Wintertag, blau.

Sonett zum Thema Verlassenheit

von  Walther

Wintertag, blau.

Der Wintertag verkleidet sich in Blau,
Und Vögel rufen von den Dächern: Liebe!
Die Sonne kitzelt fast vergessne Triebe:
Wie dieses feine Spielchen ging, genau

Weiß das vielleicht der kleine freche Spatz,
Der in der Hecke zarte Liedchen flötet.
Ob seine Angebetete errötet?
Sie ist ja auch ein wunderhübscher Fratz!

Der Mann, der winterlich und warm gekleidet
Den Weg ins Freie sucht, sich zu ergehen,
Es scheint beinahe, dass er sie beneidet:

Er bleibt versonnen still und leise stehen,
Weil er an einer großen Leere leidet,
So manifest, man kann sie sogar sehen.

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Kommentare zu diesem Text


 Isaban (02.02.18)
Hallo Walther,

ich mag deinen Text wegen der stimmungsvollen Niedlichkeit der Beschreibungen in den Quartetten, die so gut zu den Spatzen passt, auch wenn ich deren Geschilpe nicht unbedingt als zartes Liedchen bezeichnen würde. Vielleicht würde auch ein Diminutiv (S1, V4 Spielchen, S2, V2 Liedchen) zur Unterstreichung der Niedlichkeit genügen, aber das ist wohl Geschmackssache. Ebenso ist dieses Erröten der Spatzendame Geschmackssache. Ich bin eher Naturmensch und würde eine Vermenschlichung dieser Art eher "dass seine Angebetete beinah errötet" umschreiben, aber du weißt ja, wat dem een sin Uhl, is dem annern sin Nachtigall.

Mit den Terzetten hadere ich ein wenig. Mir stößt in S3, V2 das "ergehen" auf. Es entspricht einfach nicht mehr den heutigen Sprachgebrauch und auch in diesem Falle nicht wirklich dem sonstigen Sprachgebrauch des Textes.
In S3, V3 stört mich das "es". Wenn dieses "es" für die Spatzen steht, fände ich dort ein "sie" besser, ansonsten ist mir kein Nomen ins Auge gefallen, auf das sich dieses "es" beziehen könnte.

Hinter "versonnen" in S4, V1 würde ich ein Komma setzen.

Die Großschreibung zu Versbeginn, sofern es sich nicht um Nomen oder Satzanfänge handelt, konnte ich noch nie leiden, was aber vermutlich auch eine persönliche Befindlichkeit darstellt. In diesem Text hier jedoch empfinde ich sie regelrecht als störend, weil sie jeden Versbeginn wie einen Satzanfang dastehen lassen und den Lesefluss auf diese Weise an relativ ungünstigen Stellen stoppen. Was würde der Text verlieren, wenn mal ein Versbeginn ohne diese salbungsvollen Großbuchstaben zu lesen wäre?

Liebe Grüße

Sabine

 Walther meinte dazu am 02.02.18:
Hi Sabine,
danke für dein freundliches statement. so mag ich das: man bekommt gesagt, was gut ist, und, als bonus oben drauf, was nicht gut ist.
ich habe deine anregungen zweifach aufgegriffen und s2v3 neu formuliert. außerdem habe ich in s3v3 das "es" in ein "sie" geändert - ganz wie du es vorschlugst.
deine kritik an s3v2 verstehe ich natürlich, aber sie hat einen guten grund, und es ist nicht der reim, dem sie geschuldet ist. es geht um das bild, das "ergehen" transportiert, auf das es mir hier ankommt. im "ergehen" steckt etwas hochgradig "lustvolles", und das ist hier richtig am platz.
danke, vielmals danke!
lg W.
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