Träume #2

Bericht zum Thema Traum/ Träume

von  Graeculus

In einem sehr langen Zug, gemischt aus Güter- und Personenwaggons, fahre ich ins Hochgebirge. Mit mir an Bord sind ehemalige Klassenkameraden. Die Stimmung ist fröhlich, wie bei einem Klassentreffen – was mich wundert, da ich die meisten meiner ehemaligen Klassenkameraden nicht mag. Auch ist uns bewußt, daß oben im Gebirge Freischärler und Guerilleros kämpfen, wir also mit der Gefahr eines Überfalls rechnen müssen.


Da der Zug sich langsam in Serpentinen in das Gebirge schraubt, gibt es Situationen, in denen die Spitze des Zuges relativ nahe an uns in Gegenrichtung vorüberfährt. Dabei sehe ich, daß an einzelne Waggons Lasttiere angebunden sind: Pferde, Esel und Lamas. Es sind graue, müde, schwer bepackte Tiere, die durch ihre Leitseile unerbittlich von der Maschine mitgezogen werden.


Bei einer Gelegenheit bekomme ich die Tiere von vorne zu sehen. Nun sind es Zweibeiner, d.h. sie gehen aufrecht, und entsetzt stelle ich fest, daß man ihnen allesamt die Schnauzen abgesägt hat. Man erkennt nur ihre angstvollen Augen und davor eine glatte Fläche mit Löchern statt Mund und Nase.


Ich bin von Mitgefühl ergriffen und denke: „Warum hat man ihnen das angetan?“
Plötzlich steht B. neben mir, und ich spüre, daß sie ebenso von Schmerz ergriffen ist. Leise beantwortet sie meine Frage, die ich nur gedacht, aber nicht ausgesprochen habe. „Ich weiß es auch nicht“, flüstert sie.


Für einen Augenblick, eine Sekunde vielleicht, erlebe ich eine tiefe Einheit zwischen B., diesen Tieren und mir.


B. ist verschwunden, die Fahrt des Zuges geht weiter. Weit oben im Gebirge müssen alle Passagiere aussteigen und in einen anderen Zug wechseln. Wir können aber nicht unmittelbar umsteigen, sondern müssen zunächst durch eine enge, röhrenförmige Wendeltreppe ein Stück nach oben klettern. Meine Klassenkameraden sind allesamt vor mir, ich bin der letzte. Und plötzlich sind sie verschwunden: nichts ist mehr von ihnen zu sehen oder zu hören. Diese Einsamkeit, die so oft Angst bei mir ausgelöst hat, ist diesmal überhaupt nicht bedrohlich. Unverdrossen und zuversichtlich klettere ich die Treppenwindungen hinauf.


[Traum vom 21. November 2003]


Hinweis: Der Verfasser wünscht generell keine Kommentare von Verlo.

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Kommentare zu diesem Text

Geist von etwas (99)
(06.03.24, 06:05)
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 Graeculus meinte dazu am 06.03.24 um 15:31:
Oh, das ist ja lange her, und ich habe mir damals zwar den Traum, aber nicht diesen Aspekt notiert. Ich vermute: farbig; jedenfalls war er von starken Emotionen begleitet, die sich auf die unglücklichen Tiere sowie auf B. bezogen. Vermutlich hat mich dieses eindrucksvolle Identifizierungserlebenis ermutigt, anschließend alleine und doch zuversichtlich die Treppe zu erklimmen.
Immerhin: Mit B. bin ich noch heute eng befreundet, während die jammervollen Tiere nicht mehr aufgetreten sind.

Antwort geändert am 06.03.2024 um 15:32 Uhr

 Augustus (06.03.24, 13:13)
Ein Traum aus mehreren Erlebnissen zusammengewürfelt. Ich tippe auf eine Mischung aus Erfahrungen aus Ägypten und einer anderen Reise, möglicherweise auch aus dem schauen eines Filmes. Möglicherweise gab es in Ägypten Unruhen, als der Besuch stattfand. Abgehackte Nasen könnten mit den Statuen etwas zu tun haben. 

Abgehackte Nasen könnten aber auch für ein anders Land stehen. Die fanatischen Katholiken demütigten die römischen götterstatuen. Gut denkbar, dass es eine Reise in Italien war. Die freischärfler könnten Diebe sein, die um die Ecken lauern. 

Andererseits wird erwähnt, dass mit einem Zug die Reise vonstatten ging und zwar in ein Gebirge. Österreich, vllt Schweiz. Es ist aber gut denkbar, dass es sich um ein fremdes Land außerhalb Europa handelt. 

Einerseits sprechen die Klassenkameraden dafür, dass man neugierig und freudvoll ist, also Reiselust verspürt in eine eigentliche unsichere Gegend. Wie gesagt, Ägypten oder vllt teile Afrikas könnte ich mir vorstellen. 

Die Klassenkameraden vermittelt das enthusiastische Gefühl einer Reiselust, die eine Art wieder „Jungsein“ vermittelt. Zudem transformiert diese Reiselust die Menschen im Zug in bekannte Gesichter. 

Präzisiert könnte es sich um eine Klassenfahrt handeln, wo grauculus die Lehrerrolle einimmt.

 Graeculus antwortete darauf am 06.03.24 um 15:38:
Du bist ja ein Traumdeuter! Aber Vorsicht: Es handelte sich um ehemalige Klassenkameraden, nicht um Schüler, die ich damals auf einer Klassenfahrt hätte begleiten können.

In Ägypten war ich nie, in Italien allerdings mehrfach. Bei den abgehackten Schnauzen handelte es sich eindeutig um Tiere, während den antiken Statuen oft Nase oder Arme fehlen.

Eine freudige Reiselust war damit nicht verbunden, eher das Gefühl vollkommener Verrätselung: der Aufenthalt in einer ganz undurchschaubaren Situation.
Gauguin (57)
(06.03.24, 14:58)
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 Graeculus schrieb daraufhin am 06.03.24 um 15:42:
Gestärkt fühlte ich mich.
Interessant, daß ich auf eine Deutung zustrebt, während ich damals von der Macht der Bilder beeindruckt war. Die Surrealisten hatten schon recht: Jeder Mensch ist ein Künstler ... in seinen Träumen.

Als ich noch gemalt habe (bis Mitte der 70er Jahre), habe ich immer surrealistisch gemalt: Träume.
Brot (39)
(09.03.24, 14:01)
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 Graeculus äußerte darauf am 09.03.24 um 23:44:
Du meinst, das war von meiner Traumschilderung beeinflußt? Dann aber in eigenständiger Art, denn von meinem Traum fehlt bei Dir die erste Hälfte.
An sich ist es natürlich nicht überraschend, wenn das, womit man sich wach befaßt hat, im Traum in irgendeiner Weise wieder vorkommt.
Da bin ich nun auf meinen Traum in der nächsten Nacht gespannt. Allerdings träume ich von Bekannten ebenso wie von Phantasiegestalten, aber nie von realen Menschen, die ich noch nie gesehen habe.

Antwort geändert am 10.03.2024 um 22:35 Uhr
Brot (39) ergänzte dazu am 10.03.24 um 12:45:
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 Graeculus meinte dazu am 10.03.24 um 22:38:
So kann die Übertragung funktionieren ... wobei das Erklimmen von Escher-artigen Treppen ja etwas von einer Sisyphos-Arbeit hat.
Und diesmal ist es Dir gelungen, bis zum Dach zu gelangen! Eine Entescherisierung der Treppe. Da wäre ich aber froh.
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