Nichts steht zwischen uns.

Innerer Monolog zum Thema Normen und Werte

von  FrankReich

Das Trauma sitzt tief,
schon früh angelegt, in Wellen, in Kurven, in Mustern,
es brennt auf der Seele der ewigen Zeiten, und selbst aller Ewigkeiten
Gewässer ersticken es nicht.
Es löscht Dir den Frieden, es lässt Dich nur ruhen,
wenn Du Deine Ruhe verlierst,
oder für immer gewinnst.
Du, Du und Du,
Ihr, Ihr, ja, ihr alle,
ihr könnt nicht verschmerzen,
dass Euch dieses Leben nur selten noch liebt,
doch liebtet denn eigentlich ihr es?

Das Trauma sitzt tief,
es sitzt tief in mir,
gerade wohl ich bin nicht der zu entkommen,
sondern in etwa so ausgenommen,
mindestens genauso betroffen, genauso erkrankt
wie Du, wie ihr, wie wir,
denn das Trauma,
es sitzt in unserer Mitte,
in unserem Körper,
in unserem Geist und unserm Verstand.
Es sitzt.

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Kommentare zu diesem Text


 Sanchina (20.05.19)
Erst hat mich dieser Text emotional berührt und ich habe ihn spontan empfohlen. Erst nach mehrmaligem Lesen merkte ich, wie schwierig dieser Text ist.
Das Trauma ist da. Ich spüre es auch tief in mir. Es breitet seine Symptome im unendlichen Raum und in aller Zeit aus. Wie ein Krebsgeschwür frisst es sich überall hin.
Also begann ich, darüber nachzudenken, was die Ursache dieses Traumas sein könnte, welche der Text nicht benennt. Dazu fiel mir allerhand Unsinn ein. Bis mir endlich dämmerte, das genau dies das Raffinierte an diesem Text ist: Das Trauma - mit all seinen Symptomen - ist unbenennbar. Ich fürchte, wir müssen es annehmen und mit dem Schmerz leben als etwas, das zu uns gehört, eben weil es nicht zwischen uns steht, sondern tief in uns sitzt.

 Regina meinte dazu am 20.05.19:
Aber deine Texte zum Thema sind lebendiger. LG Gina

 FrankReich antwortete darauf am 20.05.19:
Regina, das ist zwar unsachlich, weil es in diese Diskussion nicht hineingehört, doch ich gebe Dir recht, denn es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.
Dies ist, und warum auch nicht, mein ehrlichster und authentischster Text, der natürlich, und das ist meiner Meinung nach auch Sinn der Dichtung, mit allen möglichen und unmöglichen Stilmitteln angereichert ist.
Aber um auf Sanchinas Kommentar einzugehen, den ich als ausgesprochen hilfreich für mein Verständnis zu Gefühlen anderer empfinde, hätte ich es nicht besser ausdrücken können, denn nichts steht zwischen uns, Regina, es sitzt, und gerade Dein Kommentar sitzt gerade zwischen dem meinen und Sanchinas.

Ciao, Ralf

 Regina schrieb daraufhin am 20.05.19:
Wenn du publizierst, musst du dir auch Kommentare gefallen lassen, die nicht des Lobes voll sind. Sanchi ist meine Schwester und ich weiß, warum sie das Thema anspricht, weil sie sich auch damit beschäftigt, und zwar so echt und ehrlich, dass es unter die Haut geht, während dein Text hier nur lapidar feststellt, dass wir alle krank sind. Du sagst ja nicht einmal, wie du zu dieser Erkenntnis gekommen bist. Und Traumata gibt es viele verschiedene: Geburtstrauma, Kriegstrauma, Erziehungstrauma, verlorene Liebe u.v.a. Was von dem allem meinst du? Ehrlich ist das meiner Meinung nach nicht, sondern so trocken abstrahiert, dass ich nicht weiß, was ich damit anfangen soll und wozu du das schreibst. LG Gina

 FrankReich äußerte darauf am 20.05.19:
Das war jetzt ein Kommentar, mit dem ich was anfangen kann, na endlich Regina, geht doch, aber eigentlich hat Sanchina das Ding schon auf den Punkt gebracht. Dieses Trauma hat deshalb keinen Namen, weil es wie der Urknall herüber kommt. Es sitzt so tief in uns, dass wir es nicht einmal mehr bemerken. Hier ist etwas, was uns trennt und doch verbindet. Ich kann den Finger deshalb nicht auf die Wunde legen, weil er darin verschwinden würde. Ja, Regina, es ist auf eine Weise so abstrakt, das Du es nicht verstehen kannst, aber es müsste wiederum so konkret sein, dass Du es fühlen kannst. und ich habe in dem Moment, als ich das Gedicht schrieb, etwas gefühlt, was ich vorher noch nie so empfunden habe, und genau aus dem Grund habe ich es geschrieben. Dieses Gedicht ist ein Teil von mir, zu dem ich stehe, und wenn Du das nicht kapierst, bin ich sogar noch stolz darauf. Und ja, ich akzeptiere nur Kommentare, die auch der Sache dienlich sind, und das war Dein erster nicht.
Ciao, Ralf

 Sanchina ergänzte dazu am 20.05.19:
Genau! Das Urknalltrauma wird es wohl sein. So ein Urknall muss doch ein grenzenlos alles erschütterndes Ereignis sein!
Spaß beiseite: Vielleicht liegt es ja auch an meiner derzeitigen Beschäftigung mit der quantenphysikalischen Betrachtung des menschlichen Körpers im gesunden und im kranken Zustand, dass ich mit dem Text einiges anfangen kann. Denn in der Quantenphysik (die mich schon seit der Zeit meines Studiums (1980er Jahre) fasziniert) haben wir es mit dem subatomaren Teil sowohl der geistigen wie auch der materiellen Welt zu tun. So tief scheint mir nämlich dieses Trauma zu sitzen, in einer geheimnisvoll erscheinenden Welt, in der völlig andere Gesetzmäßigkeiten gelten als die bislang bekannten, und insbesondere keine Normen und Werte. Dafür gibt es da Wellen, Kurven und Muster, die sich jeglicher Normierung verweigern.
Ich brauche keinen Namen für dieses Trauma und seine Ursache muss ich nicht kennen, wenn ich es doch spüren kann. Denn dem in der Quantenphysik so wichtigen Beobachtereffekt entzieht es sich ja auch (andernfalls wäre es benennbar). Aber es ist da. Ich glaube nicht, dass ich es mit einen „realeren“ Traumata verwechsle, dazu kenne ich letztere leider zu gut.

 Sanchina meinte dazu am 20.05.19:
... einem realeren Trauma ...

 FrankReich meinte dazu am 25.05.19:
Nein, Sanchina, Du verwechselst es nicht mit einem "realen" Trauma. Als ich das Gedicht schrieb, hatte ich eine Mordswut auf die Menschen, die so stolz auf ihre Fähigkeit zu denken sind, so stolz, dass sie damit wirklich alles unterbuttern, was ihnen in die Quere kommt, egal ob Freund oder Feind, Tier, Pflanze sowie Gegenstand. Obwohl sich meine Wut kanalisierte, wurde mir erst später bewusst, dass ich mich hier an Hans Magnus Enzensbergers Gedicht "An alle Fernsprechteilnehmer" orientiert hatte, und jetzt endlich glaube ich begriffen zu haben, was in seinem Text vor sich geht. Unbewusst habe ich sein "Etwas" durch " das Trauma" ersetzt, wahrscheinlich, da es mehr an einen bösen Traum erinnert, als Enzensbergers Begrifflichkeit des Unbegreifbaren. Ihm ist es auch gelungen, die Emotionen aus "seinem Trauma" zu entfernen, er hat da etwas zu einer Zeit sterilisiert, in der ich gerade einmal gelernt hatte, einen Satz unfallfrei nachzuplappern. und, wenn ich es mir recht betrachte, ist mir mit "Nichts steht zwischen uns" auch nicht mehr geglückt als die Reproduktion alter Erkenntnisse.
Ein klein wenig gefällt mir aber, dass ich auf moderne Begriffe wie sie Enzensberger benutzt, verzichtet habe, und dass die Pointe zwischen stehen und sitzen recht gut herausgearbeitet ist.
Ohne Deinen Kommentar, Sanchina, würde ich wahrscheinlich immer noch vor diesem Gedicht sitzen, und auf eine Antwort warten, die schon längst erfolgt ist. Dieses Trauma braucht keinen Namen, weil es eine Metapher ist, eine Metapher für etwas viel tiefersitzenderes als ein Trauma, aber auch etwas viel selbstverständlicheres.

Ciao, Ralf

P. S.: Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Vorteil an bspw. Deinen oder Mojas Kommentaren ist halt der, dass sie eine Diskussion eröffnen, anhand der ich erkennen kann, auf welcher Entwicklungsstufe ich mich befinde, bzw. wo noch Handlungsbedarf besteht, und ich scheue mittlerweile auch bei anderen nicht mehr vor einer solchen Eröffnung zurück, da sie eigentlich unentbehrlich für jede KV-Dichtung ist. Manche Gedichte, wie z. B. eines von "Oreste", kommentiere ich lieber vernünftig, als sie mit einer Empfehlung zu versehen, die sowieso nach einem Monat verfällt.
Und, auch hier bin ich durchaus lernfähig, sogenannte "dumme" Kommentare können immerhin noch dazu herhalten, ein Gedicht einer näheren Untersuchung zu unterziehen.

Antwort geändert am 25.05.2019 um 08:16 Uhr
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