Angelina

Kurzprosa zum Thema Zeichen

von  souldeep

Illustration zum Text
Sie
(von souldeep)
l

Wer hätte schon voraus sehen können, was diese Sorte von Schlägen
für Folgen nahmen?
Waren es nicht die Alten, die immer sagten, dass ein paar Ohrfeigen
noch keinem geschadet hätten? Dass Disziplin etwas sei, was ein gewisser
Teil der Menschheit (damit war ja vorwiegend die Jugend gemeint,)
sich mit Züchtigung erst aneignen könne? Dass ein Klaps
hier und dort nur hilfreich und vonnöten gewesen sei?

Und doch.
Immer, wenn sie ihre Augen hob, ihr Gesicht auf dieselbe Höhe
mit einem Menschen ihr gegenüber hielt, zuckte sie automatisch
und beinahe ungesehen nach einem Sekundenbruchteil
in jene Duckstellung zurück.
Schon in jungen Jahren hatten sich die hochgezogenen Schultern
unmerklich verfestigt, sodass ihr Hals immer leicht gebogen und
verkürzt erschien.

Niemand hätte damals gedacht, dass sie sich derart zur Wehr
und zur Schau
stellen würde. Das war gar nicht vorstellbar!
Aus dem Mädchen, welches ein Ecken-Dasein lebte,
wurde über Nacht quasi ein Schillerfalter. Ein Nachtwesen.
Ein Schattenkind mit fraulichen Attributen.
Ihre dick schwarz umrandeten Augen ließen den stets empfindsamen
Zug um ihre Lippen noch stärker hervor treten. Selbst wenn sie diese
mit einem dunkelviolett übermalte, immer etwas zu weit über die Mundränder
hinaus, erahnte man darunter das Verletzliche. Das überaus Weiche in ihr.
Ihre Kleider bettelte, suchte und stahl sie sich von überall zusammen.
Hauptsache schwarz. Manchmal noch nachtblau oder eben pflaumenfarben.

Sie hatte plötzlich eine Aufgabe, einen Sinn – und darin entwickelte sie
Ausdauer und eine Menge Kreativität.
Wichtig war, dass es dunkel und ungewöhnlich aussah und, dass es erst mal
abschreckend auf die Bürger des Städtchens wirkte.
Das gelang ihr vortrefflich. Mit dem viel zu dick geschminkten Gesicht,
dem verfilzten, blauschwarz gefärbten Haar, der ungesund wirkenden
Blässe und den vielen Silberreifen und –bändern und Ösen, die sie überall
befestigte, sah sie aus, wie ein gefallener Engel.

Manchmal schlich sie sich in der Dämmerung von einer Hausecke
zur nächsten und machte sich einen Spass daraus, kleine alte Frauen
zu erschrecken, indem sie plötzlich hervortrat, ein Fauchen von ihrem
Dunkelmund stiess und beinah’ unabsichtlich die Damen leicht anrempelte.
Mit hämischem Grinsen hüpfte sie dann fort, während ihre Opfer
sich vom Schock zu erholen suchten…

Das war erst der Beginn.

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Kommentare zu diesem Text


 Maya_Gähler (17.06.07)
Ich bin gespannt, wie es weiter geht mit Angelina...
LG Maya

 souldeep meinte dazu am 17.06.07:
was bist du schnell um diese zeit noch, liebe maya!
:)
danke dir - ich auch, obwohl, ein bisschen hab ich schon
vorbereitet...natürlich...

:)

eine feine nacht dir,
kirsten
seelenliebe (52)
(17.06.07)
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 souldeep antwortete darauf am 17.06.07:
liebe anne - es liegt mir fern, dich in dieser weise sprachlos zu machen!
ich weiss eigentlich -und doch muss ich. es schreiben. manchmal.

so möchte ich hoffen, dass du mit mir diesen augenblick feiern magst,
wo keine schläge, wo keine erniedrigung, wo kein hirnloser trotz vonnöten...

sei lieb in diese nacht gewünscht, weich und sanft und liebevoll,
kirsten
seelenliebe (52) schrieb daraufhin am 17.06.07:
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Balu (57)
(17.06.07)
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 souldeep äußerte darauf am 17.06.07:
was bist du und die anderen beiden vor dir doch schnell?!!!
ich komme gar nicht nach...

ja. ich muss manchmal dieses dunkle von mir schreiben.
nicht als doku, sondern als ausdruck. dessen, was viel zu oft
übersehen...und erst im letztlichen auswuchs lediglich verflucht.
es begann alles viel früher...ganz leise und ungesehen...

dir ganz feine nachtwünsche - mögen diese gedanken von diesem
text dir fernbleiben heut nacht,
kirsten

 rela (18.06.07)
Ein toller Beginn! Da bin ich auch gespannt wie Du die
Geschichte weiterwebst. Liest sich super und ich freue mich schon auf den nächsten Teil. Wie wird Angelina sich entwickeln? Noch neige ich dazu, ihr Schicksal zu bedauern, aber sie scheint auch kleine boshafte Züge zu haben.
Liebe Grüsse von Rela

 souldeep ergänzte dazu am 18.06.07:
Liebe Rela,
da danke ich dir ganz herzlich für deinen Besuch bei mir...
und deine geweckte Neugier tut mir gerade gut in meinem
Schreiben.

Sei von Herzen lieb gegrüsst
Kirsten
zackenbarsch† (74)
(22.06.07)
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 souldeep meinte dazu am 22.06.07:
:)
eine jugendgeschichte in kinderschuhen...da ich neues probiere,
lieber Friedhelm.
so gut, dich dabei zu wissen!
ich hab einfach gerade den narren gefressen an dieser person
und freue mich, wenn es gelesen und mitgedacht und -empfunden
wird. auch hinterfragen ist erwünscht!

danke dir von herzen
kirsten
:)

 Persephone (04.07.07)
Hallo Kirsten,
als ich zu lesen begann, dachte ich mir: "Oh, nein... nicht schon wieder eine dieser Geschichten, bei der das Verhalten der Hauptfigur von früheren Schlägen herrührt... Klischees!". Das Thema wirkt in meinen Augen bereits sehr abgegriffen.

Allerdings ist diese hier doch keine "Geschichte, wie alle anderen", allein wegen deines sprachlichen Könnens.
Es ist eine Erzählung über Rebellion und Rache... in sorgfältig gewählten Worten und belebten Bildern...

liebe grüße und einen schönen Abend dir in die Schweiz!
*p*

 souldeep meinte dazu am 04.07.07:
das, du liebe, ist mir eine ehre, eine freude, ein heller schein!
(genau deine befürchtungen hatte ich auch...und trotzdem...)

hab ganz ganz berührten dank - und sei du in dein ländle gegrüsst,
kirsten
:)
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