mit dem küchentuch

Text

von  kalira

Mit dem Küchentuch um Hans Kopf hatte ich zuvor Zwiebeln getrocknet. Es lag neben der Spüle, ich griff es und trocknete die Zwiebeln daran ab. Dann verschwand es kurzweilig zwischen Spüle und Geschirrbergen. Ich hatte es gesucht, als ich das Messer von der Erde reinigen wollte. Ich suchte überall und fand es schließlich zusammengeknüllt bei der Spüle. Als ich es aufschlug, um die Schneide des Messers zu säubern, stach mir der Zwiebelgeruch entgegen. Hans hat das Tuch von der Stuhllehne genommen und sich um seinen Kindskopf gebunden. Ich gucke, ob ihm Tränen kommen und sehe seinen Kopf zwiebelhäutig von diesem Tuch umwickelt. Blutet der wirklich?

Hans ist ein störrisches Kind. Das hat er von Klaus. Zwei aus einem Stoff. Zwischen diesen beiden ist es manchmal wie Gefangensein. Mir fehlt alles Weibliche. Sie raufen sich, sie stinken zuweilen, wenn sie abends vom Toben hereinkommen und die Kleider in die Ecke ins Bad werfen. Sie stinken und sehen wie Banditen aus. Ich hasse Räuber. Bevor ich Klaus - vor Jahren schon - in mich hinein gelassen hatte, war viel Weibliches in mir. Ich fühlte meinen Bauch, meine Brust, ich fühlte jedes Härchen auf meiner Haut und ich wusste, wie es sich anfühlt gänzlich Frau zu sein. Mit Hans hat Klaus etwas Männliches, etwas Stumpfes und Ödes in mich gelegt. Seither empfinde ich mich nicht. Selbst als dann Hans aus mir raus war, änderte sich nichts. Wurde nur schlimmer, der Junge hängt seit seiner Geburt an mir, es ist, als würde ich ihn nie losbekommen. Klaus kommt abends in die Küche und schlägt mir auf die Schulter oder auf den Rücken, als sei das eine Art, jemanden zu begrüßen. Ich habe aufgehört zu essen. Ich möchte, dass er sich an mir stößt. Nicht nur an den hervorstehenden Knochen. Gänzlich an mir. Und Hans ist zu klein, um auch nur irgendetwas zu begreifen. So bin ich zwischen ihnen. Unsichtbar bin ich, aber notwendig wie das Atmen für jeden einzelnen der beiden. Nebenher irgendwie. Hans mit dem Zwiebelkopf und der stinkende Klaus.

Der Dummkopf sprach auch noch mit dem toten Tier. Es ist ja schon absurd, dass Menschen überhaupt mit ihren Tieren wie mit Menschen sprechen. Aber Tilda ist tot! Sie war ein sehr treuer Hund gewesen, jedoch gar nicht so sehr des Hundes wegen, sondern viel mehr aus Angst, Angst sie könne weglaufen und unter die Räder schneller Autos kommen, Angst, sie würde die Rehe in den Feldern aufscheuchen und einem Jäger vor die geladene und beutelustige Flinte laufen. Nur deswegen habe ich ihr nachgeschrien. Und es war immer nur diese Angst, die mich dann so wütend machte, dass ich meine Hand nach der Leine greifen und auf den Hund einschlagen sah. Wie sollte ich diesem Hund denn klarmachen, dass ich seinetwegen unentwegt sterbe?

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