Wolfgang Weimer: Logisches Argumentieren

Rezension zum Thema Denken und Handeln

von  Terminator

Ein blaues Reclam-Heft für den Unterricht lässt sich in der Hochsommer-Hitze leicht in den Vertiefungen der Kleidung transportieren. Und ich war gespannt, was denn noch über die Logik und das Argumentieren gesagt werden kann, das noch nicht gesagt wurde. Es war eine leichte bis moderate Überraschung, festzustellen, dass ein Logik-Lehrbuch durchaus unterhaltsam sein kann.


Das Buch ist offenbar für echte Menschen geschrieben, die viel Alltag und Smalltalk erleben, und an Gesprächsthemen orientiert, die eher wenig mit dem Logik-Unterricht zu tun haben. Dieses Buch würde den alten Spruch bestätigen, dass wir (in der Schule) für das Leben, und nicht für die Schule lernen.


Jede Aussage, ausnahmslos, gründet auf einem Vorurteil, auf einer als gegeben genommenen Voraussetzung. Es gibt keine tabula rasa beim logischen Argumentieren, insofern das Gespräch einen bestimmten Inhalt hat. Die eigenen Vor-Urteile kann man sich bewusst machen, sie abstreiten, oder ihrer gar nicht erst gewahr sein. Im Buch sind Beispiele vorhanden.


Besonders gefreut hat mich der Abschnitt über das geschlossene Weltbild, ein System von Vorurteilen und Überzeugungen, das strukturell so aufgebaut ist, dass jeder logische Widerspruch das gegebene geschlossene Weltbild bestätigt. Jede Aussage, die ein christliches Dogma in Frage stellt, kann innerhalb des geschlossenen christlich-fundamentalistischen Weltbilds widerspruchsfrei als eine Lüge des Teufels dargestellt werden, vorgebracht, um den Glauben des Christen zu prüfen. Und selbst ein liberales Weltbild kann geschlossen sein. Ein offenes Weltbild lässt seine eigene Widerlegung zu, und wird daher kaum bei Menschen zu finden sein, die ihre Identität auf Überzeugungen gründen.


Lebensnah geht es mit wichtigen Fragen des logischen Argumentierens weiter, zuweilen eher verquasselt als trocken, was so einem Buch aber gut tut.


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Kommentare zu diesem Text


 Dieter Wal (20.07.23, 00:33)
Sehr schöne Kurzrezension, die mich ermutigt, das Bändchen umgehend zu bestellen. Danke.

 Terminator meinte dazu am 20.07.23 um 00:35:
Lohnt sich wirklich.

 Dieter Wal antwortete darauf am 20.07.23 um 14:15:
Ich erhalte es kommenden Montag, 24.07.2023.

 Terminator schrieb daraufhin am 20.07.23 um 23:28:
Vor langer Zeit bestellt, kam vorgestern an:

https://keinverlag.de/buch.php?buch=1398

Bombe! Lese seit heute, nach 20 Seiten nicht weniger als begeistert. Ein Thema, das mich halt wirklich interessiert, existentiell.

 Dieter Wal äußerte darauf am 28.07.23 um 21:50:
Deren "Man will leben und muss sterben - Man will tot sein und muss leben / Die Kontroverse zwischen Optimismus und Pessimismus" gefällt mir bisher am besten von allen, die ich bisher von Graeculus alias Wolfgang Weimer (mit Rolf Schäfer) las. Und das in derart kristallklarem Stil geschrieben, dass es ein erfrischendes Lesevergnügen war und ist, ich lese immer wieder neu darin. Opus Magnum?

 AchterZwerg (20.07.23, 09:03)
Selbst ich, der Fleisch gewordene Antiphilosoph kokettiere mit einem Kauf des Bändchens. In deinem Text leuchtet mir

Besonders gefreut hat mich der Abschnitt über das geschlossene Weltbild, ein System von Vorurteilen und Überzeugungen, das strukturell so aufgebaut ist, dass jeder logische Widerspruch das gegebene geschlossene Weltbild bestätigt. Jede Aussage, die ein christliches Dogma in Frage stellt, kann innerhalb des geschlossenen christlich-fundamentalistischen Weltbilds widerspruchsfrei als eine Lüge des Teufels dargestellt werden, vorgebracht, um den Glauben des Christen zu prüfen. Und selbst ein liberales Weltbild kann geschlossen sein. Ein offenes Weltbild lässt seine eigene Widerlegung zu, und wird daher kaum bei Menschen zu finden sein, die ihre Identität auf Überzeugungen gründen.

vollautomatisch ein. :) 

LG, der8.
Taina (39)
(20.07.23, 11:15)
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 Graeculus ergänzte dazu am 20.07.23 um 13:58:
Gedacht ist das Buch als Hilfe zu besserem Argumentieren, nicht nur zur Abwehr unzulänglicher Argumentationen wie im Falle von geschlossenen Weltbildern.

 Beislschmidt meinte dazu am 20.07.23 um 14:15:
Das klingt sehr interessant, Wolfgang. 
Werde ich bestellen.
Beislgrüße
Taina (39) meinte dazu am 20.07.23 um 14:44:
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 Graeculus meinte dazu am 21.07.23 um 15:44:
Das ist insofern passend, als ich tatsächlich mich damit ausführlich befaßt habe.

 LotharAtzert meinte dazu am 21.07.23 um 15:51:
... ausführlich befasst habe. Das Fass ist eine Abtrennung vom Unfassbaren. Toll!

 Graeculus meinte dazu am 21.07.23 um 15:55:
Immer noch bei den Scherz-Etymologien unterwegs?
Denke doch mal griechisch - wie Vater Heraklit.

 LotharAtzert meinte dazu am 21.07.23 um 16:07:
Denke doch mal griechisch - wie Vater Heraklit.
Du traust mir was zu - das ehrt dich.

 Graeculus (20.07.23, 14:02)
Geschrieben habe ich das Buch für interessierte Erwachsene; es als Schulbuch zu verröffentlichen, war eine Entscheidung des Reclam-Verlages. Das tut dem Umsatz gut, wenn Lehrer Klassen- bzw. Kurssätze bestellen, aber ich habe Zweifel, wie Schüler damit klarkommen. Hätte ich es für diese Gruppe konzipiert, wäre manches anders, etwas einfacher ausgefallen.

Meine Neigung zum Quasseln hast Du gut erkannt.

 Dieter Wal meinte dazu am 20.07.23 um 14:20:
Geschrieben habe ich das Buch für interessierte Erwachsene; es als Schulbuch zu verröffentlichen, war eine Entscheidung des Reclam-Verlages.
Freue mich auf das Bändchen. Lehrer müssen ja nicht das ganze Heft verpflichtend unterrichten, sondern können den Schülern überlassen, ob und inwieweit sie es lesen. Das wäre eh die bessere Pädagogik. Doch so etwas für Klassen zu bestellen, ist großartig. Herzliche Glückwünsche! Ekki dürfte theoretisch neidisch werden, denn er ist ein sehr erfolgreicher Schulbuchautor.

 Graeculus meinte dazu am 20.07.23 um 14:32:
Sie werden vermutlich Ausschnitte lesen bzw., wie es im Lehrer-Jargon heißt, "lesen lassen". Es den Schülern selber zu überlassen, was sie lesen wollen, ist eher unüblich ... und führt auch selten zu erfreulichen Ergebnissen.

Das erinnert mich an eine Anekdote: Ich hatte eine kurzfristige und daher planungsmäßig improvisierte Vertretungsstunde in einer 7 zugewiesen bekommen. Meine Absicht war, den Schülern ein Beispiel dafür vorzuführen, wie spannend Literatur, also das Lesen, sein kann. Dafür habe ich die Geschichte von Robert Louis Stevensons "Flaschenteufel" erzählt. Als ich dort angekommen war, wo die Flasche nur noch 2 Cent kostet, aber unbedingt vor dem Tod noch billiger weiterverkauft werden muß, gongte es zum Stundenende.
Daraufhin habe ich etwas erlebt, was Lehrern selten widerfährt: Die Schüler wollten die Stunde nicht beenden, wollten nicht in die Pause, sondern erfahren, wie es weitergeht.
Ich habe sie dann auf die Stadtbücherei, also aufs eigene Lesen verwiesen.
Als ich ca. sechs Wochen später noch einmal eine Vertretungsstunde in dieser Klasse bekommen habe, habe ich gefragt, wer sich denn das Buch besorgt und gelesen habe.
Niemand.

 Dieter Wal meinte dazu am 20.07.23 um 20:14:
Ich unternahm einmal, da war ich noch gar kein Werbetexter, eine fiese Methode, Jugendliche zum Bibellesen zu verführen, indem ich als theologiestudierender Praktikant im Nürnberger Bibel-Erlebnis-Haus eine eigens auf sie zugeschnittene Führung durchführte. Die "Guerilla-Marketingmethode" und heimlicher Führungshöhepunkt bestand darin, Sex sells, dass ich sie in das für Religiöse meist verpönte Lied der Lieder oder auch Hohelied Salomos einführte und ihnen ein Gedicht daraus vorlas. Die hocherotischen Gedichte handeln ausnahmslos von Sehnsucht nach Vereinigung und erotische paarbezogen-monogame Liebe im besten Sinn. Ich habe natürlich nie erfahren, wie viele angehende Konfirmanden dadurch anfangs mit roten Ohren die Bibel studierten. Doch ich gehe davon aus, dass sehr viele. :)

 Beislschmidt meinte dazu am 20.07.23 um 20:27:
dass ich sie in das für Religiöse meist verpönte Lied der Lieder oder auch Hohelied Salomos einführte
Gut  dass ich bei so einem alttestamentarischen Quargel nicht dabei war, ich hätte dich woanders eingeführt. du geiler Werbetexter. :D

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 20.07.23 um 20:32:
Ich werde mir das Buch bestellen, dem im Reclam-Verlag bestimmt Erfolg beschieden ist. Meine Frage an Wolfgang Weimar ist, ob das Gegenstück "Emotionales Argumentieren"
bereits in Vorbereitung ist.

 Dieter Wal meinte dazu am 20.07.23 um 20:43:
alttestamentarischen Quargel
@Beißmit: Hättest Du ahnungsloser Schraubendreher auch nur einen hundertstelsekündlichen Blick auf die aramaisierende Originalversion des  Schir haSchirim geworfen und ihre schwarzrotgoldenen Sprachklänge mit eigenen Augen gesehen und mit eigenen Ohren gehört, Du Kunstbanause hättest erkannt, dass es sich dabei um das mit Abstand schönste erotische Gedicht der gesamten Weltliteratur handelt. Doch wie soll man einem mentalmotorisierten Bettler ohne klassisches Hebräisch das vermitteln?

Antwort geändert am 20.07.2023 um 20:46 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 21.07.23 um 15:42:
An Ekkehart:

Nein. "Logisches Argumentieren" ist vor 18 Jahren erschienen. Aktuell schreibe ich an einem Buch über einen bestimmten Aspekt der Antike. 
Was ich beachte: nur etwas zu schreiben, was nicht schon andere, gar besser, geschrieben haben. 
Auf das Thema "Emotionales Argumentieren" bin ich noch nicht einmal gekommen. Ich müßte überlegen, was das sein könnte.
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