Kaffeepause

Text

von  Mondscheinsonate

Während der Kaffeepause, ich habe noch gefühlt 100 Klausuren durchzuackern, denke ich, dass der heutige Tag ein belangloser war, was auch sein darf, denn diese Belanglosigkeit hat auch ihre Daseinsberechtigung.

Es ist wärmer in Wien, während der Westen im Schnee versinkt. Heute wollte ich auf den Friedhof, stattdessen besuchte ich den Lebenden, der so tut als ob er es bald nicht mehr ist. Manchmal möchte man schreien, sagen:"Wach endlich auf!", aber man lässt es und sieht dem Essenden mitleidig zu. Nun ja, ich gebe zu, die fremden Verstorbenen wären mir lieber gewesen, die tun wenigstens nicht nur so, die sind tot und machen nicht zornig. 

Ich habe nie mit R. über den Tod geredet, dafür waren wir zwei zu lebendig. Er, mitte 40 und ich 15, 16, 17, 18, 19 und ein bisschen 20. Viel zu jung und quirlig, nichts konnte meine Laune trüben, nicht einmal der Liebeskummer. Also, nicht so wie heute. Die Leichtigkeit des Seins ist eine schöne Sache, geht verloren, so wie alles. 

Frühlingswind, der kleine R. (wird heuer 50) und ich plauderten von Fenster zu Fenster, die Birke raschelte, alles war gut. Das war unser erstes Gespräch. Ich weiß noch, ich hatte ein weißes T-Shirt an und ein Gilet, das war damals modern. Ich liebe sowas noch immer, aber zum Blazer und Bluse. 

Warum weiß ich sowas noch, ich war 13? Weil man sich in schönen Momenten alles merkt. Die sind längst gestorben.  


Wenn das Wetter so bleibt, dann gehe ich morgen Vormittag auf den Friedhof. Die Knospen von den Sträuchern sind schon aufgeplatzt, es wird grün. Ich kann auch bei R. lernen, dort stört mich keiner. 

"Beutelratte, ich arbeite!" - "Du, die Oma hat gesagt, wenn ich mal sterbe, dann muss man die Gosch'n (Mund) extra da'schlag'n!" Er lachte, sagte:"Das stimmt!" Das war unser einziges Gespräch über den Tod, wir lebten lieber. 

Ich muss weiterarbeiten, morgen sitzt Dornröschen auf dem Stein, wartet auf den Kuss, dauert noch.


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