Galerie der Weicheier

Lehrgedicht zum Thema Erfolg

von  eiskimo

Verloren hat, wer leidet.
Und nur wer hart ist, scheitert nie.
Du leidest viel, du meidest
die Sieger, doch beneidest sie.
Die gehn echt ran und fighten,
da gehst du schon in die Knie.
Du sagst, Gott , bloß nicht streiten,
schenk uns doch kampflos Harmonie!
Wer sich stets so entscheidet,
für diese  Weg-Duck-Strategie,
der kommt am Ende gleitend
glatt in die Weichei-Galerie.


Anmerkung von eiskimo:

Aus meiner Gedichte-Reihe: Deutsche Tugenden

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Kommentare zu diesem Text


 Momo (05.05.19)
Ich ess zum Frühstück lieber ein weiches, die harten sind so staubtrocken.

Wer „hart ist“, hat schon verloren, weiß es nur noch nicht.
Dein Lehrgedicht bedient das Klischee der Ellenbogengesellschaft, nur wer rücksichtslos kämpft, kann siegen. Alle anderen sind harmoniesüchtig und verfolgen eine „Schmuse-Strategie“.
Ist diese Mentalität nicht längst überholt? Stichwort: emotionale Intelligenz, Teamwork.

LG

 eiskimo meinte dazu am 05.05.19:
Wie Du meiner Anmerkung entnehmen kannst, spiele ich hier mit dieser "Tugend" der Härte, die hierzlande ja noch gerne hoch gehalten wird.
Der "Kampf um Harmonie" bringt mit "weichen " Mitteln wahrscheinlich auch mehr und dauerhafteren Erfolg.
Auf alle Fälle sind viereinhalb-Minuten-Eier die besseren!
Ei-skimo

 monalisa (05.05.19)
Hallo Eiskimo,
dein Gedicht fokussiert die beiden Pole einer Streit(un)kultur, die in unsere Gesellschaft verbreitet ist, die Stahlellbogen-Ego-Kämpfer (die aber auch nicht immer siegreich sind) und die harmoniesüchtigen Looser, die jedem Kampf im Vorfeld schon ausweichen, weil es zu anstrengend zu mühsam, zu aufwendig ist.
Ich denke, dass beide letztlich Verlierer sind und die Gesellschaft sowieso: der Ellbogentyp, der allein dasteht, auch dann wenn sein Kräfte nachlassen oder ein Gegner allein gar nicht bezwungen werden kann, der Harmoniefreak, der nie bekommt, was er eigentlich will, weil er um des lieben Friedens willen immer kleinbeigibt. Auf sachlicher Ebene respektvoll streiten zu können, andere Anschauungen gelten zu lassen, ohne sie selbst annehmen zu müssen, Konflikte abzuklären und gemeinsame Lösungen zu suchen … das würde uns schon einen großen Schritt vorwärtsbringen.
Letzten Endes, oder besser schon ganz zu Anfang, muss jede/r für sich klären, wieviel Energie er/sie für welche Streitpunkte aufwenden möchte. Nicht alles ist auch des Streitens wert.

Zum Aufbau des Gedicht:
Diesen Haufenreim finde ich sehr gelungen
Du leidest viel, du meidest
Sieger, doch beneidest sie.
weil er den Sog abbildet, dem der ‘Vermeider‘ ausgeliefert ist, wie ich die übrigen die Reime gut finde, weil sie sich nicht aufdrängen. ‘entscheidet‘ und ‘gleitend‘ ist zwar nicht ganz sauber, das ließe sich sicher noch ändern, aber es stört mich auch nicht wirklich.
Ich weiß, das ist hier kein Wunschkonzert, aber wenn ich einen Wunsch äußern dürfte, dann den nach einer metrisch einheitlichere Gestaltung. Es sind mir zu viele Stolpersteine und Reibepunkte hier. Mich deshalb mit dir streiten will ich nicht 😉, ich merke es einfach mal als eine (unter vielen) Lesermeinung(en) an.
Liebe Grüße
mona

 eiskimo antwortete darauf am 05.05.19:
Liebe Mona!
Ich freue mich über Deine so eine profunde Kritik - die unsauberen Stellen spüre ich auch, aber den letzten Schliff kriege ich nicht wirklich hin. Hilfen nehme ich dankend an.
So macht mir "Streiten" jedenfalls Spaß
lG
Eiskimo

 monalisa schrieb daraufhin am 06.05.19:
Alle Achtung, Eiskimo, das ist ja schon ziemlich gut geworden 😊!

Gott duckt sich zwar immer noch in eine Senkung, dein LI scheint nicht so recht an dessen Allmacht zu glauben. Das nehm ich ihm sogar ab 😉.

Ich freue mich sehr, dass du so positiv auf Kritik reagierst, so macht Textarbeit richtiig Spaß 😊.

Liebe Grüße
mona

Antwort geändert am 06.05.2019 um 21:46 Uhr

 Isaban (05.05.19)
Hallo eiskimo,

sowohl was das Lob als auch was die Kritik angeht, möchte ich mich mona anschließen: Die Textidee ist gut, das Thema spannend, die Reime (insbesondere auch die Binnenreime) sind gut gesetzt, einzig die - nun sagen wir mal - innovative Metrik mindert das Lesevergnügen - und "Gott" an ambivalent betonter Stelle ist beinahe schon ein Sakrileg.

Falls Bedarf besteht, ixe ich dir gern einmal die Betonungen durch, damit du sehen kannst, wo der Text, der eine Überarbeitung ganz gewiss wert ist, noch hoppelt.

Liebe Grüße
Isaban

 eiskimo äußerte darauf am 05.05.19:
Liebe Isaban!
Was ich Mona geantwortet habe, adressiere ich auch an Dich. Gerne lasse ich mir beim Feinschliff helfen. Ein paar Stellen gefallen mir auch so schon.
Danke im Voraus
Eiskimo

 Isaban ergänzte dazu am 05.05.19:
Voilà, die angekündigten Xe:
X = betonte Silbe, x = unbetonte Silbe.

Wünschenswert wären - sofern Abweichungen nicht (wie in V6) als stilistisches Mittel zur Unterstreichung des Textes angedacht sind - gleichartige Auftakte (bei diesem Text hier also entweder Jambus, also alternierende Betonung bei unbetontem Versauftakt oder Trochäus, also alternierende Betonungen bei betontem Versbeginn) und adäquate Silbenanzahl innerhalb der Verse (z.B.: Jeder Vers mit weiblicher/unbetonter Kadenz sollte die jeweils gleiche Silbenanzahl zeigen, wie die anderen Verse mit weiblicher Kadenz/unbetonter Schlusssilbe, jeder Vers mit männlicher Kadenz ebenfalls jeweils die gleiche Silbenanzahl, wie die anderen Verse mit männlicher Kadenz, Verse mit unterschiedlichen Kadenzen zeigen üblicherweise unterschiedliche Silbenanzahl).

Du hast in deinem Text, ganz gleich ob Jambus oder Trochäus, in jedem Vers sieben Silben. Der Text beginnt jambisch, dann alternieren jeweils trochäische und jambische Verse, was das Lesen erschwert und beim Leser den Lesefluss stocken lässt, auch wenn ein relativ regelmäßiges Schema verwendet wurde. Dann braucht es nur noch ein paar kleine Betonungshupfer innerhalb der Verse und schon hoppelt und stoppelt die gesamte Angelegenheit, weil der Leser nicht in den intendierten Rhythmus findet.

Meine Vorschläge/Anregungen in den Klammern neben deinen trochäischen Versen zeigen jambische Alternativen auf, die dann bei männlicher Kadenz acht Silben und vier Hebungen aufweisen.

Liebe Grüße

Isaban

Verloren hat, wer leidet.
xXx X x Xx (Jambus, drei Hebungen, sieben Silben bei weiblicher Kadenz)

Nur wer hart ist, verliert nie
X x X x xX x (Trochäus, vier Hebungen sieben Silben bei männlicher Kadenz, vielleicht „Wer richtig hart ist, jammert nie“?)

Du leidest viel, du meidest
x Xx X x Xx (Jambus, drei Hebungen, sieben Silben bei weiblicher Kadenz)

Sieger, doch beneidest sie.
Xx X xXx X (Trochäus, vier Hebungen, sieben Silben bei männlicher Kadenz, vielleicht „die Sieger, doch beneidest sie.“?)

Die gehn echt ran und fighten,
x X x X x Xx (Jambus, drei Hebungen, sieben Silben bei weiblicher Kadenz)

da gehst Du schon in die Knie. (bleibt so)
x X x X x x X (Hübsch, wie hier auch die Metrik in die Knie geht!)

Gott, sagst Du, bloß nicht streiten,
x X x X x Xx oder X x X x x Xx ("Gott" an unbetonter Stelle ist sehr ungewöhnlich, aber die beiden unbetonten Silben der anderen Betonungsvariante könnte ich stilistisch nicht begründen. Aufgrund der weichen Knie im Vorvers holpert der Leser weiter durch den Text. Vielleicht „Ach Gott, sagst du, nicht streiten,“?)

schenk uns kampflos Harmonie!
X x Xx XxX (Trochäus, vier Hebungen, sieben Silben bei männlicher Kadenz. Eventuell „schenk uns doch kampflos Harmonie“/“beschenke uns mit Harmonie“/“oh, schenk uns kampflos Harmonie!“ o.ä.?)

Wer sich stets so entscheidet,
x X x X xXx (Jambus, drei Hebungen, sieben Silben, weibliche Kadenz)

für die Schmuse-Strategie,
X x XxXxX (Trochäus, vier Hebungen, sieben Silben, männliche Kadenz. Eventuell „für diese Schmusestrategie“?)

der kommt am Ende gleitend
x X x Xx Xx (Jambus, drei Hebungen, sieben Silben, weibliche Kadenz)

in die Weichei-Galerie. (auf die Schnelle noch keine Idee, sorry)
X x Xx XxX (Trochäus, vier Hebungen, sieben Silben, männliche Kadenz)

 eiskimo meinte dazu am 05.05.19:
Liebe Isaban!
Ich bin fast beschämt bei so viel professioneller Hilfe - werde den Abend mit Hebungen und Senkungen verbringen. Die graphischen Hilfen sind wichtig, ich hoffe, es damit auch einmal selber zu erspüren. Jedenfalls allerherzlichsten Dank schon einmal
bonsoir et merci
Eiskimo

 eiskimo meinte dazu am 06.05.19:
Habe einiges geändert - ich hoffe, zum Guten hin!
Nochmals Danke
Eiskimo

 Regina (05.05.19)
Streiten, aber wie, ist der Überlegung wert. LG Gina

 eiskimo meinte dazu am 05.05.19:
Spaß hatte ich, wenn dabei Kopfkissen in Fetzen flogen....
Jetzt neige ich eher zum Weichei...
LG
Eiskimo
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