Schlusspunkte

Gedanke zum Thema Ende

von  Terminator

Alles vergessen, verweht, wie ungeschehen: alle Erfahrungen, Erlebnisse, Begegnungen, Hoffnungen, Träume, alle angenehmen und interessanten Momente... wenn der Tod endgültig ist, wäre das nicht eine schreckliche Vorstellung?


Nein, es wäre eine Erleichterung. Beim "wie ungeschehen" stört allerdings das "wie".


Am besten lässt sich das Leben mit einem Zustand vergleichen, in dem du müde bist, aber nicht schlafen kannst. Dass der Todeswunsch als krankhafte Suizidalität betrachtet wird oder ein Sich-Davonstehlen des Individuums von der Gemeinschaft, zeigt, wie weit sich die (kollektive) Wahrnehmung des Lebens von dessen Unmittelbarkeit entfremdet hat: einem Müden wird sein Schlaf nicht gegönnt, dabei ist doch der Wunsch, endlich zu schlafen, der natürlichste überhaupt.


Unerfüllbare Wünsche müssen nicht zum Wahn führen, Hoffnungen in eine ausgedachte allmächtige Vaterfigur zu setzen. Es gilt einfach zu bedenken: ist es zu unerträglich, etwas zu wünschen, und es nicht zu haben, und ist es unmöglich, diesen Wunsch aufzugeben, setzt der Freitod der Selbsterniedrigung durch den Wahn Grenzen. Wer tot ist, begehrt nicht. Wer gestorben und nicht ins Paradies gekommen ist, weiß nicht, dass er nicht ins Paradies gekommen ist.


Eine Welt zu sehen, in welcher das Ideal des Schönen vollkommen verwirklicht ist, ist wünschenswert, hängt aber letztlich nur davon ab, ob diese wirklich existiert, und nicht von unseren Bemühungen, sie zu erreichen. Nach 40 Jahren in einer Welt der sinnlosen Leiden und enttäuschten Hoffnungen, der Verstellung, Verlogenheit, der Lüge und des Betrugs sage ich: auch das Nichts ist mir gut genug.


Im Nichts ist das Absolute abstrakt. Im Sein ist das Schöne das Absolute. Lebensweltlich konkret: ich will keinen Gott, keinen Jesus, keinen Buddha, kein Nirwana, kein Karma, kein Dharma; ich lasse mich mit all dem Quatsch nicht vertrösten. Ich will entweder das Schöne oder das Nichts.


"Das Leben" ist nicht "schön". Erst das Schöne verleiht dem Leben einen Wert.


Nur das Schöne kann mir "das Leben retten". Alles andere kann nur versuchen, mich zu manipulieren, am Leben zu bleiben.



Sein (und nicht nichts) ist entweder um des Schönen willen da oder sinnlos.


Ohne das Schöne ist das Leben wie pathologische Schlaflosigkeit. Es ist das Selbstverständlichste überhaupt, in diesem Fall die Schlaftablette zu nehmen.



Ist das Schöne nur Phantasie, gibt es keine lebenswerte Realität.



Auf keine moralisch-mechanische Art lässt sich die Eintrittskarte in die Welt des Schönen erarbeiten. Religionen, die solchen Unsinn behaupten, sind für Idioten. Das Schöne gehört nicht irgendeinem Gott, der sie dem, der seine Gebote erfüllt hat, im Paradies hinwerfen wird, wie dem Hund einen Knochen. Jede Seele, die in die Welt des Schönen kommt, war von Anfang an in höchster Liebe mit dem Schönen vereint, und nur durch die Kontingenz dieser Welt, in der auch Ekelhaftes vorkommt, vom Schönen getrennt.


Wer kein Heimweh nach dem Schönen hat, wird nie die Welt des reinen Schönen sehen.


Wenn das Nichts das letzte Wort hat, hatte es nur darum einen Sinn, am Leben gewesen zu sein, weil ich die Idee des Schönen in meinem Geiste hatte. Für alles andere zusammen hätte ich nicht eine Sekunde leben wollen.


Das Schöne ist der absolute Selbstzweck. Das Leben als Selbstzweck zu betrachten, ist hässlich.



Die Mitmenschen sind eine Zumutung, nichts weiter, ebenso das eigene empirische Ich. Keine Frau, die auf dieser Welt jemals existierten könnte, wäre so verführerisch, wie der Gedanke, dass in fünf Minuten alles vorbei sein könnte.



Das Interesse an Naturwissenschaften ist im Kern suizidal: letztlich geht es um die Bestätigung des Narrativs, dass das einzelne Bewusstsein ein unerklärliches Rätsel ist, und nach dem Tod des Individuums nicht mehr existiert. Wer von einer unsterblichen oder zumindest dieses Leben überdauernden Seele ausgeht, wäre aufgrund völliger Irrelevanz des wissenschaftlichen Weltbilds nicht in der Lage, auch nur eine Seite eines naturwissenschaftlichen Buchs zu lesen. 


Die Naturwissenschaft soll überhaupt nicht erklären, wie die Welt funktioniert, wie sie entstanden ist, warum sie existiert usw., sondern nur dazu überreden, die Endgültigkeit des Todes als gewiss zu betrachten, um, von "pathologischen" Ängsten und "illusorischen" Hoffnungen befreit, noch heute sterben zu können.



Jedes "wir", das nicht im absolut Schönen durch reine, unendliche Liebe zustande kommt, ist (nur) ein (sinnloses) Gesellschaftsspiel. Alle Beziehungen, die dieses Niveau nicht erreichen, sind Trostpreise für Loser, für erbärmliche Zauderer, die zu schwach für den Tod sind. Alle Verhältnisse sind dem Ich äußerlich. Es gibt keine Mitmenschen und keine Gesellschaft. Es gibt nur die unsterblich Geliebte und den Tod.



Ich will nichts (mehr) persönlich mit jemandem zu tun haben, der mir nicht alles bedeutet. Ich will nichts (mehr) mit jemandem zu tun haben, dem ich nicht alles bedeute. Ich spreche nicht von einer Zweisamkeit: auch 8 wären denkbar, oder 116+1.



Optimismus: Mein Leben war nicht sinnlos (vorausgesetzt, meine spekulative Metaphysik stimmt).


Pessimismus: Mein Leben war sinnlos. Doch sobald ich tot bin, wird das egal sein.


Realismus: Ich habe so oder so ein paar Tage, einen Sommer (gönnt, ihr Gewaltigen!) oder noch Jahre zufrieden-entspannter glücklich-wohlverdienter Heiterkeit vor mir. 


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Kommentare zu diesem Text


 Aron Manfeld (09.02.24, 02:47)
Was ist denn das Schöne aus Deiner Sicht, Jack?

 Terminator meinte dazu am 09.02.24 um 02:59:
Deine Frage ist wie "Was ist für dich Gott?" Was Gott ist, entscheidet nicht jeder nach seinem Geschmack. Gott ist Gott. Und das Schöne ist das Allerhöchste, steht über allen Göttern.

 Mondscheinsonate antwortete darauf am 09.02.24 um 03:07:
Denk mal nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Bauch.Was ist schön für dich?

 Terminator schrieb daraufhin am 09.02.24 um 03:09:
Miezen.

 Mondscheinsonate äußerte darauf am 09.02.24 um 03:12:
Die find ich auch schön. Also, die Vierbeinigen. :)

 Terminator ergänzte dazu am 09.02.24 um 03:25:
Die Vierbeinigkeit der Zweibeinigen lässt aber diese Welt so hässlich sein. 

Eine Welt ohne Ekelhaftes und Hässliches und mit den in ihr vollkommen entfalteten schönen Miezen als ästhetische Spitze wäre das Ideal des Schönen.

In dieser Welt existiert das Schöne nur im Auge des (ästhetisch sensiblen) Betrachters und darüber hinaus in seiner Phantasie. Das verwirklichte Schöne ist also nicht möglich ohne eine schöne Welt (die, selbstverständlich, keinerlei Kontakt mit Welten hat, in denen Ekelhaftes vorkommt).

 Aron Manfeld meinte dazu am 13.02.24 um 14:21:
Es ist schade, Jack, dass Du den Text durch Deine Zugaben nun überfrachtet hast. Die Erfindung des allmächtigen Vaters hätte gereicht.

 Terminator meinte dazu am 13.02.24 um 21:59:
Was, Aron? Ich habe dich akustisch nicht verstanden.

 eiskimo (09.02.24, 09:10)
Ich habe gerade ein knuspriges Brötchen gegessen mit selbstgemachter Marmelade. Das war schön.

 Terminator meinte dazu am 09.02.24 um 21:39:
Eine solide tellurische Betrachtung; Ceres freut sich.

 LotharAtzert (09.02.24, 09:57)
Eine Welt ohne Ekelhaftes und Hässliches und mit den in ihr vollkommen entfalteten schönen Miezen als ästhetische Spitze wäre das Ideal des Schönen.
Diese Einschätzung teile ich zu 100%


Das wird aber nicht auf unserm Planeten Erde realisierbar sein, sondern es reift im Inneren durch selbstlose Wünsche bzw. Hingabe ans Schöne, wird gesteigert durch Entbehrung und führt mit Gewissheit am Ende zum Miezenplaneten. 
Unreinen können ihn nicht sehen, oder gar dorthin aufbrechen und das ist auch gut so. 
Mögen wir dort zum Besten Aller den Leidensozean in ... no Whisky sorry  :D ...

 Terminator meinte dazu am 09.02.24 um 21:47:
Das wird aber nicht auf unserm Planeten Erde realisierbar sein, sondern es reift im Inneren durch selbstlose Wünsche bzw. Hingabe ans Schöne
Das stimmt;
und führt mit Gewissheit
das nicht. Durch (Heils-)Gewissheit wären wir Automaten. Wir können immer mehr ahnen, intuieren, Vorfreude empfinden, je höher wir steigen, aber wir können uns nie gewiss sein. 


Whisky? Nur, um die Wartezeit zu überbrücken. Selbst der Ardbeg Alligator.

 LotharAtzert meinte dazu am 10.02.24 um 09:19:
 Durch (Heils-)Gewissheit wären wir Automaten. Wir können immer mehr ahnen, intuieren, Vorfreude empfinden, je höher wir steigen, aber wir können uns nie gewiss sein. 
Da habe ich mich unglücklich ausgedrückt: ich meine nicht uns zwei, sowie den Rest der Schüler, sondern die erleuchteten Lehrer: Zweifelten sie an der Lehre, könnten sie diese nicht lehren.

Es gibt sogar ein Buch (Aurum Verlag) von Jamgon Kongtrul mit dem Titel: "Das Licht der Gewissheit" - ich empfehle es nur deshalb nicht, weil es fast ausschließlich Praxisanleitung für die enthält, die bereits Zuflucht zum Buddha, Dharma und Sangha genommen haben.
Auszug: 
Nur die Kostbarkeiten haben die Fähigkeit, daß sie uns vor Samsara erretten. Nur diejenigen, welche sich selbst retten können, werden andere zu retten vermögen.

Dein Whisky - mein Cannabis

 Dieter Wal (09.02.24, 14:38)
Wolf von Kalckreuth (1887-1906), dessen literarisches Werk, speziell seine Sonette, ich Dir ans Herz lege, schrieb kurz vor seinem Suizid an seine Mutter in seinem Abschiedsbrief, er würde bald mit den ganz Großen wie Goethe und Platon kommunizieren. Für ihn lag das Schöne, das Absolute, das Du im Nichtmehrlebenmüssen zu erhoffen scheinst, in vollkommenen Geistern der Kulturgeschichte. Kurz vor seinem Suizid machte er ein 1,0-Abitur. Doch wenn Du mich fragst, glaubte er gar nicht an ein Leben nach dem Tod und schrieb das nur, seine Mutter zu trösten, sondern zeigt in einigen seiner Sonette eine höchst transzendente Auffassung vom Tod, den er als höchstes Sein erstrebte unabhängig davon, ob es ein Leben nach dem Tod gibt oder nicht. Das Schöne war für Wolf der Tod an sich. Rilke hatte die zweifelhafte Ehre, der Seelsorger per Briefaustausch von Wolfs Mutter nach dem Suizid ihres Sohnes zu sein, die sich Rilke öffnete, wie keinem Menschen sonst und daher leider folgerichtig die Briefe Rilkes und ihre eigenen Notizen an Rilke buchstäblich mit ins Grab nahm. Dass ein derart intellektuell hochgefütterter Mensch wie Du es bist, sich unter den allermeisten Menschen total vereinsamt vorkommt, kann ich nachvollziehen. Wolf ging es ähnlich. Es wäre zu wünschen, dass ein menschlicher Körper nicht aus 90% Wasserkopf und 10% Unterleib besteht, metaphorisch geprochen, sondern ein gewisses harmonisches Verhältnis zwischen beiden zurückgeführt würde.

 Terminator meinte dazu am 09.02.24 um 21:50:
Es wäre zu wünschen, dass ein menschlicher Körper nicht aus 90% Wasserkopf und 10% Unterleib besteht, metaphorisch geprochen, sondern ein gewisses harmonisches Verhältnis zwischen beiden zurückgeführt würde.
Lunar betrachtet, wäre das die altgriechische Harmonie nach Spengler (die Lebenswelt besteht aus dem Körper und der unmittelbaren Umgebung). Versteht man diesen Satz chthonisch, so wird er ekelhaft.

 Beislschmidt (10.02.24, 09:33)
Keine Frau, die auf dieser Welt jemals existierten könnte, wäre so verführerisch, wie der Gedanke, dass in fünf Minuten alles vorbei sein könnte.
Da wär ich mir mal nicht so sicher, wenn man bedenkt, dass der Mensch in allem das Produkt seiner Hormone ist, die je nach Schieflage ihm eine Schuldunfähigkeit attestieren. 

 harzgebirgler (10.02.24, 15:51)
um menschen je ästhetisch zu erziehen
müssten sie ihrer tierheit erst entfliehen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Über_die_ästhetische_Erziehung_des_Menschen

lg vom harzer
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