Das Lächeln meiner Frau

Kurzprosa

von  BeBa

Meine Frau hat einen Spiegel gekauft. Ich hasse Spiegel. Das beeindruckt sie jedoch nicht und hängt ihn in unserem Badezimmer auf.

So leicht gebe ich mich nicht geschlagen. Wir sind zum Glück im Besitz eines Gäste-WCs. Das nutze ich seitdem für die Notdurft und weitere Geschäfte. Das eigentliche Badezimmer betrete ich nur, wenn meine neu gewählte Lokalität durch einen seltenen Gast in Anspruch genommen wird. Das aufgehängte Streitobjekt nehme ich dann nicht wahr.

Jetzt beobachte ich meine Frau immer wieder dabei, wie sie, allein im Badezimmer stehend, in den verfluchten Spiegel schaut und zufrieden lächelt. Selbstverständlich ignoriere ich diese Szenen. Das fällt mir aber zunehmend schwer, denn das Lächeln auf ihrem Gesicht begegnet mir den ganzen Tag über. Ich ertrage es beim Frühstück, vor dem Fernseher und abends vor dem Einschlafen. Ich bin es leid.

Gerade macht sie sich auf den Weg zum samstäglichen Einkauf auf dem Markt. Meistens begleite ich sie, aber heute erfinde ich ein wenig Kopfweh. Sie schaut mich an, legt ihre Hand auf meine Stirn. Und da ist es wieder, dieses Lächeln, als sie erklärt, dass ich kein Fieber habe. 

Sie zieht die Wohnungstür zu und lässt mich allein. Sofort schleiche ich zum Badezimmer, zögere, zähle bis zehn und dann bis hundert. Doch irgendwann stehe ich tatsächlich vor dem Spiegel und öffne die Augen. Was ich sehe, enttäuscht mich.

Ich verstehe das Lächeln meiner Frau nicht.

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Kommentare zu diesem Text


 Moja (06.03.21)
Tja, da hat wohl der Spiegel das Lächeln ausgetauscht, Erwartungen sind eben nichts für schwache Mundwinkel

Moja grüßt

 BeBa meinte dazu am 06.03.21:
Sehr richtig, Moja. Danke dir.

LG
BeBa
Jo-W. (83)
(06.03.21)
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 BeBa antwortete darauf am 06.03.21:
Einen Gruß zur Nacht zurück, Jo.

Danke dir für das Lob.

LG
BeBa

 GastIltis (06.03.21)
Schade.
Mein Freund Lothar hatte einen Spiegel, vor dem er sich immer die Pickel ausdrückte. Wir waren zwanzig Mann in vier Buden. Irgendwann ging der Spiegel zu Bruch. Jürgen T. konnte unheimlich gut malen. Von zwanzig kann immer einer gut malen. Er malte also auf Pappe in den Rahmen hinein ein Gesicht, Finger und spritzendes Blut aus imaginären Pickeln. Darunter schrieb er: Lothis Ersatzspiegel.
Vielleicht hast du eine ähnliche Lösung zur Hand?
LG von Gil.
PS: wie das Leben spielt, gestern habe ich mit Lothis Witwe telefoniert. (Nicht wegen des Spiegels!)

 BeBa schrieb daraufhin am 06.03.21:
Der Spiegel ging doch hoffentlich nicht durch einen dieser abgeschossenen Pickel zu Bruch?

Die Idee von Jürgen T. ist genial!

LG
BeBa

 GastIltis äußerte darauf am 07.03.21:
Jürgen T. war sowieso genial. Er hat dann mit noch einem von damals in Leipzig Chemie studiert und stand hoch über allen! Doch plötzlich, mit der Wende, kam er nicht mehr zurecht, nicht beruflich und wahrscheinlich nicht mit dem Leben. Schade, schade.

 EkkehartMittelberg (06.03.21)
Hallo Beba, deine Kurzprosa ist vielfältig interpretierbar. Meine Deutung: Wer sein eigenes Spiegelbild ertragen kann, hat Reserven, anderen ein Lächeln zu schenken.
LG
Ekki

 BeBa ergänzte dazu am 06.03.21:
Lieber Ekki,

so kann man es tatsächlich sehen. Wieder einmal weise Ekki-Worte, über die ich mich sehr freue.

LG
BeBa
Hilde (62)
(06.03.21)
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 BeBa meinte dazu am 06.03.21:
Mit Computern hat es der Prot vermutlich auch nicht so ...

Danke dir, Hilde.

LG
BeBa

 indikatrix (06.03.21)
Gefällt mir sehr, besonders die leise, weise selbstironische Note , die ich zu erkennen glaube und die Freude aneinander
Danke,
LG Indikatrix

 BeBa meinte dazu am 06.03.21:
Ja, Selbstironie ist etwas Schönes.

Danke auch dir, Indikatrix,

LG
BeBa

 Graeculus (06.03.21)
Selbst nach langjähriger Ehe bleiben noch viele Fragen offen. Für Außenstehende (z.B. Leser) kann das sehr witzig sein.

 BeBa meinte dazu am 06.03.21:
Völlig richtig, Graeculus.

LG
BeBa
wa Bash (47)
(07.03.21)
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 BeBa meinte dazu am 08.03.21:
Hi wa Bash,

ich leite deinen Tipp mal an den Prot weiter. Hört sich gut an... ;-

LG
Beba
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