Spinnenfäden im Regenbogen gegen das Licht

Text zum Thema Psyche

von  RainerMScholz

Auf dem rissigen, schmutzigen Betonboden in der Waschküche, wo der riesige eiercremefarbige Heizkessel stand, der nur samstags befeuert wurde, wenn überhaupt, die zementbekackte Badewanne und wo die langbeinigen Weberknechte vor dem verkalkten Klo herumhüpften, sollte ich meine Vorhaut in der Kälte zurückziehen und meinen Penis ordentlich waschen – aber es ging nicht, es schmerzte, und meine Oma war nicht in der Lage oder willens mir zu helfen oder zur Hand zu gehen. Da war der kleine Junge, der nicht wusste, wie er mit seinem Pieper umzugehen hatte und niemand, der ihm in seiner Not beistand. Schließlich wurde der Umstand behoben, in einer fremden Stadt, einem fremden Haus, betreut von seiner Erzeugerin, die gerade Pharmazie oder Soziales oder Psychoscheiß studierte und eigentlich Tippse im Nordwestkrankenhaus war. In ihrer Mittagspause schaute die gelegentlich vorbei und ich lag da in der Augusthitze, die anderen kranken Kinder spielten miteinander, und mein unbekannter Penis hatte Stacheln und Drähte und war wund und ich weinte, da ich nicht mehr vollständig war mit was auch immer, das ich bis dahin ohnehin nicht verstanden hatte. Scheinbar auch sonst niemand, der mir hätte beistehen können oder sollen oder müssen. Mein stachelbewehrter Penis der Trauer und Neurosen und der Renegation. Irgendwo muss die Geschichte ja beginnen. Hier vielleicht.

Das Programm im Hirn weiß nicht, dass es ein Programm ist.

Der Penis ist ein gefährliches Ding, sagte ich, er verursacht sogar Weltkriege.

Die Möse ist ein gefährliches Ding, sie verschluckt komplette Welten und gebiert immer neue Grausamkeiten, Blutstückige und Sumpfwesen.

Wenn ich in der Hölle bin, dann sollen alle anderen auch zur Hölle fahren, dachten die Dinge, die in mir sind.

Die Sonne füllt mir die Augen.

Mit Blut.

Und dann wächst etwas aus mir hervor.



© Rainer M. Scholz



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