Worauf die Furcht gründet

Glosse zum Thema Angst

von  loslosch

Timendi causa est nescire (Seneca, um die Zeitenwende bis 65 n. Chr.; Naturales quaestiones). Unwissenheit ist ein Grund zur Furcht. Oder: Unwissenheit ist die Quelle aller Furcht.

Ein gültiger, weithin bekannter Spruch. Vermutlich hat ihn Seneca von den alten Griechen übernommen; er nennt aber keine Quelle. Eine eigenwillige, durchaus zulässige Übersetzung wäre: Um der Furcht willen gibt es Unwissenheit. Wir brauchen Unwissenheit, damit die Furcht sich austoben kann. Die Furcht erschuf die Götter, so wusste Petron (~14 n. Chr. bis 66 n. Chr.) etwa zur gleichen Zeit: Primus in orbe deos fecit timor. Viele Menschen sind mit diesem beklemmenden Mechanismus vertraut, ohne ihn jedoch in praktische Lebensphilosophie umzusetzen.

Ein ganzer Berufsstand, weltweit und in allen Weltreligionen professionell (bekenntnismäßig) aktiv, hat diese Sentenz auf seine ganz spezielle Weise internalisiert. Man setze an die Stelle von Unwissenheit Glaube oder Glaubenseifer und verschiebe so die Furchtgrenze ins Nirwana. In Phasen des Glaubenszweifels mutieren selbst solche Überzeugungen und Haltungen in Angst und Furcht. Anhänger des Buddhismus trainieren gezielt das Gehirn gegen Angstzustände. Sie sind allerdings keine Gläubigen im Sinne von Gottgläubigen.

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Kommentare zu diesem Text

holzköpfchen (31)
(22.04.14)
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 loslosch meinte dazu am 22.04.14:
der begrenztere lat. wortschatz kennt mehr synonyme. so ergibt sich eine interpretationsbreite, doch immer kontextbezogen. im englischen: Ignorance is the cause of fear. (schon wieder quelle oder grund.)

angst haben vor etwas bestimmtem! daher habe ich "furcht" vorgezogen. die versicherungsagenten versprechen etwas. manchmal lässt sich das einklagen. bei heilsversprechen ists anders.
annerose (28)
(22.04.14)
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 loslosch antwortete darauf am 22.04.14:
widerspruch zum hund. so bin ich auf selbigen gekommen:

 auch hunde wollen ... köstlicher schluss.
annerose (28) schrieb daraufhin am 22.04.14:
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 loslosch äußerte darauf am 22.04.14:
oder: verliebter hund sucht was zum anbeißen ...

 niemand ergänzte dazu am 22.04.14:
Angst und Furcht finden zu 98 Prozent in der Phantasie statt und weit weg von den Ereignissen, die man befürchtet. Im realen Leben gibt es sehr wenige berechtigte Anlässe Furcht zu haben, während man sich ohne weiteres ausmalen kann, dass gleich der Einbrecher in die Wohnung kommt und einen an das Sofa fesselt. Wenn man tatsächlich einmal Gedanken auf ihre Brauchbarkeit für die Lebensbewältigung untersuchen könnte, wäre man, das glaube ich, vollkommen überrascht wie sinnlos die da im Gehirn kreisen.
.
Obiges ist sehr gut! LG niemand

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 22.04.14:
"Angst und Furcht finden zu 98 Prozent in der Phantasie statt(...)"
Phantasie ist hier das falsche Wort, denn es legt nahe, dass Angst der bewussten Kontrolle unterliegt. An sich tut sie das aber nicht. Ganz davon abgesehen, ist die Angst eine sehr nützliche Emotion, die ja auch nicht nur in Momenten von Leben und Tod auftritt. Problematisch wird es allein dann, wenn mit der Angst das geschieht, was in der Psychologie "Übertragung" genannt wird.
annerose (28) meinte dazu am 22.04.14:
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 TrekanBelluvitsh (22.04.14)
"Unwissenheit ist die Quelle aller Furcht."
Um eine Allgemeingültigkeit zu erlangen, wäre es meiner Meinung nach besser "Unwissenheit ist eine Quelle der Furcht" zu übersetzen.
"Man setze an die Stelle von Unwissenheit Glaube oder Glaubenseifer und verschiebe so die Furchtgrenze ins Nirwana.
Im Zusammenhang mit den Religionen, kann man die Unwissenheit ruhig stehen lassen. Der Erfolg von Religionen beruht ja eben nicht auf der genauen Kenntnisse der Theologie der Gläubigen. Würden sich alle Gläubigen damit auseinandersetzen und sich z.B. nicht mit dem spirituellen Gruppenerlebnis zufrieden geben, hätten alle Religionen ein Problem, allein schon resultierend aus der Quantität der Anfragen der Gläubigen. Um das im Keim zu ersticken hat man auf religiöser Seite ja auch die 'Gefolgschaft' weiterentwickelt und ihr z.B. die Häresie entgegengestellt, quasi als allgemeingültiges Schutzschild.
"Anhänger des Buddhismus trainieren gezielt das Gehirn gegen Angstzustände. Sie sind allerdings keine Gläubigen im Sinne von Gottgläubigen."
Diese Einteilung ist zwar richtig, sagt jedoch nichts über das gedankliche Funktionsprinzip des Buddhismus aus, das anderen Religionen doch sehr stark ähnelt. Und allein die Tatsache, dass man der Meinung ist, das Gehirn gegen Angst trainieren zu müssen, zeigt a) eine immense Angst vor der Angst an sich, was b) auch auf einen Unwissenheit der Angst gegenüber erkennen lässt und c) das dringende (und institutionalisierte) Bedürfnis offenbart, selbst nicht Unbedeutend zu sein, mithin der Angst vor der eigenen Unbedeutendheit.

Fazit: Religion funktioniert nicht ohne Unwissenheit und Angst, weshalb sie auch immer die Suche nach endgültigen Antworten ist. Darum sind die Grundsätze von Gläubigen auch immer inhaltlich und niemals nur Handlungsanweisungen und immer verbindlich, weshalb das, was sie Glauben nennen, in Wahrheit behauptetes Wissen ist, gegen das kein Widerspruch geduldet wird.

 loslosch meinte dazu am 22.04.14:
dass der buddhismus nicht einem gott huldigt, macht ihn - da hast du recht - nicht zu was völlig anderem. es gab in neuerer zeit gewaltexzesse unter beteiligung von mönchen. (myanmar?) dann die rolle des zen-buddhismus im 2. weltkrieg. (ich war heute kiebitz beim schachturnier in aserbaidschan, daher etwas kurz angebunden . )
Graeculus (69)
(22.04.14)
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 loslosch meinte dazu am 22.04.14:
... aber nicht über die details des "lebens" danach. das weiß der henker! - nämlich auch nicht!!!
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