Ein Besuch

Text

von  Mondscheinsonate

Krank und dennoch lernend sehne ich mich nach einer schönen Pause, weg von da, hin zu einer Straße, die es zwar noch gibt, aber nicht mehr in der alten Konstellation. Meine Gedanken versuchen das Straßenschild zurückzuholen, schön, endlich wieder dort sein, die strahlend weißen Häuser auf der linken Seite, jeweils drei Stockwerke hoch, Sascha, der fette Tigerkater mit dem ausgeschossenem Auge liegt auf dem Fensterbrett im Erdgeschoss und döst. Ich lächle, rufe: "Ja, Katzi! Schön dich zu sehen!" Dies lässt ihn unbeeindruckt wie immer. 

Auf der rechten Seite die Reihenhäuser mit ihren grünen Metalltüren, Omas war braun. Der Efeu wuchs über das Messingschild "Medizinalrat Dr.R.V."

Ich läute nicht, sondern gehe einfach hinein. Oma scheint nicht erstaunt zu sein, mich 23 Jahre nicht gesehen zu haben, aber ich bemerke schnell, dass sie mich gar nicht sieht, sagt: "Jessas Maria! Der Reifböck bringt mich noch um den Verstand!" Die Eingangstüre ist, wie immer, offen. Da hört man über die Mauer:"Frau Doktor, was habe ich schon wieder angestellt?" Ich lache, manche Dinge ändern sich nie. "Das wissen Sie ganz genau," sagt sie, kommt zur Haustüre und schreit über die Mauer, "Es stinkt derart nach Lack, das zieht sich in meine Polstermöbel!" Er lacht laut, antwortet: "Aber, Frau Doktor, ich bastel nur ein bisschen." Sie schnaubt:"Was zur Hölle basteln Sie?"

"Alles mögliche," kommt zur Antwort. "Dann basteln Sie, aber schneller!" 

Oma stampft wütend in rosa Plüschpantoffeln in die strahlend saubere Küche zurück, murmelt: "Selig sind die Verrückten, denn ihrer ist das Himmelreich!" - "Oma, geistig Armen," sage ich. Sie hört es nicht, geht durch mich hindurch und es schreckt mich kurz, geht zum Radiogerät und dreht es laut auf, es spielt "Autofahrer unterwegs", die Sendung hört sie jeden Tag, beginnt zu kochen. Da kommen Peggy und Tinka gleichzeitig in die Küche und schmiegen sich abwechselnd um ihre Beine. Sie hebt Peggy hoch, küsst den Kopf der Katze, setzt sie neben den Fernseher und öffnet eine Dose Gourmet, Tinka springt auch hoch, sie streichelt sie und gibt beiden Katzen etwas in ein Schüsserl. 

Ich gehe entzückt und selig aus der Küche und aus dem Haus, es stinkt wirklich fürchterlich nach Lack, es hat sich nichts geändert, denke ich, gehe ganz hinaus und nach vor zum Spielplatz, der leer ist, setze mich auf die Schaukel und wippe sanft hin und her. Dann stehe ich auf und gehe hinter die Reihenhäuser, auf die große Wiese, sehe, dass Opa das Fenster schließt und das Rollo herunterlässt. Ich winke ihm zu, er nicht zurück. Ein bisschen stehe ich noch, sehe, dass Frau Prohaska im Garten die Wäsche aufhängt und Tinka bereits wieder auf der Wiese herumstreift, sich fettgefressen in eine Mulde im hohen Gras legt. Der Lackgeruch ist auch hier vernehmbar. 


Meine Katze springt auf meinen Schoß und schnurrt, ich halte sie fest und streichle ihr Hinterteil, das sie hochhält. Mir wird warm ums Herz.  


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