Schnee

Kurzprosa

von BeBa

Schnee

Wie damals steht er am Fenster, schaut nach draußen zu den längst eingeschalteten Laternen, in den Novemberregen. Es fahren kaum Autos, und nur ab und zu läuft jemand mit Schirm auf der Straße, mit einem Hund an der Leine. Wer sonst verlässt bei dem Wetter sein Haus, fragt er sich.
„Wie spät ist es?“ Er hat sie schon vergessen und ihren Fernsehsessel hinter sich.
„Ich weiß es nicht“, sagt er. Da sie schweigt, schaut er auf seine Uhr.
„Kurz vor elf.“
„Was machst du?“, hört er sie aus dem Hintergrund.
„Ich schaue aus dem Fenster.“
„Um diese Uhrzeit? Was siehst du denn da?“
„Nichts“, sagt er.
„Nichts?“, Da ist er wieder, ihr Tonfall.
„Es regnet. Was soll da schon los sein auf der Straße!“
Er hört sie husten, aber nicht so arg wie damals, und wie sie sich dann in ihrem Sessel bequemer zurechtsetzt.
„Es soll noch schneien heute Nacht“, meint er.
„Ich verstehe einfach nicht, warum du da ständig rausschaust, wenn nichts zu sehen ist!“, hört er sie. Er weiß, dass sie das nicht versteht. Und dass sie ihm genau das an jedem weiteren Tag aufs Neue sagen wird.
Dann das Schweigen und dazu die Bilder und Erinnerungen, die in seinem Kopf entstehen.
„Ich bin müde."
„Ja, klar“, sagt er.
So enden die gemeinsamen Tage, seitdem sie tot ist.

Er wird sich gleich umdrehen und auch schlafen gehen. Aber noch bleibt er an seinem Fenster stehen. Und er sieht sie tanzen, die ersten Schneeflocken im Schein der Straßenlaternen.

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Kommentare zu diesem Text

Tula (10.11.21)

Hallo BeBa

der Text erinnerte mich erst an Loriot, so etwas wie eine ironische Eheszene. Dann die Auflösung, ein Schlag mit der Spitzhacke ins Seelenmark ...

LG
Tula

BeBa meinte dazu am 10.11.21:

Sorry dafür, lieber Tula. War aber nicht ganz ungewollt.

DanceWith1Life (10.11.21)

Manche Erinnerung könnte man durchaus auch tückisch nennen, wie mir scheint, auch ohne Laterne im angekündigten Novemberschnee.
wie sangen das die Rockpoeten

when the music's over, turn out the light
oder auch
Don’t Stop the Music
ganz egal von wo aus man es betrachtet, something's gone.

Man befürchtet dein Protagonist hat wirklich solche Gespräche geführt, und das ist alles, was übrig geblieben ist, wäre da nicht der Tanz der Schneeflocken im Schein der Straßenlaternen.

BeBa antwortete darauf am 11.11.21:

Wie wahr.

LG
BeBa

klausKuckuck (71)
(10.11.21)

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BeBa schrieb daraufhin am 11.11.21:

Gutenachtgeschichten? Nein, leider nicht.

LG
BeBa

Fridolin (10.11.21)

Ich weiß nicht, aber wäre der Text nicht noch eindrucksvoller, wenn Du die Spitzhacke etwas sanfter geführt hättest?

BeBa äußerte darauf am 11.11.21:

Hm, wäre in der Tat eine Überlegung wert.

LG
BeBa

AchterZwerg (10.11.21)

Ja,
so manche "glückliche" Ehe wird selbst durch den Tod nicht beendet ...

Gut beobachtet

BeBa ergänzte dazu am 11.11.21:

Du sagst es, 8er.

LG
BeBa

linkeln (10.11.21)

Einsamkeit ist schwer zu ertragen.
Lg
linkeln

BeBa meinte dazu am 11.11.21:

So ist es, linkeln.

LG
BeBa

Vaga (10.11.21)

Der "Schnee von gestern" in den eigenen Räumen - (gedanklich) eine makabre Pointe.

BeBa meinte dazu am 11.11.21:

Ja, da stimme ich dir zu, Vaga.

LG
BeBa

Antwort geändert am 11.11.2021 um 08:39 Uhr

Quoth (10.11.21)

Hallo BeBa, ich würde den "Schlag mit der Spitzhacke" (Tula) minimal vorbauen z.B. ganz einfach dadurch, dass der Text beginnt mit: "Wie damals steht er am Fenster ..." Gruß Quoth

BeBa meinte dazu am 11.11.21:

Ich glaube, das ist eine gute Idee, die ich vermutlich übernehme werde.

LG
BeBa

Dieter_Rotmund (10.11.21)

Neee, Beba, das ist zu bemüht, nicht rund, gezwungen wirkende Pointe, neee, das kannst Du besser!

BeBa meinte dazu am 11.11.21:

Danke dir für deine ehrliche Ansicht. Kann man vermutlich durchaus so sehen, da ich normalerweise anders schreibe. ;_)

LG
BeBa

wa Bash (47)
(10.11.21)

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BeBa meinte dazu am 11.11.21:

Ja, ich kann dir bzgl. der Schneeflocken nur zustimmen.

Danke dir.

LG
BeBa

Schnee

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von BeBa

Kommentare zu diesem Text

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