Soll man das Gedächtnis entlasten?

Erörterung zum Thema Erinnerung

von  loslosch

Memorem immemorem facit, qui monet, quod memor meminiscit (Plautus, ~254 v. Chr. bis ~184 v. Chr.; Pseudolus - eine seiner Komödien, so viel wie Lügenmaul). Das Erinnerungsvermögen macht funktionslos (wörtl.: unbekümmert), wer [ständig] ermahnt (oder erinnert), woran das Erinnerungsvermögen denken soll.

Der Spruch kommt etwas gestelzt daher. Hätten die Römer schon den Terminkalender gekannt, würde diese Sentenz behaupten: Wer in seinen Terminkalender sorgsam alle Termine einträgt, der lässt sich stets erinnern, welche Termine er wahrzunehmen hat, und macht so sein Gedächtnis funktionslos. Immemor ist die Negation von memor (sich erinnernd). Das Gedächtnis wird durch den Terminkalender ersetzt, es kümmert sich nicht mehr.

Heute sehen wir das anders. Die Entlastung des Gedächtnisses ist sogar erwünscht, da dasselbe im Vergleich zur Antike erheblich stärker gefordert ist, genauer: gefordert sein müsste. Da bleibt noch genug andere Aktivität für den menschlichen Denkapparat, so dass die von Plautus vermutete Gefahr eines mangelnden Gedächtnistrainings in weite Ferne rückt, genauer: rücken müsste.

Beim Abgleich der Eintragungen im Terminkalender mit der eigenen Resterinnerung lassen sich die beiden Stufen des Vergessens (nach Heidegger) testen. 1. Stufe: Man hat etwas vergessen, nicht mehr präsent; 2. Stufe: Man hat vergessen, dass man etwas vergessen hat. Beim Lesen der Notizen ergeben sich also zwei Möglichkeiten: Entweder man erinnert sich wieder an den Inhalt der Eintragung, zumindest in Umrissen, oder man hat keinen Schimmer der Erinnerung an diesen Eintrag. Sollte das zweite häufiger der Fall sein, ist ein gezieltes Gedächtnistraining dringend anzuraten.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (16.08.14)
Es bleibt immer genügend zu erinnern. Deshalb ist Gedächtnistraining selbst dann dringend anzuraten, wenn man das Gedächtnis entlastet.

 loslosch meinte dazu am 16.08.14:
ein treffendes fazit.

 Regina (16.08.14)
Man kann alles in Handy oder PC einspeichern. Das Programm merkt sich Termine und Nummern. Dadurch wird das Gedächtnis entlastet und schlechter.

 loslosch antwortete darauf am 16.08.14:
diese gefahr sehe ich durchaus. man muss aber auch das positive sehen. die behauptung, man habe etwas "vergessen", wirkt dann heute nicht mehr glaubhaft.
Graeculus (69)
(16.08.14)
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 loslosch schrieb daraufhin am 16.08.14:
... hätten die römer den terminkalender gekannt ... ich habe also die alte deutung in der schwebe gehalten.
Graeculus (69) äußerte darauf am 16.08.14:
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 loslosch ergänzte dazu am 16.08.14:
wörtlich wirkt die zitatstelle wie eine halbe tautologie auf mich.

 TrekanBelluvitsh (16.08.14)
In diesem Zusammenhang meine Lieblingserfindung im Bereich Kfz: Der Regensensor! Für den Menschen, der beim Autofahren zu sehr beschäftigt ist, um an den Scheibenwischer zu denken - oder einfach vergessen hat, wie Regen aussieht (gibts dafür eigentlich ne App?).

 loslosch meinte dazu am 16.08.14:
du weißt doch: ein guter kapitalist versteht es, "bedürfnisse" zu wecken und nachfrage herauszukitzeln.
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