Zur Frage des Antisemitismus

Kritik zum Thema Rassismus

von  Graeculus

• Menschen aufgrund ihrer Volks- oder Rassenzugehörigkeit in ihrem Wert herabzusetzen, ist ein Verstoß gegen die Menschenrechte und dumm obendrein. (Ein Aspekt: Araber sind ebenso Semiten, wie die Juden es sind.)


• Oft wird Antisemitismus auf die jüdische Religion und deren Gläubige bezogen. Die drei monotheistischen Religionen – allesamt, nicht nur die jüdische! - halte ich nun für verderblich: Die Vorstellung, der Schöpfer des Uni- oder Multiversums habe uns Menschen auf unserem kleinen Planeten im Fokus seines Interesses, appelliert auf sehr unintelligente Weise an unsere Eigenliebe und Überheblichkeit: das unterstützt und vergrößert eine schwache Seite unseres Charakters. Beim Judentum ist es dann sogar ein bestimmtes Volk, das dieser Gott bevorzugt.


• Dennoch darf jeder Mensch gemäß seiner freien Entscheidung diesen Religionen anhängen und ihre Riten praktizieren, sofern sie nicht den Grund- und Menschenrechten widersprechen.


• In dieser Hinsicht gibt es nun einige kritische Fragen an die Religionen, auch an die jüdische: Wie steht es mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau? Ist die Beschneidung unmündiger Kinder eine Körperverletzung? Dürfen die Gläubigen sich sanktionslos von ihrer Religion abwenden?


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Kommentare zu diesem Text


 Terminator (16.12.23, 00:41)
Ist die Beschneidung unmündiger Kinder eine Körperverletzung?
Ja.
Dürfen die Gläubigen sich sanktionslos von ihrer Religion abwenden?
Christentum: Ja. Islam: Nein. Judentum: Keine Ahnung.



Und im Übrigen finde ich, dass Israel sich verteidigen darf, d. h. seine völkerrechtswidrigen Angreifer auch vollständig besiegen (bis zur bedingungslosen Kapitulation), und dass die Schuld an den zivilen Kollateralschäden in Gaza allein die Hamas trägt (die israelische Armee existiert nunmal nicht im linksgrün-thunbergischen Snowflakesafespace, sondern in der empirischen Realität, in der Naturgesetze gelten).

 Graeculus meinte dazu am 16.12.23 um 00:59:
Da jeder Jude ist, der Kind einer jüdischen Mutter ist (also nicht aufgrund eines Glaubensbekenntnisses), kann man nicht aus dem Judentum austreten; die Frage ist also, was passiert, wenn man sich von dem Glauben abwendet. Gibt es da eine soziale Ächtung? Was passiert, wenn man einen Nichtjuden heiraten will?

Der Rest Deines Beitrags bezieht sich auf den Staat Israel. Angesichts der jahrtausendelangen Verfolgung von Juden brauchen sie einen eigenen Staat zu ihrer Sicherheit. Und ein besseres Territorium als Palästina fällt mir dafür nicht ein. Auf der anderen Seite: die Palästinenser ... mit denen sollte man anders umgehen.

Die Schuld an den derzeitigen Verwüstungen im Gazastreifen trägt zum großen Teil die Hamas, denn sie führt Krieg gegen Israel in einer Art, die keine Unterscheidung zwischen zivilen und militärischen Objekten erlaubt. Wer will, daß keine Krankenhäuser bombardiert werden, der darf dort keine Waffen lagern und keine Komandostände dort einrichten. Die Hamaskämpfer sind ja nicht einmal durch eine Uniform von Zivilisten zu unterscheiden! Wer dermaßen systematisch das Kriegsrecht bricht, darf sich nicht zu seinem Schutz darauf berufen.

 Graeculus antwortete darauf am 16.12.23 um 01:02:
Daß man sich sanktionslos vom Christentum abwenden dürfe, trifft zumindest für die katholische Kirche nicht zu.
Der Staat sanktioniert den Kirchenaustritt nicht, die Kirche schon. Der Getaufte bleibt katholisch, was immer er tut; durch den Austritt begibt er sich in den Stand der Todsünde; er wird exkommuniziert, was bedeutet: er verliert alle Rechte eines Katholiken und behält alle Pflichten, vor allem die zur Beichte. D.h. er begeht ständig neue Sünden.

Bei den Protestanten weiß ich es nicht.

 Terminator schrieb daraufhin am 16.12.23 um 01:44:
In der Geistesgeschichte gab es viele zum Christentum konvertierte Juden. Was ist mit denen? Kommen sie ins Paradies der Christen oder wird der Gott der Juden sie bestrafen?

Über die Sanktionen der eigenen Religionsgemeinschaften gegenüber Renegaten wissen insbesondere Christen kaum etwas, weil sie nicht wesentlich spürbarer sind als ein verkraftbares Bußgeld. Auch das Judentum droht nicht mit der Machete.

 Regina äußerte darauf am 16.12.23 um 05:21:
Judenchristen stehen vom Christentum aus gesehen sogar höher als die Heidenchristen, die die anderen sind. So viel ich weiß, sanktioniert das Judentum die Konversion nicht. Rituelle Beschneidung ist bei den Juden üblich und wird als gesund und heilbringend angesehen. Es hat aber schon hohe israelische Politiker gegeben, die es an ihren Söhnen nicht vollziehen ließen. Die Gleichberechtigung der Frau ist eine europäische Idee und weltweit nicht vollständig verwirklicht. Israelinnen sind aber freier als ihre arabischen Nachbarinnen
Antisemitismus speist sich aus religiöser Motivation (sie haben Jesus umgebracht, obwohl die Römer ihn kreuzigten) und aus Werken der Rassenlehre, die die Juden als unterste moralische Stufe einordnen. In der Tat ist das Tote Meer der tiefste Punkt der Erde. Tiefe könnte man aber auch als tiefenpsychologisch kompetent einordnen. Die Gegnerschaft der Palästinenser bezieht sich auf den Zionismus und die Gründung des Staates Israel, wo die P. heimisch waren. Die Juden sind eine Ethnie und eine Religion, was für die anderen Religionen nicht gilt. Sind die Araber nicht Hamiten?

 Terminator ergänzte dazu am 16.12.23 um 05:29:
Von Ham, der die Scham des betrunkenen Vaters Noah vor seinen Brüdern lachend entblößte, stammen laut dem üblichen Christenrassismus die Afrikaner ab.

Das hier
In der Tat ist das Tote Meer der tiefste Punkt der Erde.
habe ich noch nie als Argument für die "moralische Minderwertigkeit" der Juden gehört.



Tiefe könnte man aber auch als tiefenpsychologisch kompetent einordnen.
Also auch Astrachan/Aqtau, Death Valley und Nordholland? In Deutschland wären dann die Ostfriesen geborene Jungianer.

 Regina meinte dazu am 16.12.23 um 05:53:
"Tiefe könnte man aber auch als tiefenpsychologisch kompetent einordnen." Unabhängig von der Geografie. 
Entsprechungsdenken: Wasserreligionen: Zoroaster, Judentum, Christentum: stehendes Wasser, Salzwasser, klares fließendes. Krebs und Perle sind dem Judentum zugeordnet. Die Theorie von der tiefststehenden Rasse fußt auf diesem Denken, ist aber den Juden feindlich gesinnt.
Der heutige Kampf um Israel ist aber einer, der von geopolitischen Interessen geleitet ist.




Antwort geändert am 16.12.2023 um 05:55 Uhr
Taina (39) meinte dazu am 16.12.23 um 22:00:
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Taina (39) meinte dazu am 16.12.23 um 22:09:
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 Graeculus meinte dazu am 16.12.23 um 22:48:
Ich stimme Dir in allem zu - natürlich auch dort, wo Du mir zustimmst. Danke für die mit fehlende Information über die Protestanten. Ich vermute allerdings, daß auch bei ihnen die Taufe eines unmündigen Kindes als unauslöschlich gilt.

Bei den Katholiken ist das Kirchenrecht ganz rigide. Allerdings hat die katholische Kirche in den letzten Jahren ihr Ansehen dermaßen ruiniert, daß es wohl kein Land mehr gibt (nicht einmal Irland oder Polen), in dem der Austritt aus der Kirche eine soziale Ächtung zur Folge hat.

Und ja, es ist auffallend, daß es auch atheistische Juden gibt, sogar sehr berühmte: Karl Marx, Sigmund Freud, Herbert Marcuse, Ernst Bloch, Woody Allen und sicher noch viele mehr. Sie sind halt ein Volk, das zusätzlich eine Spezialreligion hat.

Die Beschneidung sehe auch ich kritisch, mehr noch als die Kindstaufe im Christentum. Aber sie gibt es ja auch im Islam und ist keine Grundlage für Antisemitismus.

 Graeculus meinte dazu am 16.12.23 um 22:49:
Unter den Semiten verstehe ich eine Sprachgruppe (keine Rasse!), und zu dieser gehören auch die Arabischsprechenden.

 Graeculus meinte dazu am 17.12.23 um 00:39:
An Regina:

Ich kenne nur (von einem japanischen Autor, dessen Name ich vergessen habe) die Unterscheidung in Wasserreligionen (Hinduismus, Buddhismus), Wüstenreligionen (Judentum, Christentum, Islam) und Waldreligionen (germanische, nordische). Der Autor bezieht das auf die herrschenden klimatischen Verhältnisse (Indien: Wasser/Monsunregen als Gefahr; Arabien/Mesopotamien: Wassermangel als Gefahr) und leitet daraus bestimmte Charaktereigenschaften der Religionen ab: von duldend bis kämpferisch.
Zur Ausarbeitung der Waldreligionen ist er nicht mehr gekommen.

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 17.12.23 um 04:35:
@ Graeculus:

Darf man sanktionslos aus einer Religion austreten?

Die meisten Religionen beantworten das mit einem klaren "Nein". Dabei muss man noch nicht einmal selbst austreten wollen. So wurde in der frühen Neuzeit Spinosa wegen seinen Schriften aus seiner Gemeinde ausgestoßen. Der Bann über ihn wurde erst in diesem Jahrhundert erneuert. (Was viele jüdische Menschen nicht davon abhält, ihn als einen jüdischen Philosophen zu betrachten).

Aus der Sicht von Religionen ist das auch selbstverständlich, denn Gott/Götter ist/sind die Beherrscher*innen der Grundordnung der Welt. Wendet man sich von ihnen ab, wendet man sich von der Welt - hier: dem Guten in der Welt, dass es ja nur wegen Gott/Göttern gibt - ab.
Taina (39) meinte dazu am 17.12.23 um 07:26:
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 Graeculus meinte dazu am 18.12.23 um 17:50:
An Trekan:

Möglicherweise hängt es damit zusammen, daß zumindest die monotheistischen Religionen beanspruchen, den einzig wahren Gott zu vertreten. Der Apostat ist dann nicht nur jemand, der etwas anderes glaubt, sondern jemand, der etwas Falsches, Sündhaftes glaubt.
Das ist wohl vergleichbar mit der Einschätzung der Juden im christlichen Mittelalter: ihre bloße Fortexistenz schien gleichzusetzen mit der Feststellung: Jesus Christus ist nicht der Messias.
Ähnlich stünde es im Islam: Mohammed ist nicht der Prophet Gottes, sagt der, der vom islamischen Glauben abfällt.
Das hören sie nicht gerne.

Dagegen hat die heidnische Antike nicht einmal den Begriff der Rechtgläubigkeit entwickelt.

 Graeculus meinte dazu am 18.12.23 um 17:57:
An Taina:

Ich merke schon wieder, daß ich - obwohl schon lange aus der katholischen Kirche ausgetreten - immer noch katholisch denke, d.h. durch dieses mir in der Kindheit eingeimpfte Denken geprägt bin.

In der Geschichte seit der Reformation waren die Evangelischen ja nicht immer besser - man denke an die heftigen Auseinandersetzungen, z.B. zwischen Lutheranern und Reformierten.

Gewiß, durch eine Taufe nimmt man keinen physischen Schaden, und offenbar hat der Kirchenaustritt für Evangelische keine weiteren negativen Folgen. Wir haben hier im Dorf viele Pietisten ("Entschiedene Christen"), und ich bin mir nicht ganz sicher, was unter denen ein Kirchenaustritt für die Familie und die soziale Gemeinschaft bedeutet.

 Quoth (16.12.23, 09:57)
Die Vorstellung, der Schöpfer des Uni- oder Multiversums habe uns Menschen auf unserem kleinen Planeten im Fokus seines Interesses, appelliert auf sehr unintelligente Weise an unsere Eigenliebe und Überheblichkeit: das unterstützt und vergrößert eine schwache Seite unseres Charakters.
Ganz im Gegenteil: Es erweckt unsere Neugier, sie "ist Teil der natürlichen Ordnung. Vielleicht ist unser menschliches Bestreben, das Universum zu verstehen, nicht anders als der Wunsch eines Vogels zu singen ... Nach kosmischen Maßstäben erwacht unser Bewusstsein von der größeren Welt erst allmählich. Doch die Kraft selbst unseres begrenzten Verstandes ist so groß, dass er der Natur ihre tiefsten Geheimnisse entreißen kann." (Michiu Kaku: Hyperspace. Einsteins Rache) Und was die Verderblichkeit der  monotheistischen Religionen betrifft: Sie sind so verderblich wie Fleisch, das zu Gammelfleisch werden kann ... :D

 Graeculus meinte dazu am 16.12.23 um 22:56:
Wenn ich Dich recht verstehe, erweckt die Größe des Universums Neugier und Faszination bei Dir. So geht es auch mir. Mein Problem ist aber, daß ich nicht nachvollziehen kann, aus welchem Grund sich der Schöpfer des Gesamtuniversums gerade für unseren kleinen Ort besonders interessieren sollte - vor allem dann, wenn es auf den Tripstrillionen Planeten dieses Universum noch andere belebte, bewohnte geben sollte.

Dieses Mißverhältnis bzw. Mißverständnis erkläre ich mir so, daß es damals, als die monotheistischen Religionen entstanden sind, so schien, daß die Erde im Mittelpunkt des Universums stehe. Ein kosmologischer Irrtum, den man heute nicht mehr aufrechterhalten kann.
Ich sehe allerdings nicht, daß die moderne Kosmologie schon die gebührende Aufmerksamkeit in der Theologie gefunden hätte. Da ist die unserer Eigenliebe schmeichelnde Ansicht, wir seien die Krone von Gottes Schöpfung, zu stark.
Taina (39) meinte dazu am 17.12.23 um 07:36:
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 Graeculus meinte dazu am 18.12.23 um 18:02:
Gott hat - christlich gesehen - ja nicht nur unsere Entwicklung mit Interesse verfolgt, sondern dafür seinen einzigen Sohn geopfert. Macht er das auf anderen Planeten auch? Und von denen, zumindest von den Planeten, gibt es ja extrem viele. Ist Jesus da ständig unterwegs?
Nein, solche Fragen haben die Christen sich nicht gestellt, weil ihre Religion auf der damals gängigen, geozentrischen Kosmologie beruhte. In der Genesis ist das ja ganz deutlich.

 Dieter_Rotmund (16.12.23, 18:22)
Ist das nicht eher was fürs kV-Forum?

 Graeculus meinte dazu am 16.12.23 um 22:57:
Wozu soll es denn da passen? "Was beschäftigt mich gerade?" Dahinein könnte man natürlich alles Mögliche packen.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 17.12.23 um 09:46:
So ist es.

 Graeculus meinte dazu am 18.12.23 um 18:03:
Ich habe es jetzt dort einmal mit Überlegungen zum Sprachgebrauch versucht.

 TrekanBelluvitsh (17.12.23, 05:45)
Beim Judentum ist es dann sogar ein bestimmtes Volk, das dieser Gott bevorzugt.
Das ist ein entscheidendes Kennzeichen aller Religionen. Es ist halt nur von Religion zu Religion unterschiedlich, wie man Teil dieses Volkes wird. Denn würde Gott sein "Glaubensvolk" nicht in irgendeiner Art bevorzugen, würde ein entscheidender Grund wegfallen, Teil der Religion sein zu wollen. "Ihr könnt an mich glauben, aber wenn ihr das nicht tut, ist das auch ok und macht keinen Unterschied" ist nun einmal kein gutes Verkaufsargument für eine Religion.



Ob eine kritische Einstellung zur Religion herabwürdigend ist, ist eigentlich recht einfach festzustellen. Ich bleibe mal beim Antisemitismus*. Benutzt man bestimmte Stereotype nur für eine bestimmte Gruppe? Warum erinnert Masha Gessen die Kriegsführung der IDF an die Räumung der Ghettos in Osteuropa im Rahmen der deutsch-nationalsozislistischen Verbrechen? Warum erinner they die Taten der Hamas vom 7. Oktober 2023 z.B. nicht an das Wüten der SS-Einsatzgruppen in Osteuropa? Oder warum erinnert they das nicht an die Verbrechen des wilhelminischen Deutschlands im heutigen Namibia? Warum erinnert die Hamas niemanden an die SS? Dabei hatte die SS noch nicht einmal schriftlich fixiert, dass es die Pflicht eines jeden Deutschen sei, jeden Juden überall auf der Welt zu töten. (Die Hamas hat in ihrer Gründungscharter stehen, dass es die Pflicht eines jeden Muslims sei, Juden überall auf der Welt zu töten.)

Hier sind die Aussagen eben höchst problematisch. Es soll beim Leser der Gedanke "Israel = Juden = NS-Verbrechen" aktiviert werden. Und zwar nur im Bezug auf Israel/Juden. (Masha Gessens Gejammer von "Cancel Culture" hebt sie auf eine Eben mit dem großen deutschen Denker Thomas Gottschalk - aber das ist eine andere Geschichte.)

Und darum geht es eben: Macht man einer Religion "exklusive" Vorwürfe? Kritisiert man Dinge, die man andere Religionen - auch: säkularen Religionen wie dem Nationalismus - durchgehen lässt, oder sehr viel sanfter bemängelt? Tut man dies im Bezug auf das Judentum, ist der Vorwurf, dass solche Aussagen antisemitisch sind, völlig berechtigt. Dazu muss man selbst noch nicht einmal Antisemit sein.

Das Zauberwort heißt hier "Teilidentität". Dadurch, dass man bestimmte herabwürdigende Aussagen nur gegenüber einer bestimmten Gruppe zulässt, würdigt man auch diese bestimmte Gruppe herab bzw. würdigt sie stärker als andere Gruppen, die sich vergleichbar verhalten herab. Dabei muss man z.B. noch nicht einmal Antisemit sein. Antisemitische Aussagen wirken auf die Außenwelt wie antisemitische Aussagen und fördern so Extremismus gegenüber Juden.

Natürlich darf man Religionen kritisieren. Ich persönlich gehe dabei sogar noch insofern weiter als du, als dass ich die Trennung zwischen monotheistischen und polytheistischen aufgrund von scheinbarer Toleranz, die es meiner Ansicht nach gar nicht gibt, auch für problematisch halte. Aber das ist ein anders Thema. Im Zentrum unserer philosophischen, sozialen und kulturellen Betrachtung steht das Individuum. Jedes Individuum. Und darum hat z.B. auch das Ausmaß der Einflussnahme von Rechteverwaltern eines Individuums - z.B. Eltern für ihre Kinder - Grenzen. Oder sollte sie zumindest haben. Wenn ich das nicht sehe, kritisiere ich das. Ob als Grund für die Übergriffigkeit der Rechteverwalter Gott, Jehova, Allah, Buddha, Patchamama, Mütterchen Russland, "das Volk", "die schweigende Mehrheit" undundund angeführt werden, ist zweitrangig. Man muss halt bei einer begründeten Kritik bleiben. Und wenn es jemandem unangenehm ist, neben einem Juden, einem Chinesen, einem Bayern oder einem Ossi zu stehen, dass ist das sein/ihr Problem, es ist nicht das Problem des Juden, des Chinesen, des Bayerns oder des Ossis. Eine solche Umdeutung der eigenen Gefühle führen direkt in den Extremismus.

Davon abgesehen: Wenn wir Gefühle in den politischen Diskurs einbringen und als gutes Argument betrachten, können wir den ganzen Bumms hier eh dichtmachen und die Bombe schmeißen.



*=Antisemitismus ist ein historischer Topos. Ob noch andere Menschen de facto Semiten und keine Juden sind, spielt keine Rolle. Wir reden auch von Germanen, den Kyjiwer Rus und den Anasazi. Keine dieser Gruppen nannte sich selbst so und die namentliche Zusammenfassung suggeriert einen Zusammenhalt, den es so nicht gab.
Taina (39) meinte dazu am 17.12.23 um 07:43:
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 Regina meinte dazu am 17.12.23 um 08:08:
"Das ist ein entscheidendes Kennzeichen aller Religionen. "(dass sie für ein bestimmtes Volk da ist). Das stimmt nicht. Christentum, Islam und Buddhismus vereinen mehrere Völker. D. h. eine Person, die in Äthiopien, Griechenland oder Deutschland geboren ist, kann von Geburt an Christ sein, jemand aus dem arabischen Raum, Indien oder Indonesien kann trotz verschiedener Nation geborener Muslim sein. Juden aber gehören mehrheitlich ethnisch zum Volk Israel. Die russischen Juden gelten auch heute noch als Konvertiten. 

Antwort geändert am 17.12.2023 um 08:11 Uhr
Taina (39) meinte dazu am 17.12.23 um 08:09:
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 Regina meinte dazu am 17.12.23 um 14:59:
Das würde ja dann die anderen semitischen Völker auch betreffen. Aber es ist Judenhass, der grassiert.

 Graeculus meinte dazu am 18.12.23 um 18:12:
Viele Gedanken. Von der Gründungscharta der Hamas und ihrem Imperativ wußte ich nichts. Schrecklich.

Entsprechend meinen eigenen Neigungen möchte ich etwas zum Unterschied zwischen Monotheismus und Polytheismus sagen: Regina hat recht, daß Christentum und Islam sich nicht an ein bestimmtes Volk, sondern an alle Menschen wenden. ABER: Sie machen sehr wohl den (Wert-)Unterschied zwischen Rechtgläubigen, Andersgläubien und Ungläubigen. Und dergleichen gibt es in den polytheistischen Relgionen (denen, die ich kenne, also den antiken) nicht. Wenn deren Angehörige eine andere Religion kennenlernen, dann identifizieren sie deren Götter mit den eigenen. So die Griechen mit den ägytpischen Göttern (Interpretatio Graeca), so die Römer mit den griechischen (Interpretatio Latina). So, ihr habt da den Osiris? Das ist ja wie unser Dionysos! Usw. Das ist keine Grundlage für einen Religionskrieg, nicht einmal für eine Abwertung der anderen Religionen.

Mit Juden und Christen, die keinen anderen Gott anerkennen wollten, hatten sie dann ihre Schwierigkeiten, die Römer.
Taina (39) meinte dazu am 18.12.23 um 18:31:
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 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 18.12.23 um 22:10:
@ Graeculus:

Mit Juden und Christen, die keinen anderen Gott anerkennen wollten, hatten sie dann ihre Schwierigkeiten, die Römer.


Und genau dies zeigt den großen Fehler, polytheistische Religionen eine Art von größerer religiöser Freiheit zu unterstellen. Das polytheistische Religionen eher bereit sind, andere Götter zu akzeptieren, hat nichts mit einer Art von Toleranz zu tun. Sie tun das, weil es ihre Art der spirituellen Vorstellungen sind. Für polytheistischen gibt es eben viele Götter.

Das sieht man an zwei Beispielen aus der Antike sehr gut:

a.) Mit den Juden und Christen, Gruppen, welche die religiösen Standardmodelle der Römer nicht teilten, hatten diese Probleme. Selbstverständlich erwartete man im "spirituelle Rom", dass Juden und Christen die römischen Religionsvorstellngen/systeme/-vorstellungen teilten. Weil diese Gruppen es nicht taten, wurden - salopp formuliert - die Römer ganz schön böse. Folgerichtig behandelten sie Juden und Christen eben doch wie Heiden. Zumal die Juden auch noch das politische System Roms in Frage stellten. (Natürlich muss man dabei berücksichtigen, dass Religion und Staat in jener Zeit einer Einheit waren.)

b.) Die römische Umgang/ die römischen Beschreibungen der germanischen Religionen sind von dem gleichen Hochmut durchzogen, die jede Religion gegenüber anderen Religionen offenbart, besonders wenn es sich um "Primitive" handelt.

Man bemühte sich gar nicht darum, die germanische Götterwelt zu verstehen. Stattdessen ordnete man einen germanischen Gott samt seinen Aufgaben und Fähigkeiten einfach einem römischen Gott zu. So etwas mag als Hilfssystem für die Anfangszeit nützlich sein, doch die Römer bemühten sich niemals, darüber hinauszugehen. Im Gegenteil.

(Das Werk, durch das wie scheinbar am meisten über die Antiken Germanen wissen, ist die "Germania" von Tacitus. Dabei ist sie von Vereinfachungung, nicht Nachprüfbarem, Verallgemeinerungen und die Arroganz des Imperialisten durchzogen. Das fängt mit dem Bergriff "Germanen" an, der, als Benennung der Völker zwischen rechtem Rehinufer im Westen und dem Siedlungsraum der skythischen Völkern im Osten eine römische Verallgemeinerung ist.)

Die Götter jener Völker östlich des Rheines sind eben NICHT mit den römischen gleichzusetzen. Dies ist ein Zeichen für ein verkürztes religiöses Denken, dass sich selbst immer als einzig gültiges Referenzsystem benutzt und ist somit ein eindeutiges Zeichen für religiöse Intoleranz.

Noch deutlicher wird diese, wenn man sich vor Augen hält, dass diese Götter 1.) noch heute oft mit der Bezeichnung "germanisch" versehen werden, obwohl es nordische Götter waren - ok, das hat auch viel mit den antisemitisch-reaktionären Vorstellungen eines Richard Wagners zu tun, der viele der modernen Bilder von "den Germanen" mit seinen nationalistischen Erfindungen geprägt hat.
2.) Die bekannten Götternamen wie z.B Odin etc. sind keine allgemeinen Götter. Es sind die Götter der Oberschicht, der Reichen und Mächtigen jener Völker. Über den Volksglauben jener Zeit wissen wir durch die Römer wenig bis gar nichts. Das ist religiöse Blasiehrtheit at its best, die sich in gar nichts von dem Unterscheidet mit dem z.B. die Franklin-Expedition in den 1840er Jahren den "heidnischen Wilden" am Polarkreis begegnete. Was deren Tod war.

FAZIT:
Es ist völlig unangebracht, polytheistischen Religionen irgendeine Art von religiöse Toleranz zu unterstellen. Dies gilt für frühere Zeiten bis heute. Dies wird daran deutlich, dass deine scheinbarer Akzeptanz anderer religiöser Vorstellung (auch pseudoreligiöser Vorstellungen) immer an eine bedingungslose Akzeptanz der eigenen religiösen Vorstellungen ist. Was wie Toleranz erscheint, ist einfach nur die Art der religiösen Vorstellung und diese ist im Polytheismus ebenso sakrosankt wie im Monotheismus.

 Graeculus meinte dazu am 20.12.23 um 17:19:
An Taina:

Dann laß es mich so sagen: Manche Religionen erleichtern aufgrund ihrer dogmatischen Struktur diesen Machtanspruch, andere erschweren ihn. Wenn man andere Götter als Varianten der eigenen Götter oder "im Grunde die gleichen" ansieht, dann ist das schon etwas anderes, als wenn man sie als Götzen gegenüber dem eigenen, wahren Gott herabsetzt.
Hieronymus Bosch (573)
(17.12.23, 18:01)
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 Graeculus meinte dazu am 18.12.23 um 18:17:
Der Begriff "semitisch" stammt aus der Sprachwissenschaft, und in diesem Sinne habe ich gesagt, daß auch die Araber dazugehören. Selbstverständlich können diese dennoch judenfeindlich sein. Und selbstverständlich kann man diese Feindschaft "Antisemitismus" nennen. Man blendet dann arabischerseits diese (sprachliche) Gemeinsamkeit aus. Sofern die Feindschaft religiös gefärbt ist, ziehe ich den Begriff Antijudaismus vor.

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 18.12.23 um 22:26:
Begriffe, die in der öffentlichen Diskussion benutzt werden, auf ihren teilweise wissenschaftlichen Ursprung zurückzuführen, ist eine Verkürzung die den Blick auf die Art des öffentlichen Diskurs verstellt.

Zwei Beispiele:

a.) Der Begriff "Fremdschämen".

Gerne wird er für Peinliches im Internet verwendet. Und die Mehrzahl der Menschen, die ihn benutzen, sind sogar der festen Überzeugung, dass er eine Kreation der Internetgemeinschaft ist.

Tatsache: Ist falsch.

"Fremdschämen", bzw. "Fremdscham" ist ein Begriff aus der Psychologie, der das Phänomen beschreibt, dass die Handlungen anderer bei einem Menschen Scham auslösen, als hätten sie die Handlungen selbst begangen. Wenn diese chronisch und nicht steuerbar sind, ist Fremdscham eine Symptom für fortgeschrittene psychologische Probleme. Überraschung: Juckt die "Internetgemeinde" nicht.

b.) Der Begriff "Panzer".

Wenn ein militärisch nicht interessierter Mensch ein gepanzertes Fahrzeug mit Ketten sieht, spricht er von einem Panzer. Dabei macht es einen riesigen Unterschied, ob es sich um einen MBT, einen Schützenpanzer, einen Aufklärungspanzer, ein ITV, einen APC, ein IFV, einen Radschützenpanzer etc. handelt. Im öffentlichen Diskurs ist ein Panzer ein Panzer, ganz gleich wie unzureichend diese Bezeichnung auch sein mag, nicht nur aus technischer, sonder aus auch wissenschaftlicher Sichtweise. Trotz seiner Unschärfe verschwindet der Begriff "Panzer" und die Art, wie er benutzt wird, nicht aus dem öffentlcihen Raum.

 Graeculus meinte dazu am 20.12.23 um 16:50:
Es stimmt schon, daß Begriffe populär oft anders gebraucht werden als im wissenschaftlichen Diskurs. Meine persönliche Neigung läßt mich eher dem letztgenannten zuneigen.
Ich glaube oder hoffe nicht, daß ich mich trotz meiner Kritik an den montheistischen Religionen als Antisemit bezeichnen lassen muß. Es sei denn, man gebraucht diesen Begriff selbst als Waffe.
Hieronymus Bosch (573)
(18.12.23, 20:23)
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 Graeculus meinte dazu am 20.12.23 um 16:54:
Seichte Religionskritik? Das müßtest Du erläutern.

Juden sind zunächst Menschen, Mitbürger. Ebenso sind es Moslems oder Christen. Das heißt, sie haben ein Recht, ihre Religion in den Grenzen der Gesetze zu praktizieren. Und ich habe das Recht, Religionen zu kritisieren - im Rahmen der Gesetze, und das heißt nicht: in beleidigender oder unterstellender Form.

 Graeculus meinte dazu am 20.12.23 um 16:55:
Hieronymus Bosch: Bist Du der, den ich vermute und der hier momentan offiziell nicht schreiben darf? Das würde mir die Einordnung erleichtern.
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