Wenn die Sinne schweigen

Kurzprosa zum Thema Bewusstsein

von  Regina

Wenn das Dunkel herniedersinkt, begeben sich auch die Menschen in die Ruheposition, die Horizontale. Sie schlafen, sie atmen. Aber wohin verliert sich eigentlich das Ichbewusstsein, jener Repräsentant der Persönlichkeit, die mit Namen und Adresse bezeichnet wird, Wichtigtuer und Besserwisser in der Diskussion um die letzte Wahrheit? Wie eine ungeordnete Filmsequenz surrealer Bilder erhascht das Vorstellungsvermögen den einen oder anderen Traum, den dann ein Psychologe oder ein Traumdeuter interpretieren muss, sonst versteht auch der Intelligenteste und Qualifizierteste die Sprache des eigenen Unterbewusstseins nicht. Aber was ist mit den Stunden traumlosen Schlafes, wo hat das Ego diese zugebracht? Das wird es nicht wissen, wenn es aufsteht und die Verhältnisse am neuen Tag so vorfindet, wie es sie in der Vergangenheit vorbereitet hat. Schlaf nennt der Dichter Friedrich von Logau einen kurzen Tod, Tod aber einen langen Schlaf.
Der Barockdichter greift zur Analogie, indem er den Schlaf mit dem Tod vergleicht, aus dem die Seele nach einer längeren Ruhezeit in einem neuen Körper wieder aufersteht. Nichts weist im Werk des Dichters darauf hin, dass er sich mit dem Thema gründlicher auseinandergesetzt hätte. Seine vielen Kurzwerke, Epigrammatiken, decken eine Vielzahl von Themen ab. Darunter findet sich ein Zweizeiler, der ausdrückt, dass Logau, dessen Lebenszeit in den Dreißigjährigen Krieg fiel, weder mit der katholischen noch mit der lutherischen noch mit der calvinistischen Religiosität einverstanden gewesen ist. Vielmehr habe er in allen dreien vergeblich christliche Merkmale gesucht, ein nicht allzu ausgearbeiteter Hinweis auf eine Lebenseinstellung jenseits des damaligen Mainstreams, der aber ohnehin im Umbruch begriffen war. Joseph Haydn hat das Kurzgedicht von Schlaf und Tod als Kanon vertont. "Tod ist ein langer Schlaf, Schlaf ist ein kurzer Tod. Der lindert dir und jener stillt des Lebens Not."



(1605 - 1655), Friedrich von Logau, Pseudonym: Salomon von Golaw, deutscher Dichter des Barocks aus schlesischem Adelsgeschlecht



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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (22.07.22, 11:08)
Nie gehört, aber mit Barockdichtern kennen sich hier andere sicherlich besser aus als ich Lyrik-Dilettant.

Du führst den Leser etwas arg umständlich ein, finde ich. Warum diese Hakenschlagerei bevor du zum Punkt kommst? Für den Leser ist das anstrengend.

 Dieter_Rotmund (22.07.22, 11:08)
Nie gehört, aber mit Barockdichtern kennen sich hier andere sicherlich besser aus als ich Lyrik-Dilettant.

Du führst den Leser etwas arg umständlich ein, finde ich. Warum diese Hakenschlagerei bevor du zum Punkt kommst? Für den Leser ist das anstrengend.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 22.07.22 um 11:09:
Sorry, zwei Mal "gepostet".

 Regina antwortete darauf am 22.07.22 um 11:17:
Danke für deine Einschätzung. Die "Hakenschlagerei" hat etwas mit der Entstehung des Textes zu tun, Logau wurde einem bereits vorhandenen Monolog über den Schlaf angefügt. Der Leser soll sich zunächst einmal mit dem Schlaf auseinandersetzen, dann mit der Sicht des Dichters.

 Fridolin schrieb daraufhin am 22.07.22 um 15:25:
Ein hochinteressantes Thema, über das wir sehr wenig wissen. Der Schlaf ist der Introspektion ja allenfalls in den kleinen Bruchstücken zugänglich, die wir als Traum erinnern können. Gleichzeitig ist er aber lebenswichtig. Mir stellt er sich als tägliche Fastenzeit der Sinne dar, durch die eine innere Reorganisation vermutlich auf allen Ebenen möglich wird. Man kennt z.B. die Redensart: "erst mal drüber schlafen", die andeutet, dass sich Dinge nach dem Schlaf gelegentlich ganz anders darstellen. Auch in Hinblick auf die Genesung nach einer Krankheit traut man ihm oft viel zu.
Schlafen ist Leben mit Autopilot. Man überlässt das Steuer einer unbekannten Instanz.

 Regina äußerte darauf am 22.07.22 um 18:04:
Ja, da möchten wir gern wissen, was nach dem Tod kommt und kennen uns nicht einmal so richtig mit dem täglichen Schlaf aus. Danke für deinen Kommentar. Gina
Agnete (66) ergänzte dazu am 22.07.22 um 22:03:
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 Regina meinte dazu am 23.07.22 um 05:45:
Danke auch.
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