Rosette

Text

von  minze

Wir sitzen in der Einführung der Literaturwissenschaften. Es geht um Begriffe in der Lyrik und Beispiele hierfür, die teilweise die Dozentin oder wir vortragen. Beim Homonym gibt es viele, die sich melden. Du hast dich, glaube ich, sehr gefreut, als Frau Vogel dich aufruft. „Die Rosette.“ Ich werde sofort dein stiller Fan. Ich glaub es ist die zweite Sitzung, in der ersten habe ich dich nicht noch nicht gesehen, dabei fällst du schon auf, längere Locken, groß und stark. Und du gehst da noch nicht pumpen.
Spätestens jetzt wirst du immer auffallen mit deinen Wortäußerungen und der Mischung aus Fäkalhumor und Intellekt, die ich sehr anziehend finde. Ich setzte mich ab sofort neben dich, wenn mir das gelingt. Was schwer wird, weil ich eher pünktlich zu Veranstaltungen komme und du eher zu spät. Ich versuche deswegen deinen Humor zu treffen, wenn ich mich zu Wort melde. Das mache ich sowieso ziemlich häufig. Jetzt muss ich noch lustiger sein, als ich es sowieso bin. Es gelingt mir, dass du mich magst und dich in meine Nähe setzt, wenn du später kommst als ich. Wir haben schon etwas Spaß zusammen, bevor wir richtig miteinander sprechen. Natürlich findest du es sympathisch, dass mich deine Kommentare ausnahmslos zum Lachen bringen. Auch wenn du zu Ausführungen von Frau Vogel oder anderen Dozenten nickst und bestätigend „Anus!“ sagst. Ich kann mir keine deiner ernsthaften Ausführungen merken, die zeigen,wie klug du bist. Aber ich bewundere sie.

Wir werden Sitznachbarn und ich bin bereit für das nächste Level, als du mir sagst, dass du eine Freundin hast. Weiß nicht mehr in welchem Zusammenhang. In der Sitzung sage ich dann nicht mehr viel und denke nur darüber nach, wie auffällig mein Schwärmen wohl war. Aber du bleibst so locker wie eh und je und ich denke, du bist cool mit allem. Ich nehme noch ein paar Wochen wahr, wie schön ich deine Locken finde und dass du schon sehr hübsche Lippen hast. Deine Stimme gefällt mir. Aber über diese bescheuerte Ebene von Albernheit lässt sich sowieso besser eine Freundschaft aufbauen. Und darüber bin ich auch irgendwann erleichtert.
Wir lernen zusammen und halten Probeprüfung mit Kaffee und Pizza auf meinem Balkon. Du bringst mich in peinliche Situationen, für die ich mich noch irgendwann revanchieren muss. Wir gehen die Treppe im alten Hauptgebäude runter und du sagst: „Ohhh -  ich glaube, ich habe eingestuhlt!“ als Professor Schäuble an uns vorbeiläuft. Ich muss ihn in dem Moment ansehen, seine Reaktion, und erwarte voller Schrecken, dass er mich fassungslos ansehen wird – nicht dich. Und gleichzeitig bepisse ich mich vor Lachen.

Ich kann dir von den Geschichten zu Hause erzählen. Deine Stimme ist dann weich und klar. Sie sagt nicht so viel, weil sie eher Resonanzkörper ist. Wenn du was sagst, dann trägt mich das aber über Wochen. Du verurteilst andere nicht, sondern siehst vieles offen und wertschätzend. Und nimmst den Druck aus den Situationen, die mich in die Enge treiben. Du sagst mir, dass ich nicht absehen kann, was später sein wird, was richtig und falsch ist. "Du kannst immer nur für den Moment entscheiden." Ich bekomme Raum.

Einmal ist es super kalt und ich helfe dir, Regale für die neue Wohnung mit deiner Freundin zu besorgen. Sie ist nicht mehr in der Stadt, damit es ein bisschen größer für euch ist. Mich kotzt es etwas an, weil wir dann nicht mehr spontan zusammenlaufen gehen werden. Aber das ist wohl euer nächstes Level. Wir nehmen den einzigen Bus in der Stunde zu Ikea und kaufen da eine Sackkarre. Es ist doch mehr, als du dachtest. Im Ikea schmeißen wir uns in leere Gitterwagen und machen Rennen. Es ist die beste Zeit, das zu machen, wir sind gerade 21. Aber wir vergessen darüber den letzten Bus zurück. Da wir eher wenig Geld übrighaben, nehmen wir ein Taxi bis zur nächsten S-Bahn, ein Großraumtaxi für die Regale. Wir fahren zu deiner neuen Bleibe und müssen den Berg hoch durch den Schnee. Mit der klapprigen Sackkarre, die man kaum Sackkarre nennen kann. Meli macht uns einen Kaffee.

Es geht nicht mehr so lange mit euch. Es gibt sicher einige tiefliegendere Dinge, aber es spielt auch eine Rolle, dass du keine Waschmaschine bedienen kannst und nicht aufräumst. Du ziehst in eine WG. Du sagst mir, dass es natürlich schön ist in frischen Beziehungen neu verliebt und aufgeregt zu sein. Aber in langen Beziehungen hast du eine tiefe Liebe, die wachsen konnte. Ihr wart lange zusammen. Ich denke immer wieder an diesen Satz über Beziehungen. Als dann die Trennung richtig passiert, weinst du und wir reden über alles. Du sagst mir auch mit einem sehr warmen Lächeln, dass jetzt die zwei Frauen, die dir was bedeuten, von dir gehen. Ich gehe ins Auslandssemester. Ich umarme dich. Ich weiß, dass wir Zukunft haben.

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Kommentare zu diesem Text

PowR.TocH. (58)
(13.04.20)
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 minze meinte dazu am 13.04.20:
Danke :) schön wenn es rüber kommt.wollte es lustig haben und weiß noch nicht,obs mir genug lustig ist :)

 Dieter_Rotmund (13.04.20)
Recht gut gemacht, die Mischung aus doof-pubertären Erstsemesterhumor und Backfisch-Schwärmerei. Leider definiert sich der Erzähler nur über den/die Angeschwärmte(n), hier wäre etwas mehr Substanz nötig.

P.S:
"Rosette" ist kein Homonym, sondern ein Homograph.

 minze antwortete darauf am 13.04.20:
Ah - na da hat die Schwärmerei vielleicht die Aufmerksamkeit im Seminar begrenzt!

 minze schrieb daraufhin am 13.04.20:
Nachtrag: es geht hier auch um die Rosette,nicht um das Homonym.

 FrankReich äußerte darauf am 13.04.20:
Genau, tatsächlich ist es scheißegal, ob die Antwort auf die Frage nach einem Homonym korrekt war.

 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 13.04.20:
Wieso gleich so vulgär? Ich hatte keineswegs gefordert, dass die Stelle korrigiert wird. Der "blonde Lockenkopf" ist ja vielleicht gar nicht so charming und intelligent, wie es die Glühende denkt, will uns Minze damit vermitteln! Somit wäre es mitnichten "scheißegal", sondern würde ihn den Lockenkopf ein wenig genauer charakterisieren!

 minze meinte dazu am 13.04.20:
Der Text ist einfach top polyvalent!!!

 Oggy meinte dazu am 13.04.20:
Echt mal was anderes als immer nur diese VWL-Scheißseminare über Input und Output.

LG,
Oggy

 minze meinte dazu am 13.04.20:
:) merci

 FrankReich meinte dazu am 13.04.20:
@Dieter
Das ist nicht vulgär, sondern Fäkalhumor.

@Minze
Polyvalenz? Vielleicht hilft er dann ja sogar gegen das Virus.

@Oggy
Ich liebe unseren Fäkalhumor. :D

 AchterZwerg meinte dazu am 14.04.20:

 minze meinte dazu am 14.04.20:
So viele lachende Gesichter.macht ja fast übermütig!

 Oggy meinte dazu am 14.04.20:
Das mußte einfach mal aus mir raus.
Sätzer (77)
(13.04.20)
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 minze meinte dazu am 13.04.20:
Schön! bei mir liegt die Zeit auch zurück,aber fühle mich auch oft zurückversetzt,was Spaß macht.

Antwort geändert am 13.04.2020 um 15:20 Uhr

 Willibald meinte dazu am 14.04.20:
Ächz, lieber Dieter, wieso ist die "Rosette" ein Homograph und kein Homonym? Weil du das Lexem französisch aussprichst? Weil man es als Metapher verwendet? Weil es kein Synonym für Anusöffnung ist?
Ich vermute mal, Dieter meint "Polysemie im engeren Sinn".
Homophon-homographe Salute!
ww

Antwort geändert am 14.04.2020 um 10:57 Uhr

 Willibald (14.04.20)
Ächz, lieber Dieter, wieso ist die "Rosette" ein Homograph und kein Homonym?
Weil du das Lexem französisch aussprichst?
Weil man es als Metapher verwendet?
Weil es kein Synonym für Anusöffnung ist?
Ich vermute mal, Dieter meint "Polysemie im engeren Sinn".

Salute (Homophon-homograph)!
ww

 EkkehartMittelberg (14.04.20)
hallo minze, du musst nichts ändern. Rosette ist ein Homonym. Ich verstehe aber nicht, weshalb Homonyme in der Lyrik eine Rolle spielen. Verstehe das bitte nicht als Kritik am Text. ich frage das nur interessehalber.
Gruß
Ekki

 minze meinte dazu am 14.04.20:
Vermutlich weil sie mehrdeutig sind und so verschiedene Bedeutungsebenen erlauben.
Nachtrag: ich finde es schade,dass sich jetzt so viel Diskussion um diesen Begriff aufmacht.gibt ja noch mehr Text drumrum.naja!

Antwort geändert am 14.04.2020 um 16:31 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 14.04.20:
Zu dem anderen Text, den ich empfohlen habe, war aus meiner Sicht alles gesagt.
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