Geistesklärung auf die Weise des Diamant-Sutras

Beschreibung zum Thema Meditation

von  LotharAtzert

Um was geht es in dieser Schrift? Um die Verwirklichung von "Maha-Prajna-Paramita" - das ist zu übersetzen mit "Große vollkommene Weisheit." Die wird erreicht nicht durch Mutmaßungen, noch Denkakrobatik, noch Clearing, Auditing oder gar Waffenkunst von Tapferen, sondern durch sechs aufeinander abgestimmte Schritte, die nun folgen sollen.

Die erste Paramita: die Vollkommenheit des Gebens. Sie gipfelt in der Selbsthingabe, doch am Beginn steht das Geben dessen, was man hat, für den, der es braucht, ohne jegliches Kalkül. Indem man - allmählich - erkennt, daß es kein substanzielles Selbst gibt, erkennt man auch, daß die Unterscheidung in Geber und Nehmer von Schritt zu Schritt unhaltbarer wird. Das verhindert, daß man sich selbst für mildtätig oder sonstwas Geltendes hielte, was ein Rückschritt wäre.

Wenn man dem Hungernden Brot gibt, hilft man ihm für einige Tage. Gibt man ihm eine gute Ausbildung, hilft sie ihm, sich selbst für den Rest des Lebens zu helfen. Erklärt man dem geistig Hungernden die Worte zum Praktizieren der Paramitas, so ist der Verdienst der Handlung unendlich größer, als alles, was es in dieser und jeder anderen Welt an "Wertsachen" geben könnte, denn es führt zur Befreiung von jeglicher Abhängigkeit. Das nennt man Vollkommenheit des Gebens.

Die zweite Paramita: die Vollkommenheit der Güte. Aus dem schon besagten Grund, wird jedes Wesen gleich behandelt, ohne besondere Zu- oder Abneigung. Nun bedeutet "gleich" nicht einheitlich limitiert, sondern jedes Wesen so, wie es seiner maximalen Entwicklung am dienlichsten ist. Im Klartext: was hier ein Streicheln bewirkt, bewirkt in anderem Zusammenhang einen Tritt in den Hintern - und dann tut man eben das Notwendige: emotionslos, doch gleichbleibend mitfühlend. Geschähe es aus Überheblichkeit, würde man die nächste Stufe nicht erreichen und Stagnation ist immer gleichbedeutend mit Rückschritt, dieser mit schmerzvoller Wiederholung.

Die dritte Paramita: die Vollkommenheit der Demut oder Geduld. Was immer an Ungemach geschieht, man nimmt es als schicksalhafte Belehrung an, als Hinweis auf das Fehlverhalten, ohne Jammern, noch ohne den begonnenen Weg wieder zu verlassen. So erkennt man bald im jeweils vorangegangenen Eigendünkel die Folgen der gegenwärtigen Unwissenheit. Was immer so geschieht - wir benutzen es, um die Geduld wachsen zu lassen, was für alle Wesen mehr Segen bringt.

Die vierte Paramita: die Vollkommenheit der Energie. Alles, was also geschieht, was man macht, soll dem Weg und seinem Fortschritt in irgendeiner Weise dienen, so wird man weniger nachlässig, sucht nicht mehr nach Wiederholung - weder Ablenkung, noch Befriedigung der Triebe, noch sonstige Belustigung, Nervenkitzel usw. Man bleibt "bei der Sache," die sich zeitlich weiter klärt. (Selbst wenn man beispielsweise eine Banane ißt, wird deren Energie mich dem Ziel der Erleuchtung näher bringen.)

Die fünfte Paramita: die Vollkommenheit der Meditation. Du vertiefst das Erkennen in dir durch passives Betrachten des Geschehens, respektive das Gewahren von Leerheit und Klarheit der phänomenalen Welt, läßt Erkenner, Erkennen und Erkanntes eins mit sich werden. Ganz wie eine Wasserstelle, die, aufgerührt, sich allmählich durch Niedersinken (Schwerkraft) der Schmutz-Partikel von selbst wieder klärt.

Die sechste Paramita: die Vollkommenheit der Weisheit. Diese ergibt sich durch das Befolgen und Verwandeln des Vorangegangenen ins Bewußtsein. Die Prajna Paramita (-deren "Wesen" man "verwirklicht") wird von den Praktizierenden als eine in allem vollkommene Göttin der Weisheit verehrt, der man sein Dasein durch Befolgen der einzelnen Paramitas weiht. So wird man, was man schon immer ist. Wie das im Einzelnen geht, lernt man unmöglich durch Holywood-Action, sondern ausschließlich durch das Praktizieren in der Gegenwart - also learning by doing - des hier klar Angedeuteten.

Zwar hält nach der Ikonografie des Mahayana der Buddha Manjushri ein Schwert in der linken Hand und über seinen Kopf, doch ist es nicht gedacht, um die Welt vor äußeren Feinden zu befreien, sondern Sein Weisheitsschwert stellt die symbolische Handlung des Ego-Konzepte-Durchtrennens dar.

Im Original schließt das Sutra mit Buddhas Worten: "Diese Schrift ist hart und scharf, wie ein Diamant, welcher alle willkürlichen Begriffe wegschneiden und einen zum anderen Ufer der Erleuchtung bringen wird. Was meinst du, Subhuti, hat dir der Tathagata in dieser Schrift irgendeine Lehre erteilt?"
"Nein, o Herr, der Tathagata hat uns in dieser Schrift keine bestimmte Lehre gegeben."

(Das vollständige Sutra ist nachzulesen in "Meditationssutras des Mahayanabuddhismus"- Origo Verlag Zürich)

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Kommentare zu diesem Text

dry_tyler (33)
(25.12.13)
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 LotharAtzert meinte dazu am 25.12.13:
Guten Tag Herr/Frau? dry_tyler,
ich bedanke mich fürs comment.
Der obige Text ist zwar von mir, aber die Reihenfolge entspricht dem Original, da eins ja auf dem andern aufbaut und nicht willkürlich verändert werden darf.

Da ich dieses Sutra öfters lese bzw. "praktiziere", kann ich es natürlich fast auswendig aufsagen.

Zum "erfolgreichen durchlaufen" läßt sich nur sagen, daß diese Frage entweder unbeantwortbar ist, oder aber von anderen - beispielsweise meinem Lehrer - entschieden werden muß. Ein sich selbst so nennender "erfolgreicher Buddhist" wäre doch eher einer, der nicht begriffen hat, um was es geht, - oder?
Ähnlich verhält es sich mit den höheren Ebenen - was ist hoch, was ist niedrig? Wir haben alle die Buddhanatur und nur das zählt.

Du scheinst sehr viel im Netz herumzukommen - ja dort habe ich es auch veröffentlicht, weil ich dieses Sutra für unglaublich nützlich halte. Es sollte m.M.n. auf allen Schulen gelehrt werden.
Ich danke Dir - fürs dreimalige Lesen - und wünsche Dir alles Gute
dry_tyler (33) antwortete darauf am 25.12.13:
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 LotharAtzert schrieb daraufhin am 25.12.13:
"Hat ein Moslem auch Buddha-Natur?" -
laß mir etwas Zeit - der Weihnachssteß ... meine Tochter kommt gleich und ich wills mit Ruhe beantworten - morgen oder so.
Dir auch schönes Fest ...

 LotharAtzert äußerte darauf am 25.12.13:
Hat ein Moslem die Buddhanatur" - Du stellst eine Frage, deren Antwort Du bereits kennst - der Hund bellt es ja schon. Ich nehme einmal an, Du willst noch meine Fähigkeit oder Unfähigkeit prüfen. Wenn alles die Buddhanatur hat, hat sie auch der Moslem!

Solche Dinge geraten schnell ins Spekulative. Wäre es nicht interessanter, Deine Meinung zu den fünf Paramitas zu sagen? (- anstatt eine Meinung über mich oder Muslime zu haben oder zu suchen.) DU hast auf den Thread reagiert, nicht der Moslem.
Ein Praktizierender ist für andere nicht auf dem und dem Level, sondern ist das, was sein Gegenüber in ihm sehen kann. Nietzsche hat das ja schon schön formuliert: "Dem Reinen ist alles rein, den Schweinen ist alles schwein."
"Kann man dem das klarmachen?" - Mache es zuerst Dir klar - und das Klare spricht für Dich.
BabetteDalüge (67)
(26.12.13)
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 LotharAtzert ergänzte dazu am 26.12.13:
So, mal sehen, ob das mit dem Kästchen klappt:
"Ich kann doch nicht hergehen und meine Liebe auf die ganze Welt verteilen und meine Gabenan jeden Schurken weitergeben"

Da hast Du natürlich vollkommen recht. Das hätte mit Weisheit wenig zu tun. Aber es spricht nichts dagegen, dem Schurken das zu geben, was ihm nutzt - zum Beispiel eine Tracht Prügel, respektive entsprechende "Geistesgaben."

Ja, wir versteheh uns, auch wenns manchmal vieler Übersetzungen braucht, das wird schon, Babette, nur die Ruhe ...

 Dieter Wal (10.01.14)
Interessant. Vielen Dank! Interessiert mich von den beschriebenen Prozessen dieses Weges her teilweise an (Vergleich hinken, schon klar) das detailliert ausgearbeitete Konzept des mystischen Weges in: "Die Wolke des Nichtwissens", einen Text aus dem 12. Jh. (?), welcher mutmaßlich mit Hintergrund derTheologia Negativa zu christlicher Spiritualität als Erfahrungswerten in diversen Schritten anleitet.

 LotharAtzert meinte dazu am 10.01.14:
Das Werk "Die Wolke des Nichtwissens" ist mir leider nicht bekannt. Aber das Diamant-Sutra dürfte zeitlich auch so aus dem 12. oder 13. Jh. stammen. Muß eine fruchtbare Zeit gewesen sein, dieses "finstere Mittelalter."
Danke.
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