War Proust Nichtschwimmer?

Glosse zum Thema Sinnlichkeit

von  eiskimo

Z


Natürlich könntest du ins Schwimmbad gehen mit einem dicken Band  Proust unterm Arm. Ja, Marcel Proust. Schwimmbad.

Denn sie prusten da mit Hingabe, in allen Becken. Hübsches Wortspiel, hübscher Kontrast. Aber verlorene Zeit, sag ich mal. Denn im Schwimmbad, das merkst du sofort, ist Gegenwart, unvertextetes Gejohle und Lachen der Kinder. Statt langatmigem Proust …. kichernde Lust.

Nein, du tust dir das nicht an: 700 Seiten trockenes, schwarz bedrucktes Papier ….  denn du kriegst da blauen Himmel, kunterbunten Badebetrieb.  

Nein, jetzt kein Proust, keine längst vergangene hochbürgerlich Dekadenz … lieber dafür fröhliche Wasserratten. Live.

Und wo Proust in aller Ausführlichkeit sein verzwicktes Spiel mit Illusion, früherer Erwartung und innerer Zeit in Gang setzt – wenn du das dort, im quirligen Schwimmbad, denn tatsächlich anfangen solltest zu lesen …  Arschbombe!

Wie gesagt, du musst ja nicht mit einem dicken Band Proust ins Schwimmbad gehen. Egal, ob Marcel dort im Schwimmer- oder Nichtschwimmerbereich geprustet hätte.  


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Kommentare zu diesem Text


 Redux (24.08.23, 15:43)
Ich habe die ersten zwei Bände gelesen. Man erahnt die literarische Leistung des Autors,  aber: es war eine Qual und ich habe die weiteren Bände nicht gelesen. 
Ebenso erging es mir bei Musils Mann ohne Eigenschaften, den ich bis Seite 150 gelesen und zur Seite gelegt habe.
Danach bin ich ins Schwimmbad gegangen.

Kommentar geändert am 24.08.2023 um 15:44 Uhr

 eiskimo meinte dazu am 24.08.23 um 16:01:
Witzig, dass Du dann das unmittelbar Greifbare und Präsente (auf) gesucht hast...
In Frankreich wird Proust weiterhin gut verkauft ... als BD (sehr gut gemachte Comics). Ich will ihn bzw. seine Bedeutung für den modernen Roman auch nicht in Frage stellen. Aber er ist schon harte Kost.

 Redux antwortete darauf am 24.08.23 um 16:04:
Nein, ich bin natürlich nicht ins Schwimmbad. 
Aber ich habe ähnliches unternommen,  womit ich sagen wollte,  was du bestätigt hast: harte Kost!

 Dieter Wal schrieb daraufhin am 24.08.23 um 16:06:
Ich geb Dich noch nicht auf: Du könntest "Tod in Venedig" im Schwimmbad lesen. ;)

 Dieter Wal äußerte darauf am 24.08.23 um 16:08:
Oder Eckermanns "Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Brockhaus, Leipzig 1836"? ;) 

Da geht noch was.

 Dieter Wal ergänzte dazu am 24.08.23 um 16:10:
Kafka im Schwimmbad wäre großartig.

Antwort geändert am 24.08.2023 um 16:18 Uhr

 Dieter Wal meinte dazu am 24.08.23 um 16:11:
Einsteins allgemeine Relativitätstheorie wäre im Freibad genau richtig. :)

Antwort geändert am 24.08.2023 um 16:14 Uhr

 Quoth meinte dazu am 06.09.23 um 08:52:
Man darf Proust nicht von vorn lesen. Das Mittelkapitel "Eine Liebe Swanns" ist superlustig, ich erinnere mich nicht, je so von Ironie, Heiterkeit und Beschreibungskunst ergriffen worden zu sein. Macht einen neuen Anlauf und mausert Euch nicht zu Proust-Verächtern!

 Mondscheinsonate meinte dazu am 15.09.23 um 15:46:
Ich liebe Proust (und Der Mann ohne Eigenschaften,Redux) aber es ist wahrlich keine Freibad, sondern eine Landschafts-Provence- still im Liegestuhl sitzend und sehnsüchtig in die Ferne blickend- Literatur.

 Dieter Wal (24.08.23, 16:13)
Wunderschöne wirklichkeitsgesättigte Prosa.

 Redux meinte dazu am 24.08.23 um 16:15:
Sabbaths Theater von Philip Roth

 Dieter Wal meinte dazu am 24.08.23 um 16:18:
Danke für den Tipp. Kannte ich noch nicht. Roth kann man überall lesen. Auch im Freibad, wenn man gerade nichts Besseres zu tun hat. Findest Du nicht?

 AZU20 (24.08.23, 16:51)
Proust lieber nicht, oder doch? LG

 eiskimo meinte dazu am 24.08.23 um 16:55:
Für den brauchst Du die Monatskarte, und die öffentlichen Schwimmbäder kosten inzwischen richtig Geld.

 AchterZwerg (24.08.23, 17:51)
Oder du nimmst halt "Vom Nichtschwimmer zum Schwimmer" mit;
ihr Pseudofranzosen habt ja meist nicht mal das Seepferdchen ... :P

 eiskimo meinte dazu am 24.08.23 um 17:58:
Lehrt das von  Dir empfohlene Sachbuch als erstes die Kraultechnik oder etwa noch Proust-Schwimmen?
Beim Seepferdchen darfst du nur 15 Minuten lang nicht ertrinken; das schaff ich...
Plantschi-Grüsse
Eiskimo

 Dieter Wal meinte dazu am 24.08.23 um 18:26:
Zwergi empfahl mir jüngst einen Band über Thomas Mann und das Meer, den sie entdeckte. Und da ich totaler Meer- und Wasserfan bin, könnte ich Dir einen wundervollen Essayband übers Schwimmen empfehlen. Willst Du wissen, wie er heißt?

 eiskimo meinte dazu am 24.08.23 um 18:46:
Ja, klar!

 Dieter Wal meinte dazu am 24.08.23 um 19:18:
Schwimmen – eine Kulturgeschichte

von  John von Düffel (Herausgeber, Übersetzer),  Charles Sprawson (Autor),  Peter von Düffel (Übersetzer)

 Verlo (25.08.23, 15:42)
Wer ins Schwimmbad geht, muß mit den Folgen leben.
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