Seelensymbiont

Text zum Thema Abschied

von  ZornDerFinsternis

Man kann den Himmel kaum erkennen. Viele dunkle Wolken, hinter denen sich kümmerlich die Sonne durchdrängt. Licht. Es ist erbarmungslos, wenn es durch die Dunkelheit fällt und alles aufdeckt. Schmerzen bringt. Tränen sichtbar macht. Alles ausspricht, was niemand wissen will.
Mit der Zigarette stehe ich am Fenster. Von Dunkelheit und depressivem Schmerz umgeben. Stehe in einer unendlichen Einsamkeit, in der ich mich verlaufen habe, die zuvor eine Zweisamkeit gewesen ist. Doch Worte haben anscheinend nie genug Bedeutung besessen. Nicht meine.
Und es war einer der größten Träume, die sich aus diesem Haufen aus Scherben und Scheisse zusammengesetzt hat. Er trug einen besonderen Zauber. Zwei Menschen. Ein Band. Ein Versprechen. Und es ist noch immer so. Bloß für deine Augen schimmert eine andere Wahrheit in einem schöneren Licht und unsere gemeinsame hast du zerbrochen. Gleichgültig, welcher Schmerz in hundertfacher Intensität zu mir zurück kommt.
An diesem fremden Ort, der mir nach anderthalb Jahren noch nicht wie ein zu Hause vorkam, soll ich fortan allein meinen Weg bestreiten. Unter diesem seelenlosen Himmel. Zwischen all diesen glücklichen Menschen. Kann mich nicht dem Gebrauch einer Droge hingeben. Bin gezwungen, dem Verlangen nach körperlichem Schmerz, zur Erleichterung meiner Seele, nicht nachzugeben. Darf nicht aussprechen, was hier passiert. Muss gerade stehen. Den Kopf nach oben. Am besten keine Tränen. Kein Wort. Kein garnichts. Du lässt mich nicht gehen. Endgültig. Du verwehrst mir den letzten Wunsch. Ich darf nicht sterben. Aber bleiben tust du nicht, obwohl du mich noch liebst, gehst du. Mit ihr. Schenkst ihr die Kinder und deinen Nachnamen. Du hast gewählt. Mir keine Wahl zu lassen.
Sterben. Wenn ich nicht den Beweis hätte, dass ich zu dumm dazu bin mich umzubringen, hätte ich es vorgestern längst getan. Vielleicht sogar vor deinen Augen. Einfach, damit du fühlst, wie sehr alle anderen für dein Glück leiden müssen. Damit du weißt, wenn sie dich verarscht und fallengelassen hat, der Mensch, der dich als einziger, neben deinen Eltern, je aufrichtig liebte, nicht mehr da ist. Und nicht mehr wieder kommt. Dass er unerträgliche Schmerzen hat. Schmerzen, die du nie aushalten könntest.
Dennoch, sagst du, du liebst mich. Sie mehr. Du siehst mich weinen und kommst nicht zu mir. Da ist etwas kaltes in deinen Augen. Ob nun aufgesetzt, um es „leichter“ zu machen. Oder nicht... Du siehst nichtmal, was du getan hast. Und dieser Schmerz, er ist größer als alle anderen zuvor dagewesenen. Es war nichts missbraucht zu werden. Kein Schmerz war so groß, wie der um das gebrochene Versprechen einer gemeinsamen Zukunft.
Neben mir liegen dutzende, verschiedene Tabletten. Die meisten sind abgelaufen. Keine Ahnung, ob mir das auch nur im entferntesten dabei hilft, wirklich zu sterben. Whisky und eine Flasche Korn. Ein Packet Salz steht auch da. Und dennoch, weigert sich mein Körper meinem Hirn Folge zu leisten. Die ganze Scheiße einfach in eine Flasche zu hauen, in den Wald zu laufen. Sich zu besaufen und im Teich zu versenken.
Aus Schmerz erwachsen die größten und stärksten Krieger. Vielleicht hat es das Leben nun doch endlich geschafft. Hat einen Krieger aus mir gemacht. Wenn ich schon die Möglichkeit habe, und doch zu erbärmlich bin es wirklich durchzuziehen.
Am Ende steht wieder nur die Angst über dem eigenen Ende. Angst. Zu verletzen. Zu überleben. Als Krüppel vor sich hin zu siechen. Doch ein anderes Leben mit zu gefährden. Schuld und Trauer zurück zu lassen.
Und ja, für die meisten werde ich ein verdammter Feigling sein und bleiben, der seine Einsamkeit verdient. Der verachtenswert ist, weil er denkt, plant und den letzten Schritt in den Freitod nicht mehr über sich bringen kann. Aber irgendwann ist alles voll. Überladen. Da geht auf keine Zelle mehr ein Hauch von Enttäuschung und Schmerz. Und irgendwann hört man einfach auf. Zu hoffen. Zu beten. Man lebt einfach nur noch. Man lebt, bis sich die Geschichte von alleine erledigt. Bis man aus einem natürlichen Grund sein Ende findet.
Und diese Zerrissenheit, sie hätte auf dem Hochhausdach gegenüber enden sollen. Ich schätze, das wird sie genauso wenig, wie, dass unsere Geschichte je gut ausgehen wird. Diese Buchstaben bilden kein Wort mehr. Du und ich. Das sind zwei vollkommen unterschiedliche Parasiten.

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Kommentare zu diesem Text


 Lluviagata (06.08.12)
Symbiont - ein Begriff, der mir, auch in seiner Bedeutung, nicht bekannt war. Ein Wort, ein Text, in dem sich jeder Betrogene wiederfinden kann. ♥
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