Gänzlichst...

Text

von  Mondscheinsonate

...gingen die Worte "Ich habe mich geirrt" aus der Gesellschaft verloren, somit das Lernen, schlussendlich weiß man schon alles. Ohne Versuch und Irrtum geht kein Lernen (Thorndike). Es zog der Satz: "Ich weiß alles" ein. 

So, so? 

Warum ist es so verpönt, etwas nicht zu wissen und wieso ist es schlimm, sich geirrt zu haben? 

Nun, es zog der Glaube ein, wenn man jemandem mit der Bildungskeule kommt, dann steht man über einem. Mehr Bildung zu haben als das Gegenüber wurde zum Druckmittel und Schimpfwort: "Du, Ahnungsloser!"  Der Irrtum wurde zum faux pas hochstilisiert. 

Viele Gebildete verstehen es nicht mehr als Auftrag, ihre Bildung weiterzuvermitteln, sondern hängen diese um den Hals um sie zur Schau zu stellen: "Seht! Ich bin gebildet! Du bist unter mir!"

So wehren sich die weniger Gebildeten mit der vehementen Verneinung der Unbildung mit Schimpfen, Treten und Ablenkung vom Thema, zumeist fallen sie auch in die Opferrolle und verwenden Begriffe, die schlichtweg deplaziert sind, werden persönlich. 

Wir stecken wahrlich in einem narzisstisch gekränktem Dilemma. 


Der Irrtum sollte wieder zugelassen werden, auch kommuniziert werden. Weg vom Übermensch hin zum fehlerhaften Wesen. Es wäre dann einfacher Beziehungen zu führen, aus Fehlern lernt man, nicht nur ein Satz, sondern eine Lebenseinstellung. Wieder hin zum lebenslangen Lernen, weg von: "Ich kann alles und ich weiß alles!" (Ergo: "Ich bewege mich geistig keinen Schritt nach vorne!")

Auch wäre eine Diskussion wieder möglich, was schon reizvoll wäre. 


Ein Plädoyer für den Irrtum, für das eigene Weiterkommen, somit auch für die Menschlichkeit. Es ist keine Schande, etwas nicht zu wissen, nur peinlich, etwas nicht zu wissen, etwas trotzdem zu sagen zu einem Thema, was falsch ist, und dann darauf zu beharren. Beharren gehört eher zum Verpönten, es ist leider en vogue. 






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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (13.03.24, 10:24)
Was ich kurios finde, ist der Umstand, daß jeder Mensch ganz allgemein durchaus zugibt, sich irren zu können. Niemand sagt von sich selbst: Ich irre mich nie!
Und trotzdem werden die meisten Menschen in jedem konkreten Fall leugnen, daß sie sich irren.

Sie wissen es im Prinzip, ziehen aber keine praktischen Konsequenzen daraus.
Brot (39)
(13.03.24, 10:37)
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 Graeculus meinte dazu am 13.03.24 um 11:51:
Deinen Gedanken verstehe ich - einwandfrei. Das Zitat von Heiner Müller aber verstehe ich nicht. "Interesse ist eine Begabung" oder "Bildung beruht auf Interesse", ist damit sowas gemeint?
Brot (39) antwortete darauf am 13.03.24 um 12:04:
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 Graeculus schrieb daraufhin am 13.03.24 um 17:05:
Dann könnte/dürfte es einen begabten, aber uninteressierten Menschen eigentlich nicht geben; nun meine ich jedoch, solche seien mir schonmal begegnet.
Wir reden hier aber immer noch über ein Zitat von Heiner Müller, das Du nur ungenau erinnerst, ja? Zudem: ohne Kontext. Es ist schwierig, das unter diesen Umständen zu deuten.

Antwort geändert am 13.03.2024 um 17:37 Uhr

 Mondscheinsonate äußerte darauf am 13.03.24 um 19:41:
Wohl richtig alles, jedoch war mir der Irrtum wahrlich das Anliegen.
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