Früher war alles anders

Text

von  Mondscheinsonate

"Dear Lädis and Tschentlemen", ertönte es aus den Lautsprechern, "Wälkome to the train from Wiena to Zürich Hauptbahnhof. In the middle of the trän there is a restaurant car with a card tälefon. If you have any queschtions, pliese ask the zuginformätor."  

Ja, so war das und dann "We wish you a pläschent tschörni."

Heutzutage ist das natürlich anders, alles eleganter, selbst das Englisch. Und, es war auch leichter aus der, nämlich dieser Stadt zu entfliehen, schlussendlich war sie grau und grau und immer noch grau, wenn man lange über sie hinauskam, irgendwann wurde es dann grün, hügelig, fröhlicher, danach kamen die hohen Berge. Die Strecke war und ist entzückend, wunderbar. Nicht so die andere Strecke, Richtung Semmering, die Südbahnstrecke, schon der Bahnhof war eine widerwärtige Katastrophe, jetzt ist er schön, wunderschön modern, aber früher nur grau und düster, dann stieg man in die verrauchten Züge ein, damals durfte man noch im Zug rauchen, fuhr von einer Tanne zur nächsten Föhre, die ganze Strecke war langweilig, öd, Felder über Felder, nichts Interessantes. Das ist aber noch immer gleich. 

Es hat sich viel geändert in Wien, überhaupt die letzten 20 Jahre. Alteingesessene Geschäfte wurden geschlossen, sei es, wegen einer Pensionierung und Nachfolgermangel oder mangelndem Interesse an den Gegenständen, auch wegen Geldgier der Hauseigentümer, die Mieten stiegen ins Unermessliche, so konnten sich irgendwann nur noch die großen Ketten in der Innenstadt breitmachen, die, die jede Stadt uniformieren, in Einheitsbrei verwandeln, man gähnt, Bangkok ist gleich wie Wien oder Berlin oder New York auf den großen Straßen, man zuckt nur noch mit den Schultern, geht, denkt sich: "Das kenne ich."

Dennoch, mit ihnen kam der Glanz, die Stromverschwendung, das Unpersönliche, aber auch das Leuchten, die Überteuerung, die Preistreiberei, die Alten verschwanden gänzlichst. "Ganz Gallien?" Nein. Es gibt schon noch vereinzelte Traditionsbetriebe, aber die kann sich unsereins nicht leisten. Maßanzug für den Herren, Eleganz für die Dame, überteuerte Kosmetik für beide, schließlich auch Lingerie für erotische Stunden, unbezahlbar.

Es kam mehr Licht und mit diesem der Nobel, der Glanz, auch wurden die Häuser weiß oder rosé gestrichen, die Fenster geputzt, damit die Preise glänzen. Von 1,5 Millionen Schilling zu 10 Millionen Euro kostet die Wohnung nun. Immerhin. Was ein Anstrich alles macht. Früher standen dort die Nutten, irgendwo, man glaubt es kaum, zum Beispiel vor der Pestsäule am Graben, zweispurig fuhren die Autos vorbei, jetzt flanieren reiche Russen und Ukrainer, Perser und Japaner, zu Silvester machen die Italiener Krach, dazwischen kaufen sie alles, was sie nicht brauchen. Die Nutten sind längst weg. 

Die Stadt wurde grüner, grüner als grün, die Grünste überhaupt, Preise gewinnt sie, als grünste Stadt, es grünt so grün. Sehen wir genauer hin, im Grün die Hundescheiße, überall, es kostet 50 Euro Strafe, das schert nicht. Ich las: "Demo gegen die Errichtung des Grünstreifens und Fahrradweg. Anrainer, wehret Euch! Sie nehmen uns die Parkplätze weg!" Ja, das ist wahr, ich las den Zettel und schüttelte den Kopf. Allein der Duktus! In Wahrheit ist sie mancherorts noch BRAUN. Nun, das ist eben die Stadt, schön haben will es jeder, aber Bequemlichkeit dafür aufgeben sicher nicht, dazwischen scheißen die Hunderln, dabei gibt es "Sackerln für's Gackerl" gratis und der Slogan ist nicht von mir, sondern von der Stadtverwaltung.

Nein, man muss nicht wegfahren, bei uns ist es doch schön! Man braucht uns nicht eine "Pläschent tschörni" wünschen, nicht mehr, früher war alles anders, da wollte man nur weg, aber jetzt ist alles wunderbar. Am Kahlenberg stehen und ein Zigaretterl rauchen, in die Ferne blicken, dutzende, halbleer stehende Hochhäuser ansehen, teuer waren sie, das Vermächtnis des vorigen Bürgermeisters, der wollte die (soviel zum Projekt) Hochhäuser wie "Sterne" um Wien bauen. Wer es sich leisten kann, der soll da hinein, meistens nur Kanzleien oder Versicherungen, auch Investment. Charme braucht keiner, nur Knödel, Knete, Moneten, der Quadratmeter EUR 30.000,00.

Aber, im Prater blühen im Frühling noch die "narrischen Kastanienbäume" und der Flieder, auf das kann man sich verlassen, ein Spaziergang ist gratis.


Hinweis: Der Verfasser wünscht generell keine Kommentare von Verlo.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Redux (26.11.23, 16:12)
Schön, wie du diese deine Stadt ( die ich leider noch nie besuchte) von vielen Seiten aus beleuchtest und manches Für und Wider abwägst. Und wie immer sehr locker geschrieben.....

 Mondscheinsonate meinte dazu am 26.11.23 um 16:22:
Lieben Dank.

 eiskimo antwortete darauf am 27.11.23 um 09:11:
Ich schließe mich dem Lob gerne an.
Dabei ist die Botschaft sehr traurig, denn letztlich verlieren bei diesem Aufmotzen der Städte ... die vielen Kleinen zum Vorteil einiger Großer.
LG
Eiskimo

 Mondscheinsonate schrieb daraufhin am 27.11.23 um 10:09:
Dankeschön.

 Beislschmidt äußerte darauf am 27.11.23 um 10:17:
Schön beschrieben.
Ich kenne noch den Westbahnhof, Gerngross, Herzmansky, Billateria und das Jazzland. Alles grau und Schnee von gestern.
Beislgrüße

 Mondscheinsonate ergänzte dazu am 27.11.23 um 10:20:
Das Jazzland gibt es noch immer :)
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram