Rauhnacht bei Familie Hilgers (Wichtel für Azu 20)

Erzählung zum Thema Geheimnis

von  GillSans

Draußen ist es kalt geworden.
Ich liege vorm Ofen und wärme mir mein dunkles Fell.
Heute ist Wintersonnwend. Die längste Nacht des Jahres.
Ach, ja, ich bin übrigens Kater Schnurr. Neben mir liegt der alte Hund.
Wie immer, wenn es kalt wird. Aber ich verteidige meinen Platz. Soll der sich mal nicht so ausbreiten, der olle Köter.
Wir leben hier zusammen in einer Reihenhaussiedlung am Ende der Marktstaße an der Ecke des Grenzringes.
Natürlich nicht alleine. Unsere Familie Hilgers bezahlt die Miete und kauft unser Essen ein.
Was ja echt sozial ist, wie ich finde.
Aber das nur so am Rande.

Wie schon erwähnt: heute ist Wintersonnwend. Wir beide, der olle Hund und meine Wenigkeit „Schnurr“ sind schon ganz aufgeregt, denn: heute ist eine der vier Rauhnächte. In dieser Nacht sprechen wir Tiere die menschliche Sprache. Sobald die Sonne untergeht und die Familie im Bett liegt können wir die ganze Nacht kommunizieren. Der olle Hund und ich.
Ich hätte mir zwar gern einen anderen Gesprächspartner gewünscht, aber was soll man machen. Der Wellensittich schläft ja schon. Unterm bunten Tuch im Käfig in der Küche. Ob er geistreicher ist als der olle Hund wage ich zu bezweifeln. Wahrscheinlich würde ich ihm nur erzählen wie gern ich ihn einmal jagen würde. Ist wohl besser, wenn der Piepmatz die Rauhnacht verschläft.

Endlich ist es soweit. Familie Hilgers ist ins Bett gegangen.
Der olle Hund gähnt und streckt seine Glieder im Mondlicht aus. Sein Fell ist grau. Auch ich strecke mich, denn so eine Konversation muss gut vorbereitet sein.
Der Wellensittich scheint doch noch wach zu sein. Ich höre ihn am Tuch über seinem Käfig rupfen. Ob er sich allen Ernstes an unserem Gespräch beteiligen will? Es geht los.

Ich räuspere mich: „ Weißt du, was mich aufregt, oller Hund?“
„Nein, sprich!“ der olle Hund steht andächtig vor einem der vier Weihnachtsbäume und seine Augen glänzen fast so hell wie die Lichter darauf.

„Mich regt es auf, dass sie dieses Jahr gleich vier Bäume ins Zimmer gestellt haben und ich meine Krallen nicht mal an nur einem abwetzen darf! Und die Kugeln laden doch gerade dazu ein sie hin und her schaukeln zu lassen!“

Der olle Hund wendet den Blick nicht mehr vom Baum ab, als ob er verzaubert wäre vom Glanz und dem Harzgeruch.
„Weißt du, was mich verrückt macht? Es ist der Geruch der Bäume. So gerne würde ich mein Bein heben und ....na du weißt schon!“
„Pühp! Lasst mich raus! Ich möchte nur einmal über die Zweige der Bäume hüpfen und von einem Ast zum anderen flattern! Pühüüüp!“

Der olle Hund guckt mich mit großen glänzenden Augen an.
„Okay, lassen wir ihn raus!“Ich nicke.
„Wir tun ihm nichts, ist das klar?“ der blöde Hund glaubt echt, ich würde immerzu ans Fressen denken.

Wir ziehen am Tuch vom Käfig und öffnen das Türchen, da wir beide Mitleid mit dem Sittich haben.
Der grüne Vogel fliegt auf die Tannenspitze des höchsten aller Bäume und trällert uns ein wehmütiges Weihnachtslied zu.
Der olle Hund und ich singen mit. Wir haben Tränen in den Augen. Die Tannenbäume auch.
Der olle Hund pinkelt vor lauter Freude an einen der Tannenbaumständer.
Ich kratze voller Euphorie die Rinde von diesem von oben bis unten herunter und spiele mit den Kugeln herum. Der Wellensittich rupft das Lametta herunter und springt von Ast zu Ast.
Dabei haben wir die Zeit vergessen.
Die Sonne geht auf.
Der Wellensittich sitzt noch im Baum und knabbert froh gelaunt an den Tannennadeln herum.
Der blöde Hund liegt unterm Baum und ist eingeschlafen.
Ich spiele mit den heruntergefallenen Weihnachtskugeln und rolle sie im Zimmer hin und her.
Da höre ich Stimmen. Die Familie Hilgers wird wach.
„Oh!“ denke ich. Ich lege mich vor den Ofen und tu einfach so, als ob ich schlafe.
Ich denke bei mir: wie gut, dass Familie Hilgers dieses Jahr vier Tannenbäume hat, sonst gäbe es jetzt Ärger.


Anmerkung von GillSans:

 Vier Bäume
Ich hoffe, lieber Azu, er gefällt Dir mein Wichteltext, ich habe lang überlegt was dir gefallen könnte. Ich bin auf keinen Baum gekommen und endete doch bei den vieren.
Ich wünsche Dir und Deinen Lieben ein schönes Weihnachtsfest und freue mich darauf mehr texte von dir lesen zu dürfen, denn nur über den Wichtel bin ich überhaupt mal auf dich gestossen und freue mich nun über weitere von Dir.
Die Gill

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Kommentare zu diesem Text


 Maya_Gähler (21.12.07)
Ach Gill, du bist doch immer wieder für eine Überraschung gut. Klasse Idee, die Geschichte von Familie Hilgers weiter zu erzählen. Eine für mich typische Gill-Geschichte (und das ist absolut nicht abwertend gemeint, im Gegenteil). Tiere, die sprechen und auch Weihnachten feiern möchten. Wo anders als dort, wo es vier Weihnachtsbäume auf einmal gibt. Die ideale Kulisse. Armin wird sich sehr freuen, da bin ich mir sicher.
Danke für deine Teilnahme. :o)
Herzliche Grüsse schickt die Maya

 GillSans meinte dazu am 21.12.07:
Liebe Maya, es hat mir wirklich viel Freude bereitet, diesen Text für Armin zu schreiben. Nebenher habe ich mich auch noch über die Rauhnächte schlau gemacht. War sehr interessant, was ich dabei alles so erfahren habe. Man darf in dieser Nacht z.B. keine weiße Wäsche auf der Leine hängen lassen, und noch vieles mehr. Vielen Dank für Kommentar und Sternlein. Liebe Grüße, Gill

 tulpenrot (21.12.07)
Tierisch! (soll ein Lob sein!!!) Herrlich! Deine Idee ist köstlich.
LG fröhliche Grüße
Angelika

 GillSans antwortete darauf am 21.12.07:
Danke Dir, liebe Angelika und fröhliche Grüße zurück!

 franky (21.12.07)
Hey liebe Gill,

Das ist ein phantastisches Märchen, regt zum Nachdenken an, aber auch zum Schmunzeln und Lachen.
Macht freude es zu lesen.
Liebe Weihnachtsgrüsse
von
Franky

 GillSans schrieb daraufhin am 21.12.07:
Vielen Dank Auch für den Doppelklick. Hoffe, Armin hat auch etwas Freude daran.
Liebe Grüße, Gill
orsoy (56)
(21.12.07)
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 GillSans äußerte darauf am 21.12.07:
Freue mich sehr über Deinen Kommentar und die Sternlein
Wünsche Dir auch schöne Weihnachten, liebe Grüße Ines

 souldeep (21.12.07)
da hast du ja gleich zwei solch tolle geschichten geschrieben,
liebe Ines!
wow, ich hab die hilgers auch schon besucht...und nun freu
ich mich über die fortsetzung - die nach gill-art natürlich,
verspielt, witzig und mit einer mir wichtigen grundhaltung
geschrieben ist.

hab dank - es war wieder ein besonderes vergnügen!

herzlichst
kirsten

 GillSans ergänzte dazu am 21.12.07:
Liebe Kirsten,
die Geschichte von der Familie Hilgers hat mir sehr gut gefallen. Und nachdem wir hier gar keinen Weihnachtsbaum stehen haben (wir sind fast kaum zu hause über Weihnachten, nur die Tiere, aber die haben ja einen Kratzbaum) dachte ich mir das aus. Hoffe Armin wird sich darüber freuen. Bin schon ganz gespannt
Liebe Grüße, Ines
P.S. Danke für den Doppelklick "freu"
(Antwort korrigiert am 21.12.2007)
chichi† (80)
(21.12.07)
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 GillSans meinte dazu am 21.12.07:
Liebe Gerda,
ich hatte den Vorteil zwei Wochen darüber nachzudenken, was ich wichteln sollte .
Freut mich, wenn es gefällt.
Danke, LG Ines

 AZU20 (21.12.07)
Liebe Gill,

ich bin ganz einfach platt. Das ist ein Geschenk, bei dem einem warm ums Herz wird. Du hast die Geschichte mit Esprit und Witz aus der Sicht der Hilgerschen Haustiere weitererzählt. Eine tolle Idee.
Meine Geschichte wollte ich mit einigen anderen in einer weihnachtlichen Runde vorlesen. Deine gehört jetzt dazu, wenn du nichts dagegen hast. LG Armin

 GillSans meinte dazu am 21.12.07:
Lieber Armin, und mir fallen ganze Felsbrocken vom Herzen. Was bin ich froh, dass Dir Dein Wichteltext gefällt.
Natürlich darfst Du ihn vorlesen. Das ehrt mich sehr.
Darf ich Deinen meiner Familie zu heilig Abend auch vorlesen???
Liebe Grüße, Ines

 AZU20 meinte dazu am 21.12.07:
das ist doch selbstverständlich und freut mich sehr. LG
Nicola (80)
(21.12.07)
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 GillSans meinte dazu am 21.12.07:
Hab lieben Dank.
Gill
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