Todesanzeige

Fabel zum Thema Literatur

von  toltec-head

Alles geben die Götter, die unendlichen,
Ihren Lieblingen ganz,
Alle Freuden, die unendlichen,
Alle Schmerzen, die unendlichen, ganz.


Macht sich nett in Todesanzeigen. Todesanzeigen verzeiht man so manches. Götterliebling? Hurra, wie leben noch! (Johannes Mario Simmel)

Überhaupt spürt man gut, dass derjenige, von dem diese Zeilen stammen, weder Plateau-Orgasmen noch Internetliteraturforen kannte. Das war die alte Welt: Alles zentriert auf den Spitzen-Orgasmus und die Kultur-Spitzen hin. Die neue wird platt, aber dafür multipel sein.  Mit der Kenntnis der Techniken, wie man Plateau-Orgasmen erzeugt, wird auch das Verlangen Autor von Büchern zu sein nachlassen. Beides zwei Seiten derselben Medaille: Autor sein und einen Spitzen-Orgasmus haben. Abwechselnd denkt man die ganze Zeit an das eine oder an das andere; der Mann oder die Männin von 40 Jahren langsam aber sicher dann nur noch an das eine. Tauscht man den Spitzen-Orgasmus gegen die multiplen Plateau-Orgasmen ein, ändert sich mit einem Mal aber die gesamte Landschaft: You can have the cake and eat it too. Alle Freuden ganz. Punkt. Und danach, einfach nichts mehr. Keinerlei Schmerzen, keinerlei post-koitalen Depressionen. Wer den Kuchen behält, obwohl er ihn aß, braucht auch keine Todesanzeige mehr. Weil er weiß, dass sie an ihren Todesanzeigen und Depressionen arbeiten, wird der Mensch der neuen Landschaft, der den einen Todesanzeiger und Depressionschaffer Spitzen-Orgasmus abgeschafft hat, sich vor Kultur-Spitzen ebenso in Acht nehmen.

Er wird keinen Namen haben, sondern einen Nick oder verschiedene Nicks.

Er wird kleine, platte, endliche Texte schreiben, dem Modell des Plateau-Orgasmus entsprechend. Das Buch, das eine, unendliche, mit allen Freuden, allen Schmerzen, wird ihn nicht interessieren, er wird auf es als Bibel abfällig hinabschauen.

Auch postet er, statt zu publizieren. Luxus, Ruhe und Wollust; in der neuen Welt wird man sich so etwas endlich leisten können.

Keine Todesanzeigen von Götterlieblingen mehr. Welch ein Glück: Ohne jemals ein Gesicht gehabt zu haben, sich einfach irgendwann selbst löschen.

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Kommentare zu diesem Text

Patroklos (36)
(29.11.14)
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 toltec-head meinte dazu am 29.11.14:
Continuons. Wir sollten mal was über Paul Tholey machen.
Patroklos (36) antwortete darauf am 30.11.14:
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 toltec-head schrieb daraufhin am 13.12.14:
Tod durch Klartraum wäre schöner Titel.
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