Teil 22

Roman

von  AnastasiaCeléste

Ein paar Abende später lag Colby auf ihrem Bett. Neben ihr ein Mann mit erheblichem Bauchansatz und Halbglatze. Sie kannte ihn schon von früheren Besuchen. Ein komischer Kauz. Sie hatte die Anweisung bekommen ganz still zu liegen, während er sie betatschte. Seine dicken Finger fuhren über ihre Haut, um hin und wieder an ihren Brüsten hängenzubleiben. Jedes Mal bevor er ihr in den Schritt fasste, schien er zu zögern, als müsse er abwägen, ob er das darf. 
Colby blendete ihn so gut es ging aus. Sie ließ ihn spielen, hoffte dass er heute, wie schon öfters zuvor, genug Befriedigung darin fand, sie anzufassen.
Sie ließ die letzten Tage Revue passieren. Mittlerweile waren alle im Innocent gechippt worden. Von einem der Mädchen hatte sie erfahren, dass sie gesehen hat, wie auch Corvins Wachleute und engste Vertraute an der Reihe waren.
Somit würde es auch Ave erwischt haben. Sie hatte ihn seit ihrer letzten gemeinsamen Nacht nicht mehr gesehen. Schon eine ganze Weile. Sie dachte über die noch dunkleren Zeiten nach, die Ave das letzte Mal erwähnt hatte. Wie konnte es noch dunkler werden, wenn man jetzt schon kaum mehr die Hand vor Augen sah? Ihr Blick fiel auf den Nachttisch, auf dem ein paar lächerliche Dollar lagen, die ihr der Kerl vorab hingelegt hatte. Die Freier bezahlten hier die Zeit, die Sie ein Mädchen nutzen, ganz gleich was sie mit ihnen anstellten. Die etwas Betuchteren legten manchmal verbotener Weise über ihren regulären Preis ein paar Scheine mehr dazu. Aber was nutze schon Geld in diesem Gefängnis?
Colby hielt dieses extra Geld in einer Dose unter dem Fußboden versteckt. Bevor sie es nutzen konnte, würden sie es wahrscheinlich schon entdeckt und sie womöglich erschossen haben. Sie glaubte trotz Aves Versprechungen nichtmehr an den Moment, in dem sie in höchster Eile ein paar Sachen in eine Tasche schmiss, das Geld unter den Dielen vorkramte und Hals über Kopf aus dem Innocent türmte.
Seitdem alle Mädchen nun einen Chip trugen, machte sich unter ihnen das Gerücht breit, dass jede, die versucht einen Schritt aus dem Innocent zu machen, sofort ausgeknipst wird.
Es war Corvin und seinen verrückten Wissenschaftlern zuzutrauen, alle Chips der Mädchen auf eine bestimmte Reichweite zu programmieren. Mit dieser Möglichkeit konnte er seine Untertanen halten wie Vieh. So nah oder so weit weg von ihm, wie er es wollte.
Colby spürte nasse Lippen an ihrem Hals, die ihr einen Schauer des Ekels über den Rücken jagten. Der Kerl machte sich noch eine Weile an ihr zu schaffen, bevor er scheinbar befriedigt aus ihrem Zimmer verschwand.
Nach einer kurzen Dusche zwängte sie sich zum zweiten Mal an diesem Abend in ihr enges, dunkelblaues Satin-Korsett, mit dem barocken Muster und den schwarzen Spitzenapplikationen. Zusammen mit einem passendem Höschen, hohen halterlosen Nylon-Strümpfen in schwarz und blauen High Heels, die sie gleich um vierzehn Zentimeter größer machten, verschwand sie wenig später wieder in der Menge des gut besuchten Clubs. Es dauerte nur wenige Minuten, bis sie einen Drink in der Hand hatte, spendiert von einem potentiellen neuen Freier. Die Nacht würde wohl mal wieder lang werden. Wenigstens war dieser Typ ganz ansehnlich. Während Colby auf der Tanzfläche von ihrer neuen Bekanntschaft mit viel Körperkontakt angetanzt wurde, der eindeutig auf den weiteren Verlauf in Ihrem Zimmer hindeutete, warf sie einen Blick nach oben.
Corvin hatte sich heute für alle sichtbar in seiner Privatloge positioniert.
Seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, war er mehr als zufrieden mit dem Fortschritt seines neuesten Wahnsinns. Colby versuchte sich vorzustellen, wie es sich anfühlen musste, die Macht über ein ganzes Gebiet, weit über die Stadt hinausreichend zu haben, über jeden Menschen in seiner Umgebung. Das Gefühl zu haben, Gott zu spielen. Colby gab nach kürzester Zeit auf, ihre Vorstellungskraft reichte nicht aus, um solche Gefühle zu erfassen. Aber es musste sich scheinbar gut anfühlen, befriedigend ohne jeden Kompromiss.

Corvin saß vollkommen entspannt in seinem bequemen Sessel und beobachtete das Treiben. Hinter ihm saßen zwei seiner Männer an Laptops und beobachteten die vielen tausend kleiner, verschieden farbiger Punkte, die sich über die Stadtkarte oder diverse Grundrisse des Innocents bewegten.
Jede auffällige Ansammlung und Bewegung wäre ihnen in kürzester Zeit aufgefallen. Corvin war nun der unnahbarste Mensch, den man sich vorstellen konnte. Wenn er gewollt hätte, hätte er sich ohne Schutz durch die Stadt bewegen können und jeder, der ihm zu nahe käme, würde einfach, kurzzeitig ausgeschaltet. Theoretisch wäre das möglich, aber die Reichweite von Waffen war ein Problem, dass er bei so einem Vorhaben hätte berücksichtigen müssen. Aber Corvin störte das nicht weiter, auch dafür würde er sich noch etwas einfallen lassen. Jetzt suhlte er sich erst einmal in dem Hass der Menschen, und der Unwissenheit der vielen kleinen Schafe.
Es würde noch ein Weilchen dauern, bis die ganze Stadt unter seiner Kontrolle war, sauber wie er es gern nannte. Es gab dort draußen noch eine Menge Menschen, die versuchten das Chippen zu umgehen, unter dem Rader zu fliegen, wenn man so wollte. Aber er hatte schon Trupps zusammengestellt, die bald in alle Himmelsrichtungen ausschwärmen würden, um eben solche hartnäckigen Mitmenschen aufzuspüren, zu chippen oder gegebenenfalls beseitigen würden. Jeder Mensch, der noch an einer Straßensperre ohne Chip auftaucht, wird sofort einer verpasst, notfalls mit roher Gewalt. Es lief alles zu seiner Zufriedenheit.
Solange seine Männer loyal blieben, würde er Nichts zu befürchten haben. Aber da er wusste, wie er sie langfristig an sich band und nun ebenfalls mit Chips versehen, stellten sie eine sehr geringe Gefahr dar.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (08.09.14)
Aber was nutze schon Geld in diesem Gefängnis?
Eine berechtigte Frage, weit über deine Geschichte hinaus.
Colby versuchte sich vorzustellen, wie es sich anfühlen musste, die Macht über ein ganzes Gebiet, weit über die Stadt hinausreichend zu haben, über jeden Menschen in seiner Umgebung. Das Gefühl zu haben, Gott zu spielen. Colby gab nach kürzester Zeit auf, ihre Vorstellungskraft reichte nicht aus, um solche Gefühle zu erfassen.
Wie recht du doch hast, hier Gefühle ins Spiel zu bringen, denn Macht appelliert an die Gefühle, nichts anderes. Die Putins dieser Welt, ganz gleich in welcher Position, würden das natürlich leugnen und dafür haben sie ihre schöne Ideologie/Religion.

In diesem Teil konterkariert der von dir gewählte Name 'Innocent' sehr gut das dunklen Herz deiner Geschichte. Keep on writing!
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram