Verfassung

Text

von  Mondscheinsonate

Weg von dem Buch von Anna Gamper "Staat und Verfassung", das ich bis Freitag durchgelesen, verstanden haben muss und darüber schreiben sollte. Es ist wahrlich anstrengend, bedarf der allerhöchsten Konzentration und Anstrengung. 

Das formelle Recht im B-VG von 1920 konnte ich irgendwann auswendig, ich wusste, wo ich welche Inhalte finden würde, das kommt automatisch, wenn man sich damit intensiv auseinandersetzen muss, aber was Staat und Verfassung überhaupt ist, ja, sogar bedeutet, darüber machte ich mir nur minimale Gedanken, gerade so viel wie ich lernen musste im Öffentlichen Recht. Intensiver wurde es in der Rechtsphilosophie und nun ist die intensive, sogar intensivste Auseinandersetzung wichtig, durch Staats- und Verfassungslehre Teil II. 

Lernen bedeutet "sich für etwas interessieren", das ist die oberste Prämisse, sonst funktioniert es nicht. Die ersten dreißig Seiten waren wahrlich die größte Qual, es flogen die Fachausdrücke um die Ohren, aber je mehr ich mich in die Materie einlas, desto mehr begann ich mich zu interessieren und plötzlich war ich interessiert. Die ersten dreißig Seiten habe ich mir nicht gemerkt, so ist es und daher müssen diese wiederholt werden, interessiert wird es funktionieren.

Natürlich, man muss Jellinek und Kelsen mögen, den Unitarismus und die Asymetrie, den Föderalismus, die Gewaltenteilung im parlamentarischen und präsidialen Regierungssystem, ... den Gesellschaftsvertrag, vieles mehr. Zugegeben, ich bin jetzt auch kein Fan von der Hyperanalyse, aber darüber nachdenken, was Staat und Verfassung eigentlich ist, ist einmal ein Thema, das doch angeht. Überhaupt, ich sah von der ersten Sekunde das formelle Recht als etwas Ästhetisches an, keine Ahnung, ich spürte, das ist etwas ganz Edles, ein Meisterwerk. 

Überzeugt bin ich, dass 90 Prozent aller Staatsbürger noch nie die ganze Verfassung gelesen haben, aber, wozu auch, das Gefühl, dass es sie gibt, macht es, man fühlt sich sicher, man spürt, das ist gut. Das reicht. 


Aber, eigentlich, ich möchte überleiten, eine, der drei Theorien, was die Verfassung ist, ist die erste, die besagt, dass die Verfassung ein geistiger oder körperlicher Zustand ist, tatsächlich. Erscheint logisch, man erwartet es nur nicht unter rechtswissenschaftlichen Betrachtungen. 

Darauf will ich nun eingehen, denn ich habe das Buch für heute geschlossen und bin nun wieder im "privaten Gedankenbereich". 


Seine Verfassung verschlechterte sich täglich. Man merkte es. Er nahm seine Tabletten nicht mehr, zunächst bemerkte ich es nicht, dann erst als er vom Abendgymnasium nachhause kam und wütete, schrie, so kannte ich ihn nicht, wurde mir mulmig und ich sah in die Tablettenpackung, sie war noch fast voll, obwohl sie fast leer sein sollte, da bekam ich die Beklemmung, die lange nicht mehr besser wurde. 

Sein Mathematiklehrer gab ihm ein Gut auf die Schularbeit, da drehte er durch, trank eine halbe Kiste Bier aus, schluckte Psychopax Tropfen und warf ein Messer nach mir.  

Am nächsten Tag, als ob nichts gewesen wäre. Jedoch, äußerst drogenaffin kiffte er mehr als sonst, es wurde immer mehr und mehr, ich sagte:"Pass auf, sonst kommt wieder deine Psychose!", er lachte, stellte mich als Idiotin hin. Eine Woche später begann er in Endlosschleife zu sprechen, er hörte gar nicht mehr auf. Am Abend wurden die Gespräche immer Ich-bezogener und am nächsten Tag landeten bereits die Russen am Schwechater Flughafen und wir wurden alle abgehört, er hatte einen Chip eingebaut und wurde kontrolliert. Ich packte meine Siebensachen, verließ das Haus, weil ich Angst bekam, rief von der Telefonzelle seine Mutter an, die meinte:"Sicher halb so wild", dann fuhr ich nach Wien. 

Was rekonstruierbar ist, am selben Abend zog er sich nackt aus und rannte durch Innsbruck, beschimpfte Passanten, bis die Polizei ihn aufgriff und zwei Einsatzwägen kamen, da er gewalttätig wurde. Sie rangen ihn zu sechst zu Boden, so eine Kraft hatte er während der manischen Phase und brachten ihn in die Psychiatrie, wo er angeschnallt wurde und niedergespritzt. Dann baten die Eltern, ihn nach Salzburg zu transportieren, wo er in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie dasselbe erlebte.

Ich besuchte ihn dort, seine Arme waren beide von oben bis unten blau, er schwankte zwischen Manie und hellen Momenten. Im Park beschimpfte er Vorbeigehende. 

Ja, das war die Liebe meines Lebens, der nicht-manische Teil war lieb, freundlich, blitzgescheit und gutmütig. Der andere Teil bösartig, unberechenbar, hochaggressiv, wahnhaft und paranoid. 

Es war erschreckend, so erschreckend, dass ich zwanzig Jahre später vor ihm saß und noch immer Angst hatte. Er sah noch immer so aus wie früher, nur dick, hinkte, meinte, er habe Gicht vom vielen Fleisch, machte nach der Psychiatrie noch den Dipl.-Ing., kam dann ins Gefängnis, weil in seiner Wohnung eine halbe Plantage Gras gefunden wurde, von dort in die Intensiv der Psychiatrie, weil er wieder tobte und sie verletzten ihn schwer, dann in die Geschlossene und danach kam er in Frührente mit 40, weil er als Psychotiker und schwerer, er sagte es so, Alkoholiker nicht mehr arbeiten könne. Zu mir war er aber lieb, obwohl er zuviel Wein trank. Ich war aber froh als ich gehen konnte. Er sagte:"Du bist (nicht warst) die Liebe meines Lebens." 

Er schrieb mir unzählige Briefe, die immer wirrer wurden, die Schrift krakeliger, am Schluss rief mich seine Mutter an und bat mich, sie war aber lieb, nicht böse, den Kontakt abzubrechen, nicht mehr zu antworten, er liebt mich so sehr, dass er wieder in den Wahn verfällt, jahrelang war er stabil, jetzt ist er wieder rückfällig. 

Ich bin schuld, das meine ich doch, tatsächlich.


Seitdem erkenne ich, wenn jemand manische Phasen hat, ich habe es dreimal durchgemacht, das ist schlimm. Das Beste ist aus dem Weg gehen, nicht aufregen, einfach ignorieren, sonst wird es schlimmer, das ist kein Spaß, das ist überhaupt nicht lustig. Auch ist es wichtig, sich nicht provozieren zu lassen, den Redeschwall über sich ergehen zu lassen oder einfach fernbleiben, nicht antworten ist wirklich essenziell. 


Ja, die Verfassung... manchmal ist sie einfach nicht gut. Kündigt sich Wochen vorher bereits an, man merkt es. 


Hinweis: Der Verfasser wünscht generell keine Kommentare von Verlo.

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