Psychiatrie-Tagebuch

Text zum Thema Psyche

von  Koreapeitsche

Inhaltsverzeichnis

Nachbemerkung

Teil 2
 
 
 

 
 
Seite 13
 
Koch nannte das ein Dilemma. Der Vater von Harald Thiel, der auf der Fritz-Reuter in
meiner Klasse war, ist auch hier, wahrscheinlich wegen Demenz. Er hatte vorhin von seiner Ehefrau und Harald Besuch. Ich spielte vorhin Kicker, löste Sudoku, unterhielt mich mit einem Entmündigten über Prostitution, bin in Zimmer 1 einquartiert worden. Ich mache regelmäßig Ki-Übungen _ftn7">[7].
Mein Zimmerkollege kommt aus Niedersachsen, hat ein Yamaha-Keyboard zu Hause, eine Glatze, machte Jiu Jitsu, ist seit Juli ’92arbeitslos, heißt Marcel und scheint ok zu sein.

 
 
 
Seite 14
 
Do. 19.02.2009
 
Der Dr. Kruse hat mich gerade gezwungen, eine Risperdal zu nehmen. Er sagte, er hätte mir das sonst unter Gewaltanwendung einflößen lassen. Ich forderte seit gestern Abend einen Beipackzettel. Es hieß, den bekomme ich nach der Einnahme. Schließlich nahm ich die Tablette. Gestern sprach ich Philipp Hirschfeld auf den AB. Ich werde noch bei Fr. Isermeyer anrufen. Ich rief heute auch um 7.20 Uhr bei der Polizei unter 110 an. Sie versprachen erneut jemanden vorbeizuschicken.
 

 
 
 
 
Seite 15
 
Fr. 20.2.2009
 
Ich habe heute Morgen wieder eine Risperidon-Tablette bekommen (Risperdal). Gestern Abend wurde dieses Medikament auch in einer New Yorker Fernsehserie erwähnt. Das fand ich sehr kritisch und  kontrovers. Der Fernseher hier hat eine sehr schlechte Akustik, als befinden sich die Lautsprecher in einem Nebenraum. Gestern rief Philipp Hirschfeld an, kündigte an, dass er mich heute besuchen würde. Das hat er auch, kam, nachdem ich gefrühstückt und die Tablette eingenommen hatte. Wir saßen uns im Aufenthaltsraum eine Viertelstunde gegenüber. Er hatte mir eine Mopo _ftn8">[8], Badelatschen
 
 
 
 

 
 
Seite 16
 
und eine Kladde zum Schreiben mitgebracht. Er erzählte, dass außer Jörn und Christoph sogar auch
Sönke schon hier einquartiert war, wegen Depression. Jörn soll mal aus Frust in die Förde gesprungen sein und versuchte nach Gaarden zu schwimmen, bis er von den Wasserpolizisten aufgefischt wurde.  Christoph soll nachts um die Häuser gelaufen sein und wurde morgens mit einer Kopfverletzung u.ä.  aufgefunden. So wie Philipp sich ausdrückte, war er selbst nur als Besucher hier. Öle hingegen war auf der Suchtstation in Elmschenhagen. Angeblich soll er viel im
 
 
 
ylogie für Anfänger: Einführung in die
 
 
Seite 17

Internet verspielen, arbeitet selbst nicht mehr als Spieleprogrammierer. Philipp erzählte von der Finnin,  die Mal auf Gut Knoop gewohnt hat und mit einem Engländer dort lebte. Als sie ausgezogen waren,  hinterließ der Engländer über 50 0,35-l Kornflaschen, alle leer. Ich erzählte wiederrum, dass mein Vater  kistenweise „Ballentines“ im Keller gehortet hat, manchmal zu Feiern ganze Kisten „Ballentines“  verschenkt und selbst jedes Wochenende eine Flasche dieses Whiskeys trinkt. Ich erzählte ihm, was zu meiner Einlieferung geführt hatte.
 
 

 
 

 
 
Seite 18

Ich erzählte auch von dem Vorfall mit den Glatzen, ca. sechs Mann, im „Holsteiner“ _ftn9">[9] am vorletzten Samstag, erzählte vom Streit auf dem Klo, dass er mir dort „eine reinhauen“ wollte, und dass ich  entgegnete: „Das klären wir mit den Türstehern!“ Die Türsteher holten den Skin und seine Kumpanen aus dem Laden heraus, der Skin mit seiner weißen Jacke und der Aufschrift „Replay“ auf dem Rücken stand kurz vor mir, musste danach den Laden verlassen. Ich sah später den größten der Glatzen, ca.  190 cm groß, draußen vor dem Holsteiner über den Bastzaun gucken, dachte deshalb, dass die mich noch abfangen
 

 
 
 
 
Seite 19
 
wollten, erzählte auch, dass ich als einer der letzten ganz zögerlich den Laden verließ und noch Angst  hatte, dass die mich noch verfolgen könnten. Philipp sah schließlich auf die Uhr, ich begleitete ihn bis zur „Schleuse“ und trug ihm Grüße an Heimert, Sönke und Öle auf. Zum Mittag gab es Milchreis mit Kirschen, danach legte ich mich für eine Stunde hin und duschte. Hr. Thiel scheint sehr verwirrt zu sein. Ich finde es gemein, dass „die“ nicht einmal diesen 82-Jährigen für einen kleinen Spaziergang an die  frische Luft lassen.
 

 
 
 
 
 
Seite 20
 
Philipp riet mir, ich solle den Aufenthalt als Kur zur Erholung verstehen. Heute war wieder Visite,  allerdings ohne Oberarzt Dr. Koch, jedoch mit Dr. Kruse, einem weiteren Arzt und zwei Schwestern. Dr. Kruse sagte mir, dass er mit mir am Montag und Dienstag ein weiteres längeres Gespräch führen wolle. Gestern machte Dr. Kruse ja mit mir einen Reaktionstest. Heute sollte ich wieder ein wenig erzählen,  erzählte wieder von dem „Vorfall“ des Bewerbungsgesprächs. Ich gab auch den Brief an Dr. Schaaf vorne im Büro ab.

 
 
 
 
Seite 21
 
Die Schwesternschülerin ging eben um 19.49 Uhr. Ich spielte mit ihr drei Partien Dame. Sie gewann das erste Spiel, ich das zweite. Das dritte konnte nicht entschieden werden. Ich hatte nur noch drei Steine,  die jedoch im Dreierkombinationen lagen (Mühle). Sie schloss eine Mühle. Ich bezweifelte, dass sie mir einen Stein aus der Mühle nehmen durfte. Wir konnten das Problem nicht klären. Der eine Patient  rauchte eine Zigarette im Gruppen- bzw. Aufenthaltsraum. Er schaute mit der Zigarette in der Hand in den Raum von Frau
 
 
 

 
 
 
 
Seite 22
 
Lambrecht, die blonde Schwesternschülerin sagte: „Bitte rauchen Sie hier nicht!“ Und der Mann ging weg. Es war der Typ, mit dem ich am Dienstag Tischfußball spielte. Dr. Kruse sagte heute am frühen Nachmittag zu Hr. Thiel: „Warten Sie bitte solange in ihrem Zimmer!“ als er angezogen an der  Ausgangstür wartete. Er wollte einen Spaziergang machen, sollte aber auch umquartiert werden. Mittlerweile ist er auf einer anderen Station untergebracht. Ich hatte Besuch von Hr. RA Fitza. Er hatte eine
 
 
 

 
 
 
 
Seite 23
 
Referendarin dabei, gab mir am Ende des 10-minütigen Gesprächs seine Visitenkarte. Er bot mir auch  an, mir Unterwäsche und Strümpfe vorbeizubringen. Er sagte, ich hätte mich am Mittwoch in einem schlechten Zustand gezeigt. Ich sagte, ich wolle nach Schweden oder Irland auswandern. Hr. Fitza bot mir auch an, mich beim Jobcenter zu unterstützen. Ich fuhr wieder auf den Vorfall bei dem Bewerbungsgespräch bei „Cabana Rodizio“ ab. Ich sagte ihm auch, dass ich manchmal
 
 


 
Seite 24
 
vermute, dass Dr. Kruse sich an mir rächen möchte, weil ich das Zip kritisiert habe, ich soll als krank  gelten, damit sich die Beschuldigungen als haltlos erweisen. Vielleicht will er so seinen Job retten. Ich weiß nicht, ob er von Prof. Aldenhoff wegen der letzten Beschwerde einen Rüffel bekommen hat. Ich bin jedenfalls jetzt der Gelackmeierte, obwohl ich monatelang alle neg. Vorfälle notiert habe. Oder gerade deshalb? Ich sollte viele kl. Probleme hier nicht so ernst nehmen. Aber das mit dem kalten Rauch als Nichtraucher finde ich nicht so gut.
 


(Fortsetzung folgt)




 _ftnref7">[7] Eine Art dynamische Gymnastik zum Energieaufbau.
 _ftnref8">[8] Hamburger Morgenpost
 _ftnref9">[9] Bar-Kneipe im Holsteinstadion.


Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram