Schottland

Erzählung zum Thema Reisen

von  tueichler

Es ist ein paar Jahre her, da kamen mein Freund Guido und ich auf das Thema Urlaub zu sprechen. Nachdem wir diverse Winterurlaube sowie Australien- und Frankreichreisen zusammen unternommen hatten, suchten wir etwas ganz Neues. Anfangs war Irland im Gespräch und irgendwann fiel das Wort Schottland.
Für mich war das bis dato eine englische Provinz ziemlich weit im Norden, aus der der Whisky kommt.

Sehr wohl hatte ich von den Highlands gehört, nicht zuletzt durch den bekannten Hollywood-Schinken. Wir beschlossen, uns darauf einzulassen und hinzureisen. So tauchten Guido, Annett und ich ein in ein großes Abenteuer, dass bis heute nicht aufgehört hat.
In der Antike waren die britischen Inseln vor allem von Kelten bewohnt. Diese waren in Stämme und Kleinkönigreiche gegliedert. Es gab Hochkönige, Könige und Stammesfürsten. Über die weiß man allerdings herzlich wenig, da sie noch nicht schreiben gelernt hatten und uns somit nahezu nichts überliefert haben.
Damals war die Welt so dünn besiedelt, dass lokale Stammesfürsten weitgehend autark waren. Irgendwann kamen die Römer und eroberten Britannien. Das ging eine ganze Weile gut, London wurde eine Stadt und viel römische Tradition wurde übernommen, wie zum Beispiel der Linksverkehr.

Nur im Norden, da hatten die Römer kein Glück. Weder konnten sie die nördlichen Gebiete erobern, noch konnten sie Allianzen mit den Bewohnern eingehen. Die Pikten, eine weitere keltische Volksgruppe, ärgerten die Römer im Norden solange, bis Kaiser Hadrian im Jahre 122 die Nase voll hatte und quer durch Britannien den noch heute existierenden Hadrianswall baute.
Als die Römern sich wieder erholt hatten, sind sie wieder ein Stück nach Norden gezogen. Unter Kaiser Antonius hatten sie es dann bis etwa zum Central Belt geschafft. Da sich die Pikten aber immer noch nicht kolonialisieren lassen wollten, wurde dort ein weiterer Wall gebaut. Praktischerweise nannte man diesen Antoniuswall. Alles nördlich davon, nannten die Römer Caledonia.

Caledonia bedeutet im Lateinischen soviel wie „waldreiches Land“. Da käme heute sicher  keiner mehr drauf. Seit die Wollmanufakturen immer mehr Wolle fraßen, wurde Weideland für die Herden gebraucht. Dafür hat man die ganzen Highlands entwaldet.
400 und paar Kaputte zogen die Römer endgültig aus Britannien ab und hinterließen einen einigermaßen entwickelten Süden und einen wilden Norden. Als die Völkerwanderung einsetzte, kamen Angeln, Sachsen, Jüten sowie jede Menge anderen Volkes, das ein Stück Land brauchte, auf die Insel. Diese schlugen und vertrugen sich. Inzwischen wurde Britannien von Irland aus christianisiert und es bildete sich ein Reichsverbund südlich des Antoniuswalles.

Nördlich davon sind irische Skoten gelandet und haben mit den örtlichen Pikten mal mehr, mal weniger schlimme Kriege geführt. Im Gälischen heißt Schottland heute noch „Alba“ oder gälisch ausgesprochen „Alapa“. Einem piktischen Stammesfürsten gelang es im 9. Jahrhundert, die Skoten und die Pikten zu befrieden und aus beiden Völkern eine Nation zu bilden. Es  war Kenneth Mac Alpin, also Kenneth, Sohn der Schotten.
Als 1057 die Herrschaft der Kelten mit Macbeth zu Ende ging, wurde unter Malcom der Einfluss Englands bedeutend größer.

Edward der 1. nutzte 1296 die Chance und marschierte in Schottland ein. Da dies den Schotten gar nicht gefiel, kam es 1297 zur Schlacht bei Sterling Ridge, bei der „Robert the Bruce“ Edward wieder aus Schottland raus geworfen hat.
1314 haben's die Engländer unter Edward dem 3. wieder probiert, diesmal hat „William Wallace“ die Schotten gerettet. 1320 dann wurde vom Papst in Avignon die Erklärung von Arbroath angenommen und Schottland bekam vorerst seine Unabhängigkeit besiegelt.
Es war danach scheinbar eine Weile ruhig, bis Jakob der 4. von Schottland, der Sohn von Maria Stuart, König von England wurde. Unter ihm wurden beide Königreiche vereinigt und er regierte beide Reiche. So richtig schienen die Engländer den Schotten nicht zu trauen, denn sie forderten immer wieder  Treuebeweise.
So kam es 1692 zum wohl schwärzesten Tag in Schottlands Geschichte. Im Glencoe massakrierten englandtreue Schotten 78 ihrer unschuldigen Landsleute, um ein Exempel der Königstreue zu statuieren.

1707, wurde Schottland formal mit England zum „Vereinigten Königreich“ zusammengeschlossen. Das wollten die Schotten ebensowenig und es kam unter Prinz Charles Edward Stuart, genannt „Bonnie Prince Charles“ oder „The young Pretender“, zur Schlacht bei Culloden. Diesmal gewannen die Engländer. Charles war historischen Quellen zufolge kein begnadeter Heerführer, sondern eher ein Romantiker, weshalb er auch verlor. Nachdem er als Frau verkleidet nach Frankreich floh, brach er das Versprechen, seine Fluchthelferin Flora MacDonald reich zu belohnen. Er starb als alter Trunkenbold in Rom, ohne je den Titel seines Vaters „König von England, Schottland und Irland“ durch den Papst legitimiert zu bekommen. Flora MacDonald hingegen ist heute noch schottische Nationalheldin.
Seit 1997 hat Schottland eine einigermaßen gut funktionierende Autonomie und ein eigenes Parlament. Die regierende Partei ist derzeit die in einer Minderheitenregierung tätige linksliberale Scotish National Party. Eines der erklärten Ziele der SNP ist eine vollständige Unabhängigkeit Schottlands von England und Wales.

Wie immer es auch ausgeht, Schottland ist und bleibt eine Reise wert. Ganz im Süden liegen die Lowlands. Diese werden durch die Sourthern Uplands von England getrennt.
Diese Landschaft war namensgebend für den englischen Dialekt. Der bildete sich, als König Jakob der 4. Englisch in schottischen Adelskreisen populär machte. Man nennt das Scots oder Lallans. Ein Schelm könnte nun auf den Gedanken kommen, das hätte was mit Whisky und Lallen zu tun, dabei ist es nur das Dialektwort für „Lowlands“.
Vor Jakob dem 4. sprach man in Schottland weitestgehend Gälisch, das dem Irischen ähnelt. Heutzutage findet man das nur noch an der Westküste und auf den Hebriden. Die Sprecherzahl liegt derzeit bei etwa 60.000. Nachdem Gälisch lange Zeit verboten gewesen ist, wurde 2005 im „Gaelic Language Act“ die Sprache wieder offizielle Amtssprache. Das war nicht unproblematisch, da ja nur ein kleiner und zudem meist sehr alter Teil der Bevölkerung diese Sprache lebte. Meist erkennt man an Ortsnamen oder an Bekanntmachungen die Zweisprachigkeit. Es gibt auch mehrere Radiostationen, die die Sprache pflegen.

Als großer Schottlandliebhaber dachte ich gleich daran, diese Sprache zu lernen. Wir waren also in Dunvegan, dem Stammsitz des Clan MacLeod of MacLeod. Schloss und Garten sollte man gesehen haben. Hat man das, dann ist man gewöhnlich hungrig. Es gibt an der Dorfstraße das Dunvegan Hotel mit einem Pub.
Pub kommt übrigens von Public Bar, also öffentlicher Balken. Es handelt sich mitnichten um eine öffentliche Bedürfnisanstalt im uns bekannten Sinne. Vielmehr wurde im Mittelalter in einer Kneipe der öffentliche Schankraum durch einen Balken vom Wirt getrennt. Daraus entwickelte sich wohl später die Theke, auch wir sitzen gern immer mal wieder „an einer Bar“.
Wir ließen uns im Pub nieder und ich fieberte schon die ganze Zeit darauf, auf gälisch ein paar Pints zu bestellen.

Ich bringe meinen Satz beim Wirt vor. Der schaut mich mit tellergroßen Augen an und schüttelt den Kopf. Auch Wiederholung hat das Ergebnis nicht beeinflusst. Also hab ich ihm erklärt, dass ich eigentlich nur 4 Pints haben wolle, jedoch auf gälisch.
Wie sich herausstellte, sprach der Herr kein Gälisch, verwies mich aber an einen alten Herren im Nebenzimmer. Der hatte vermutlich auch schon ein paar „wee Drums“ intus, so dass sein Lallans hier eher wörtlich zu nehmen war. Jedenfalls sagte er, ich solle doch mal wiederholen, was ich dem Wirt eben gesagt habe. Als ich das getan hatte, fing der alte Herr wie verrückt an, zu kichern und kriegte sich überhaupt nicht wieder ein. Keine Ahnung, was er dachte, was ich gesagt hätte. Jedenfalls fragte ich, was ich denn sagen müsste, wenn ich auf gälisch bestellen wolle. Das Geräusch, das der Herr darauf von sich gab, brachte wiederum mich zum Schmunzeln. Wir prosteten uns mit einem „Slaunthe“ zu und hatten sicher beide das Gefühl, der andere sei lieb, aber doof. Schön, das man zufrieden sein kann, bei solch einfachen Wahrheiten.

Mittlerweile haben wir schon eine ganze Menge von Schottland gesehen. Jede Landschaft hat ihren Reiz. Ob man im mächtigen Glencoe steht und die Geschichte förmlich spürt, die phantastische Passstraße nach Applecross hochfährt, im Quairang die spektakulären Ausblicke auf die äußeren Hebriden genießt, sich an den sanfteren Hügeln der Speyside oder der Lowlands erfreut. Man erlebt Momente, die einzig und unwiederbringlich sind. Einmal haben Guido und ich vor Neist Point einen großen Wal abblasen sehen. Ehe die anderen aufmerksam wurden, tauchte er wieder ab.
Unser Abenteuer dauert an und jedes Jahr muss wenigstens eine Woche Schottland drin sein. Uns gefällt die wilde Landschaft ebenso, wie die Schrulligkeit der Schotten, besonders an nicht so frequentierten Plätzen.

Hervorzuheben ist der Haggis, das schottische Nationalgericht. Ähnlich wie ein Saumagen, ist er eine Art Wurst, gefüllt mit Hafer oder Graupen und einem Mix aus Innereien vom Schaf. Klingt gewöhnungsbedürftig, schmeckt aber klasse. Eigentlich ein Arme-Leute-Essen, hat es sich auch in der gehobenen schottischen Gastronomie mittlerweile etabliert.
Dennoch darf so ein bodenständiges Gericht nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Schottland alle Todsünden der Ernährung begangen werden. Dazu gehören unter anderem Crannachan, eine Creme aus Sahne mit Sahne und Sahne mit Sahne darauf, die einige  Himbeeren enthält und bestreut wird mit Haferflocken. Außerdem natürlich Deep fried Mars-Bars, das ist sowas wie der Fisch bei Fish'n Chips, nur eben aus Marsriegeln.

Da nun die kulinarischen Hochlichter beschrieben sind, muss am Ende noch ein Auge auf die Getränkevielfalt in Schottland geworfen werden. Es gibt dort derzeit knapp 120 Destillen, die in Betrieb sind. Oft werden Destillen für einige Zeit stillgelegt und Jahre später wieder in Betrieb genommen.
Jede hat so etwa 5 Sorten Whisky, man kommt also leicht auf 500 bis 600 Sorten geistiger Getränke, die alle probiert werden wollen. Etliche Namen der Destillen kann man nicht aussprechen, das tut dem Genuss aber keinen Abbruch. Edradour, die kleinste der edlen Stuben. Talisker als einziger Malt der Isle of Skye, Oban, Aberlour oder Tobermory von der Isle of Mull.
Whisky kann man zu einer ähnlichen Wissenschaft machen, wie den Wein, aber man sollte aufpassen, dass man bei aller Wissenschaft nicht den Genuss verliert. Mir geht es zumindest so, dass Wiskey, egal wo ich ihn trinke, in mir Erinnerungen an Schottland wach ruft. Ich denk’ dann immer an wildes Wetter, grüne Hügel, tosendes Meer und unverbaute Landschaften. Dann ist jeder Tropfen wie ein kleiner Urlaub....

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Kommentare zu diesem Text

myrddin (47)
(27.06.08)
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 tueichler meinte dazu am 27.06.08:
Danke für die Blumen - fahr doch mal wieder hin ::))
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