicht einmal MIT dem letzten Absatz verstanden. Ich finde es ok so.
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