Harte Tage für Könige

Märchen zum Thema Ignoranz

von  RainerMScholz

Der König langweilte sich sehr in seinem luxuriösen Palast, das heißt, in einem seiner luxuriösen Paläste. Denn er hatte derer viele. Er hatte genug von all seinen Konkubinen, die ihn ohnehin in letzter Zeit einigermaßen überanspruchten und immer zickiger zu werden schienen, von all den schleimigen Beamtenkreaturen, die einen König in der Regel auf Schritt und Tritt sichtbar und unsichtbar umgeben, von den ganzen Banketten, er war schon richtig rund geworden von den ganzen Fasanenschlegeln, den Eberhoden auf Himbeeren, dem Wachtelgekröse und dem ganzen anderen opulösen Fraß - ihn verlangte schlicht nach Abwechslung.
Also warf er sich eines schönen Tages in seinen Hermelinmantel mit dem rotem Brokat, setzte seine Ausgehkrone auf und marschierte durch das Tor hinaus, dass seine Palastwache nur so verblüfft hinter ihm herzustarren vermochte und sich ratlos den Kopf kratzte.
In der Stadt angelangt - denn sein Palast lag etwas außerhalb, jedenfalls der, in dem er eben zu residieren geruht hatte -, fasste er den königlichen Entschluss, dass er einen ziemlich pompösen Durst hatte und gedachte, sich in die erstbeste Bar am Platze zu begeben, um einen hinter die Binde zu kippen. Er kurvte in ‚Haralds Pinte´ ein.
„Ein Bier!“, rief er die Theke entlang, dass es nur so schallerte.
„Nur die Ruhe, ein alter Mann ist kein D-Zug.“
Langsam kam Harald selbst aus seiner Ecke und nahm seine Bestellung entgegen.
„Jesus und Maria, ist heute Fasching? Marta, welches Datum ist heute?“, schrie er nach hinten in die Küche, wo Marta gerade ölige Buletten in die Pfanne hieb.
„Welches Datum? Schau doch auf den Kalender, fetter Esel.“
„Mhm, der fünfte Februar. Egal. Also ein Bier, Euer Durchlaucht?"
„Sagten wir doch schon. Und ich geruhe eine Exzellenz zu sein, Schankwirt.“
„Ist recht, Euer Heiligkeit.“
Der Wirt kratzte sich an seinem kahlen Schädel und zog ein kühles Helles vom Fass.
Das Bier kam. Der König machte es sich auf einem Barhocker bequem, indem er den Hermelin um sein Gesäß drapierte, trank in einem Zug aus und bestellte ein weiteres.
Später, im Laufe einiger Biere, gesellte sich ein weiterer trinkfreudiger Gesell zu ihm, der sich schon im fortgeschrittenen Stadium beseelter Trunkenheit befand.
„Hey man, wo hast'n die Kluft her? Haste dir aus'm Teppich zusammengeschustert, oder wie?“                           
Indigniert betrachtete der König seinen gegenübrigen Untertan und prostete ihm einfach zu, weil ihm gerade nichts besseres einfiel.                                               
„Und der Hut da. Nicht von schlechten Eltern. Ich kenn' da jemanden, der würde vielleicht `was springen lassen dafür.“
Der König bestellte noch ein Bier für sich und seinen Kollegen, obwohl er auch schon allmählich Schlagseite bekam.                                             
„Nein, mein Freund, die Krone brauche ich noch. Die ist unabdingbar zum Regieren. Aber was würden sie wohl zu dem Ring hier sagen?“, womit er ihm seinen Siegelring unter die Nase hielt.                                             
„Nicht übel. Ein paar Scheine würden dafür wohl über den Tisch gehen.“                                                     
„Gut. Behalt' er ihn. Wir sind heute großzügig.“, sprach der König und wankte auf's Klo.
Dann wollte der König Haralds Etablissement verlassen, um sich anderenorts noch ein wenig umzusehen. Doch der Wirt hielt ihm die Rechnung unter die Nase.
„Bezahlen, Majestät! Aber zackzack!“
„Alles klar.“
Er brach sich einen goldenen Zacken aus der Krone, warf diesen dem verduzten Wirt zu, der zunächst gar nichts damit anzufangen wusste und bog in die nächste Bar ab und die nächste und die nächste...
Mit arg ramponierter Krone fiel der König dann gegen Morgen in einem Hinterhof zwischen die Mülltonnen, um seinen Rausch auszuschlafen.
Unsanft wurde er kurze Zeit später geweckt, aber nicht etwa von der Müllabfuhr.
„Hey, Alter, lass `mal deine Brieftasche sehen.“
Vor ihm stand einer jener berüchtigten jugendlichen Straßenräuber mit gezücktem Stilett, von denen er schon so viel gehört hatte.
„Los, Alter, mach' schon!“
„Brieftasche? Unsereiner befindet sich nicht im Besitz solch profaner Gegenstände. Wir sind der König und nicht der Briefträger.“, lallte und kicherte er total voll.
„Komm schon, erzähl´ hier keinen Scheiß. Raus damit!“
Der König drehte die Taschen seines Hermelins nach außen, aber sonderlich Erwähnenswertes kam nicht zum Vorschein. „Verfluchte Scheiße. Ausgerechnet ich gerate immer an solche Nieten. Na, dann wenigstens her mit dem komischen Lappen da!“, womit er ihm die Robe entriss.
„Mein königlicher Mantel!“, entfuhr es da dem König.
„Das ist Edelpelz!“
„Was? Verrückter Penner!“
Der Straßenräuber zog ihm den Pelz ab und ließ ihn liegen.
Zitternd und elend ging der König , nur mit seiner königlichen Unterwäsche bekleidet, vorne war eine kleine Krone aufgestickt, dem Morgengrauen und seiner Residenz entgegen, wo man ihn natürlich gar nicht erst hinein ließ. Man erkannte ihn dortselbst schlichtweg nicht. Da könnte ja jeder kommen. Lachend schmissen die Wachen ihn wieder hinaus, nachdem er vergeblich versucht hatte, sich gewaltsam Eintritt zu verschaffen.
„Ich bin doch der König, ihr verdammten Schwuchteln!“, grölte der König arg verkatert und einigermaßen derangiert. Man bedeutete ihm unmissverständlich, dass er besser das Weite suche, bevor er im Kerker lande.
Um wenigstens einen Kaffee zu ergattern, stellte sich der König bei einer Armenküche in die Schlange wartender Männer. Die Herren staunten nicht schlecht, als sie diesen komischen alten unrasierten Kauz in Unterwäsche dort herumstehen sahen. Und das bei der Kälte.
„Ich bin doch der König.“, murmelte er verdrossen. Eine nette, alte Dame von der Heilsarmee nahm ihn am Ellbogen und führte ihn geduldig hinein.
„Ich bin doch der König.“
„Ja, ja, alles wird gut. Jetzt schauen wir erst 'mal, ob wir nicht 'was Passendes für sie zum Anziehen finden können, nicht wahr. So erkälten sie sich noch. Und dann gibt's ein schönes heißes Süppchen. Kommen sie, ich wische ihnen den Speichelfaden vom Kinn.“
Der König konnte nur mit großen, staunenden Augen mehr oder weniger zustimmend nicken.
Einige Wochen später - die Suche nach dem König war erfolglos abgebrochen worden - bestieg sein Sohn den Thron und versprach, in seine Nadelstreifen gehüllt, einiges zu verändern. Und zwar einiges. In erster Linie das öffentliche Herumlungern, das epidemische Ausmaße angenommen habe. Natürlich erst nachdem er seinen Amtseid geschworen hatte und alles, was so dazu gehört. Mit  Hermelinmantel, Krone und dem ganzen anderen Zeug.



© Rainer M. Scholz

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Kommentare zu diesem Text


 Ingmar (29.11.09)
kleider machen leute. und keine kleider arme leute noch aus königen. schön schnoddrig und glaubhaft (!) erzählt, dieses märchen.

ingmar

 Ingmar meinte dazu am 29.11.09:
ps. den titel tät ich überdenken, der überzeugt (mich) nicht.

 RainerMScholz antwortete darauf am 30.11.09:
Danke für den Kommentar. Vorschläge für den Titel?
Grüße,
R.

 Ingmar schrieb daraufhin am 01.12.09:
zwei drei hätte ich. bin aber so sicher, dass du keine nötig hast, dass ich keinen sage.

ingmar
The_black_Death (31)
(09.12.09)
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